Jürgen Lingg (Intact): «Situation ist neu für mich»
Das deutsche Dynavolt Intact GP-Team mit Tom Lüthi und Marcel Schrötter freute sich beim Katar-GP erstmals über zwei Podestplätze in einem Rennen, beim dritten Kräftemessen in Austin/Texas gelang mit Lüthi und Schrötter sogar ein Doppelsieg.
In der siebten Moto2-Saison hat es Jürgen Lingg, Teamprinzipal und Technical Director, erstmals geschafft, den Topteams wie Marc VDS und Flexbox HP 40 Pons den Rang abzulaufen. Intact führt die Teamwertung mit 92 Punkten vor Flexbox (74), Onexox SAG (46), Marc VDS (42) und Italtrans (35) an.
Im Interview mit SPEEDWEEK.com spricht Jürgen Lingg über Marcel Schrötter, der 2019 bereits zweimal auf der Pole-Position stand, und über Tom Lüthi, der seine verpatzte MotoGP-Saison rascher überwunden hat als erwartet. In Texas sorgte er für den zweiten Sieg des Intact-Teams.
Jürgen, du hast bei drei Grand Prix zweimal beide Fahrer aufs Podest gebracht und zwei Pole-Positions erreicht. Mit so einem Saisonstart durfte man nicht unbedingt rechnen. Wie waren deine Erwartungen?
Bei Marcel hat man schon im letzten Jahr gesehen, dass bei ihm eine steile Kurve nach oben geht. Er hat es halt im Rennen oft nicht umsetzen können. Aber er war übers Wochenende und in den Trainings immer stark. Deshalb habe ich mir bei ihm schon ein bisserl was erwartet.
Tom konnte man anfangs nicht genau einschätzen, weil man nicht wusste, wie stark ihn das Jahr 2018 runtergezogen hat. Aber man hat bei den November-Tests schon gemerkt, dass er ziemlich motiviert ist und es allen zeigen will.
Wir haben natürlich immer gewusst, dass er schnell ist. Denn er war in dieser Klasse 2016 und 2017 Vizeweltmeister. Doch dass er gleich so überragend fährt, mit dem habe ich – ehrlich gesagt – auch nicht gerechnet.
Insgeheim haben wir gehofft, dass Tom Podiums einfahren kann. Aber dass er den dritten Grand Prix gleich gewinnt, habe ich nicht erwartet.
Tom Lüthi hat mit dem vierten Startplatz in Austin sein bestes Quali-Ergebnis seit Assen 2017 erreicht, dort fuhr er von Platz 3 los. Er ist also im Rennen stärker als im Quali, bei Marcel ist es umgekehrt.
Ja, genau so ist es. Tom kann im Rennen immer noch zulegen, das war schon früher so bei ihm. Da kommt ihm halt auch seine Erfahrung zugute. Man spürt, dass er den richtigen Instinkt hat. Er weiß genau, wann er attackieren muss. Das macht er richtig gut.
Marcel Schrötter sagte 2018, bei ihm fehle in den ersten Rennrunden noch das Durchsetzungsvermögen, da verlor er oft kostbare Positionen. Jetzt hat er 2019 schon zwei Podestplätze erobert. Muss er noch mehr die Ellenbogen ausfahren? In Las Termas fiel er in der vorletzten Runde von Platz 2 zurück und wurde schliesslich Fünfter.
Ja, es ist so, wie du sagst. Aber wenn man sich die Rennen hinterher ein zweites Mal genau anschaut, dann sieht man, dass er in Doha, Las Termas und Austin schon gut dagegen gehalten hat.
Er ist da auf einem guten Weg. Wenn er so weitermacht, dann muss es irgendwann auch bei ihm mit einem GP-Sieg klappen. Davon bin ich überzeugt.
Wie angespannt bis du bei den Rennen, wenn zwei Fahrer aus dem Intact-Team um den Sieg fighten?
Ich bin zwar schon lange dabei, aber so eine Situation ist neu für mich. Wenn man um den 15. Platz rumfährt, ist man weniger angespannt, als wenn es um den Sieg oder um ein Podium geht. Das ist ganz normal. Wenn ich dann nimmer angespannt bin, bin ich fehl am Platz.
Das nimmt mich schon ziemlich mit. Aber es ist nicht so schlimm. Das ist eine gesunde Abspannung.
Das Intact-Team wollte von Anfang an in die Weltspitze vordringen. Die Budgets waren immer ausreichend. Aber bis zum ersten Sieg mit Jonas Folger 2016 in Brünn dauerte es vier Jahre. Das war das erste Jahr mit zwei Fahrern. Hätte man früher auf zwei Fahrer umstellen sollen?
Klar, mit zwei Fahrern ist es natürlich einfacher. Aber das ganze Team ist einfach gewachsen.
Und es gibt oft Sachen, die du nicht beeinflussen kannst.
Im Moment stimmt die Chemie im Team, es herrscht gute Stimmung. Es passt einfach alles. Das kann man nicht immer so vorprogrammieren.
Man versucht, die bestmögliche Infrastruktur aufzubauen und die bestmöglichen Techniker zu holen. Aber die müssen dann wieder untereinander harmonieren. Das sind alles so Sachen, die man nicht immer 100-prozentig im Griff hat.
Du hast im Laufe der Jahre deine Technik-Crew völlig umgekrempelt. Aus den ersten drei Moto2-Jahren ist außer dir kein Techniker mehr in der Box.
(Er denkt nach). Nein, ist keiner mehr dabei. Nur Gero Betz ist noch bei uns, er kümmert sich aber 2019 um den MotoE-Weltcup mit Jesko Raffin.
Ich will das nicht so stehen lassen, dass es an den Technikern liegt. Es harmoniert einfach jetzt besser. Es passt im Moment alles zusammen.
WM-Stand Moto2 (nach 3 von 19 Rennen)
1. Baldassarri 50. 2. Schrötter 47. 3. Lüthi 45. 4. Gardner 38. 5. Alex Márquez 36. 6. Marini 27. 7. Navarro 24. 8. Bastianini 21. 9. Lowes 19. 10. Binder 14. 11. Locatelli 14. 12. Lecuona 13.