Traurige Nachricht: GP-Sieger Reinhold Roth ist tot
«Ich bin letzte Woche nach Portugal in die Ferien geflogen, Reinhold ging es vor meiner Abreise gut. Er hatte ein ganz tolles Pflegeteam, es nennt sich 'Heimbeatmung' und ist ein Intensiv-Pflegedienst. Das waren Intensiv-Krankenschwestern, die ihn bestens betreuten, es ging ihm wirklich gut», erzählte die erschütterte Gattin Elfriede heute am Abend im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Reinhold war meistens gut gelaunt, er hat gern gelacht und allen Leuten zugerufen, die er auf der Straße gesehen hat.»
Gestern zu Mittag rief Elfriede Roth aus den Ferien routinemäßig ihren Sohn Matthias daheim in Amtzell an und erkundigte sich, ob alles okay sei. «Aber ich habe gleich an der Stimme von Matthias erkannt, dass etwas passiert ist. Er hat dann gesagt, es sei ihm schon besser gegangen. Nachher hat er mir dann erzählt, der Papa ist mit dem Notarzt ins Krankenhaus gebracht worden.»
Reinhold Roth hatte einen Lungenkollaps erlitten, er ist blau angelaufen und musste vom Notarzt reanimiert werden.
«Ich habe gestern den erstmöglichen Flug zurück nach Deutschland gebucht und bin heute in der Früh um 4 Uhr von Portugal zurückgeflogen», berichtete Elfriede. «Ich dachte, ich habe meinen Mann jetzt nach dem Unfall von 1990 bis heute 31 Jahre lang begleitet. Jetzt will ich auch in den letzten Stunden seines Lebens bei ihm sein. Das habe ich auch geschafft. Ich bin noch rechtzeitig ins Krankenhaus in Wangen im Allgäu gekommen, bevor er ganz friedlich eingeschlafen ist. Aber Reinhold hat keine Chance gehabt, hat uns der Arzt mitgeteilt. Die Spätfolgen der schweren Kopfverletzungen von Rijeka spielten da eine Rolle, dazu haben die Nieren versagt. Es ist eins zum andern gekommen.»
Roth kämpfte als HB-Honda-NSR-250-Werksfahrer 1990 beim Rijeka-GP in einem dichten 7-Mann-Pulk um die Top-5, als die Gruppe auf den australischen Nachzügler Darren Milner auflief, der im Schneckentempo auf der Ideallinie zurück an die Boxen tuckerte, weil es zu regnen begonnen hatte.
Roth war die Sicht verstellt, er krachte mit ca. 170 km/h ins Heck der Milner-Yamaha. Durch die Wucht des Aufpralls erlitt Roth einen Schädelbasisbruch und ein Schädel-Hirn-Trauma dritten Grades.
Das Rettungsauto verfügte über keinen Notarzt, es führte keine lebenserhaltenden Geräte mit, die medizinisch-technische Ausstattung spottete jeder Beschreibung.
Roth konnte erst in der Clinica Mobile nach ca. zehn Minuten ohne Sauerstoff reanimiert werden. Er lag danach tagelang im Koma und litt danach zeitlebens am apallischen Syndrom. Das ist ein Krankheitsbild in der Neurologie, das durch schwerste Schädigung des Gehirns hervorgerufen wird. Reinhold galt deshalb bis heute als Pflegefall.
Reinhold Roth, der 250-ccm-Vizeweltmeister von 1987 und 1989, war seit dem fürchterlichen Unfall 1990 beim Jugoslawien-GP in Rijeka ein Pflegefall und ist am 4. März in diesem Jahr 68 Jahre alt geworden. Durch die Erfolge des großen Toni Mang erlebte der deutsche Motorradrennsport in den 1980er-Jahren eine Blütezeit. Im Soge des schnellen Bayern wurden die Medien auf den Zweiradsport aufmerksam, immer mehr Teams entstanden, und plötzlich war Deutschland nach Jahren der Bedeutungslosigkeit wieder ein Faktor im Motorrad-GP-Sport.
Elfriede Roth wirkte trotz des traurigen Schicksalschlags gefasst, denn es war nach diesem katastrophalen Unfall und den schweren Verletzungen keine Selbstverständlichkeit, dass Reinhold Roth noch so viele Jahre leben durfte.
Es gab zwischendurch immer wieder empfindliche gesundheitliche Rückschläge. «Reinhold hat oft um sein Leben gekämpft. Und ich habe 31 Jahre mit ihm mitgekämpft… Deshalb bin ich auf der einen Seite erleichtert, dass er jetzt endlich gehen durfte. Ich bin dankbar für die Zeit, in der ich ihn an meiner Seite gehabt habe. Reinhold hat in den letzten Jahren natürlich abgebaut. Er hat jetzt keine Kraft mehr gehabt. Seine Kräfte sind zu Ende gegangen», seufzte Elfriede.
Kurz vor seinem Tod hat Reinhold noch ein freudiges Erlebnis teilen können. Denn Sohn Matthias wird erstmals Papa! «Wir haben immer gehofft, dass Reinhold die Geburt unseres Enkelkinds noch erleben und das Baby im Arm halten darf. Aber jetzt müssen wir zur Kenntnis nehmen: Der eine geht, der andere kommt. So ist das Leben.»
Reinhold Roth war allseits beliebt, er hatte keine Feinde, er war immer für seine Fans da, hatte sich von ganz unten als Privatfahrer vom OMK-Pokal über die Deutsche Meisterschaft und Europameisterschaft nach oben an die Weltspitze gearbeitet. Er gewann zuerst die 250-ccm-Europameisterschaft und stellte 1984 auch in der 500-ccm-Weltmeisterschaft seinen Mann – er sicherte sich mit der käuflichen Dreizylinder-Honda RS 500 immerhin Platz 7 beim Österreich-GP auf dem Salzburgring.
Reinhold war als «Jointie» bekannt, weil er jahrelang eine Zigarette nach der anderen rauchte. Aber nach dem ersten Vize-WM-Titel gab er diese Leidenschaft auf und paffte dafür manchmal eine Pfeife.
Ruhe in Frieden, Reinhold. Und verzeih mir, dass wir dich in den letzten 30 Jahren nicht so oft besucht haben, wie wir es uns vorgenommen haben.