Crew-Chief Sandi: Was die Jungen oft nicht verstehen
Enea Bastianini mit Giovanni Sandi in der Italtrans-Box
Giovanni Sandi gehört zu den erfahrensten Technikern im Paddock, er führte 2020 Enea Bastianini zum Moto2-Titel. Für den 71-jährigen Italiener war es der insgesamt achte WM-Titel. Zuvor war er schon mit Tetsuya Harada (Yamaha 250 ccm: 1993), Max Biaggi (Aprilia 250 ccm: 1994, 1995, 1996; Superbike-WM 2010) und Jorge Lorenzo (Aprilia 250 ccm: 2006 und 2007) erfolgreich.
Über seinen Crew-Chief sagte Enea Bastianini: «Eine großartige Person und ein großartiger Techniker. Er arbeitet sehr viel am Fahrer, vor allem am mentalen Aspekt, und ich muss sagen, dass mir das auf dem gesamten Weg sehr geholfen hat.»
Liegt darin Sandis Erfolgsrezept? «Ich habe immer mit Enea geredet, nur ich und er – und das oft. Ich wollte ihm klar machen, dass er sein Talent gut nutzen musste, denn vorher hatte er es nie mit der Entschlossenheit und dem Willen getan. Ich habe ihm also gesagt: ‚Enea, wenn du mit dem Talent, das du hast, nicht gewinnst, bleibst du einer von vielen. Einer von denen, die nichts gewonnen haben. Wir schaffen es, Enea!‘ Solche Dinge», verriet er im Interview mit GPOne.com.
Müssen junge Fahrer denn besonders motiviert werden? «Das sind Jungs, die nicht immer ernsthaft verstehen, was sie machen. Es geht ihnen leicht von der Hand, sie fahren Rennen, haben Spaß. Aber wenn du ein Champion sein willst, braucht es mehr», betont Sandi. «Es ist eine Generation, die auf den Wolken schwebt. Sie haben alles, haben Spaß – und deshalb fehlt ihnen dieser Erfolgshunger, diese Entschlossenheit, mit der du den Unterschied machst.»
Seine Generation beschreibt der 71-jährige Sandi dagegen so: «Sie war ärmer. Um das zu schaffen, was sie im Kopf hatten, waren größere Opfer erforderlich. Nicht alle konnten sich das Training leisten. Es ist auch richtig so, dass es inzwischen anders ist, man lebt jetzt in einer anderen Welt. Aber wenn du bereit bist, Opfer zu bringen, hast du das Bisschen mehr im Vergleich zu den anderen.»
Woran erkennt man eigentlich einen Champion? «Das sieht man sofort. Auf dem Motorrad sitzt der Fahrer und das erkennt man ohne jede Umwege. In meinem Alter kann ich in dem Moment einschätzen, ob einer Talent hat, wenn er mit der Arbeit beginnt. Man sieht sofort, ob einer gut ist – ob er ein Talent ist oder ein Fahrer, der aufgebaut wurde. Ob er also viele Dinge zusammenfügen muss, weil ihm dieses natürliche Talent fehlt.»
Talent allein reicht aber noch lange nicht. Bei welchem Fahrer sah Sandi viel Talent, das nicht genutzt wurde? «Pasini hat viel vergeudet, er verfügt über ziemlich großes Talent, aber leider hat er sich oft zu sehr mitreißen lassen und dadurch wichtige Ergebnisse weggeworfen. Mattia ist zu großzügig. Wenn er etwas mehr berechnend gewesen wäre, wenn er sich mit einer Platzierung zufrieden gegeben hätte, dann hätte auch er mehr erreicht.»
Bastianini dagegen kürte sich zum Weltmeister, ehe er in diesem Jahr sein Debüt in der MotoGP-Klasse geben wird. Was traut Sandi seinem ehemaligen Schützling zu, der im Ducati-Kundenteam von Esponsorama nun von Doviziosos langjährigem Crew-Chief Andrea Giribuola betreut wird?
«Bastianini kann alles schaffen», ist Sandi überzeugt. «In der MotoGP gibt es mehr Elektronik, mehr PS, andere Reifen und sich an all diese Dinge anzupassen, macht den Unterschied. Aber wenn man sein Motorrad und sein Talent anschaut, dann kann es Enea mit den großen Champions aufnehmen.»
Bei Italtrans übernimmt Joe Roberts den Platz des Weltmeisters, an der Seite von Lorenzo Dalla Porta. Der Moto3-Weltmeister von 2019 blieb in seiner ersten Moto2-Saison als WM-27. hinter den Erwartungen zurück.
«Ich hoffe auf eine Entwicklung von Lorenzo Dalla Porta. Ich hatte bei ihm mehr erhofft und erwartet», gestand Sandi. «Aber jetzt bin ich zuversichtlich, was eine Steigerung angeht. Und dann haben wir Roberts, den wir ausgewählt haben, weil wir an ihn glauben. Ich glaube, dass er großartige Dinge zeigen kann. Beim ersten Test war er stark, auf Anhieb. Wir haben auch in diesem Jahr eine starke Mannschaft.»