Forward MV Agusta: Das Debakel der Edelmarke
Das Forward Racing Team hat zwar seit 2010 in der Moto2-WM drei GP-Siege gefeiert, aber seit diese Truppe mit Bikes unter der Bezeichnung MV Agusta aufkreuzt, ist an GP-Siege nicht zu denken. Sogar Top-Ten-Ergebnisse haben Seltenheitswert und selbst das Erreichen der Punkteränge ist keine Selbstverständlichkeit. Trotz der ruhmreichen Marke MV Agusta im Hintergrund und des angeblich stark involvierten Forschungs- und Entwicklungszentrums «Centro Richerce Castiglioni» in San Marino, das früher «Centro Richerce Cagiva» bedeutete, als diese Marke bei Castiglioni noch aktuell war. Cagiva stand für «Castiglioni Gianfranco Varese».
Starke Innovationen und Impulse erreichen das Moto2-Team aus dem CRC offenbar nicht. Denn der Gitterrohrstahlrahmen wurde 2018 bei Suter Industries in der Schweiz von Ing. Alex Giussani entwickelt und konstruiert, seither hat er sich nur unwesentlich verändert.
Brian Gillen, R&D Director, MV Agusta und CRC, schwärmt aber von den Fähigkeiten des CRC, das die Design Studios und Büros des Styling- und Engineering Centres in San Marino beherbergt und das im Januar 2021 erheblich aufgemöbelt und stärker besetzt wurde.
Gillen bezeichnet das CRC als Denkfabrik für das Design, das Engineering und die Konstruktion der schönsten Motorräder der Welt. «Das ist der Fokus von CRC», betont er.
Und während die Serienmotorräder von MV Agusta unbestritten als Prunkstücke gelten, kommt die Edelmarke aus Italien im Rennsport nicht voran.
Die Ergebnisse in der Moto2-Saison 2021 präsentieren sich unterirdisch und geben ein katastrophales Bild. Die ehemaligen GP-Sieger Simone Corsi (er war 2008 Vizeweltmeister in der 125-ccm-Klasse) und Lorenzo Baldassarri sind auf den erschütternden WM-Rängen 25 und 30 in die Sommerpause gegangen; sie haben in den ersten neun Rennen kümmerliche 7 und 3 Punkte eingesammelt. Dieses einst in anderen Teams und auf anderen Fabrikaten erfolgreiche Moto2-Duo fährt mit der MV Agusta F2 hoffnungslos hinterher.
Das ominöse italienische MV Agusta Forward Racing Team lieferte seit dem Saisonstart auf dem Losail Circuit eine bunte Reihe von Pleiten, Pech und Pannen ab.
Auch Ersatzfahrer Tommaso Marcon, der in Februar schon mit der MV Agusta F2 getestet hat, erweist sich bei seinen sporadischen Einsätzen als hoffnungslos überfordert. In Doha verlor er bis zu 3,8 sec pro Runde.
Selbst der Italiener Baldassari, der im Pons-Team auf der Kalex 2019 noch drei der ersten vier Grand Prix gewann, kann auf der nicht konkurrenzfähigen F2 mit dem im Sommer 2018 von Suter Industries konzipierten Gitterrohrstahlrahmen nichts ausrichten.
In Katar kam «Balda» zum Beispiel auf dem 20. und vorletzten Platz ins Ziel – 44,9 Sekunden hinter Sieger Sam Lowes. Bei der übergewichtigen MV Agusta fehlt es an Top-Speed, auch die Aerodynamik lässt zu wünschen übrig. Ein zahlungskräftiger Hauptsponsor ist beim Team von Giovanni Cuzari seit Jahren nicht zu sehen. Deshalb dreht sich die Abfahrtsspirale immer weiter.
Die Forward MV Agusta-Moto2-Truppe beklagt als Ursache für die triste Punkteausbeute die eingefrorene Entwicklung, die aber für Kalex, NTS und Boscoscuro genauso galt, ehe sie jetzt etwas gelockert wurde.
Zur Erinnerung: Als MV Agusta noch frisch und fröhlich weiterentwickeln konnte, landeten Manzi und Corsi im Vorjahr auf den WM-Rängen 22 und 24.
MV Agusta Reparto Corse hat wahrlich schon bessere Zeiten erlebt. Das einst in Gallarate domilizierte Motorradwerk der Grafen Agusta
hat in der Motorrad-Weltmeisterschaft 38 Fahrer- und 37 Konstrukteurs-Weltmeistertitel gewonnen und fast 20 Jahre lang zuerst die kleinen und später vor allem die großen Hubraumklassen (350 und 500 ccm) beherrscht.
Die Liste der Weltmeister von MV Agusta gleicht einem «Who is Who» der Rennfahrer-Elite: Legenden wie Carlo Ubbiali (8 Titel), John Surteees (7), Mike Hailwood (4), Tarquinio Provini (1), Cecil Sandford (1), Gary Hocking (2), Giacomo Agostini (13) und Phil Read (2) sammelten die 38 Fahrer-WM-Titel für MV Agusta ein.
Agostini betrachtete das Mitwirken von MV Agusta am Forward-Projekt schon beim Brünn-GP 2018 als Frevel und Verrat an der ruhmreichen Marke. «Das ist doch ein reiner Marketing-Gag», wetterte Ago nazionale damals im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Die Mechaniker sind nicht von MV, die Motoren und das Chassis sind nicht von MV, die Gabeln sind nicht von MV, die Räder sind nicht von MV. Nichts! Was soll das?»
Moto2-WM-Stand (nach 9 von 19 Rennen)
1. Gardner 184 Punkte. 2. Raúl Fernández 153. 3. Bezzecchi 128. 4. Sam Lowes 99. 5. Di Giannantonio 73. 6. Schrötter 66. 7. Canet 55. 8. Augusto Fernández 50. 9. Vierge 50. 10. Roberts 50. 11. Ogura 49. 12. Navarro 42. 13. Bendsneyder 39. 14. Arbolino 30. 15. Beaubier 26. 16. Vietti 22. 17. Arenas 22. 18. Manzi 20. 19. Chantra 16. 20. Ramirez 16. 21. Dixon 11. 22. Garzo 11. 23. Bulega 10. 24. Syahrin 8. 25. Corsi 7. 26. Dalla Porta 6. 27. Lopez 4. 28. Aldeguer 4. 29. Lüthi 4. 30. Baldassarri 3. 31. Baltus 2.
Stand Marken-WM
1. Kalex 225 Punkte. 2. Boscoscuro 81. 3. MV Agusta 10. 4. NTS 10.
Stand Team-WM
1. Red Bull KTM Ajo 337 Punkte. 2. Sky Racing Team VR46 150. 3. Elf Marc VDS Racing Team 149. 4. Liqui Moly Intact GP 96. 5. Federal Oil Gresini Moto2 83. 6. Aspar Team 77. 7. Idemitsu Honda Team Asia 65. 5. Petronas Sprinta Racing 61. 9. Italtrans Racing Team 56. 10. Ego Speed Up 46. 11. Pertamina Mandalika SAG Team 43. 12. American Racing 42. 13. Flexbox HP40 35. 14. MV Agusta Forward Racing 10. 15. NTS RW Racing GP 10.