GP-Sieger Helmut Bradl feiert seinen 60. Geburtstag
Als Stefan Bradl beim Catalunya-GP 2005 mit 15 Jahren im Red Bull KTM Junior-Team von Dieter Stappert als Wildcard-Fahrer sein Debüt in der 125-ccm-Weltmeisterschaft gab, hatte er bereits eine klare Vorstellung von seiner Motorrad-GP-Karriere. «Ich will in der Weltmeisterschaft um einen Platz besser abschneiden als mein Papa», deponierte er ohne falsche Bescheidenheit. Das bedeutete: Bradl junior wollte Weltmeister werden.
Denn Helmut Bradl verlor den 250-ccm-WM-Titelfight 1991 mit 220 zu 237 Punkten gegen den Italiener Luca Cadalora, der vor fünf Jahren noch als Riding Coach für Valentino Rossi agierte, während Helmut Bradl diese Aufgabe für seinen Sohn Stefan im Aprilia-Werksteam wahrnahm. «Manchmal trafen wir uns an der Strecke und rauchten friedlich eine Zigarette miteinander», erinnert sich Helmut Bradl, der vor 30 Jahren noch keine Friedenspfeife mit dem damaligen Rothmans-Honda-250-Star geraucht hätte.
Denn der Titelfight wurde 1991 erbittert geführt. In Misano eskalierte der Kampf. Bradl fühlte sich als Sieger im Fotofinish, aber die Zeitnahme sprach den Sieg mit 0,009 sec Vorsprung dem Lokalmatador zu. Papa Bradl blieb trotzig der Siegerehrung fern.
Beim Heim-GP in Hockenheim waren die Rollen hingegen klar verteilt. Der Zahlinger stand mit der HB-Werks-Honda NSR 250 auf der Pole-Position, das Rennen gewann er mit 13,517 Sekunden Vorsprung unangefochten vor den Honda-NSR250-Kollegen Carlos Cardús und Wilco Zeelenberg. Titelrivale Cadalora kam über Platz 4 nicht hinaus. Sogar Bundeskanzler Helmut Kohl stand neben dem erfolgreichen Zahlinger auf dem Siegerpodest.
Der GP von Deutschland war damals schon drei Monate im Voraus ausverkauft. Am Renntag fieberten 120.000 Zuschauer mit den deutschen GP-Helden mit. Mit Ralf Waldmann (125 ccm) und Ralph Bohnhorst/Bruno Hiller (Seitenwagen) wurden an diesem Tag zwei weitere deutsche Klassensieger bejubelt.
Helmut Bradl hatte vor dem deutschen WM-Lauf schon in Jerez gewonnen, der Sieg in Hockenheim war sein zweiter GP-Triumph, zwei Wochen später siegte er auch auf dem Salzburgring.
«Wir waren vorher zum Testen in Hockenheim, das hat etwas gebracht», erinnert sich der 250-ccm-Vizeweltmeister von 1991. «Außerdem lagen mir schnelle Strecken, oder besser: Sie sind mir gelegen. Und natürlich war man bei dieser Kulisse extrem motiviert. Der Heim-GP hat noch ein paar Zehntel zusätzlich ausgemacht. Wenn du damals in Hockenheim ins Motodrom reingefahren bist, das war spektakulärer als jetzt zu den besten Zeiten von Rossi in Mugello. Dort waren zwar auch 100.000 Fans, aber sie waren nicht so nah dran wie in Hockenheim. Es war ein phänomenales Gefühl.»
«Ich bin auf dem besten Startplatz gestanden und habe einen Start-Ziel-Sieg gefeiert», schildert Helmut Bradl. «Ich habe einen gescheiten Start hingelegt, in der ersten Schikane habe ich schon einen kleinen Vorsprung gehabt. In Hockenheim war der Windschatten extrem wichtig, deshalb habe ich geschaut, dass ich die Verfolger gleich aus dem Windschatten losbringe. Dann bin ich halt mein Ding fertig gefahren. Die Siegerehrung war fantastisch. Sogar Bundeskanzler Kohl war da! Das war schon einzigartig; so eine Stimmung habe ich nachher nie mehr erlebt. Jerez war auch ein geiles Rennen, weil es mein erster GP-Sieg war. In Le Mans habe ich zum Beispiel auch gewonnen, das war aber von der Atmosphäre her eher bescheiden, denn dort siehst du die Zuschauer nicht.»
Rückblende zu den Anfängen
«1991 war eine andere Zeit, zum Beispiel vom Fahrerlager her», blendet Papa Bradl zurück. «Da ging es zu wie auf einem Campingplatz, leger und locker, es war nicht alles so straff durchorganisiert. Man hat noch kein Handy gehabt und war nicht immer in der Cloud, sondern man ist mit beiden Füssen auf dem Boden gestanden. Heute sind die Jungen nur noch in der Cloud.»
Helmut und Bruder Max Bradl beendeten 1985 den deutschen OMK-Pokal in der Klasse 500-ccm-Viertakt mit den Honda VF500 auf den Plätzen 1 und 2.
Die deutsche 250-ccm-Meisterschaft wurde 1986 nicht ernsthaft bestritten. Max nahm an den 250-ccm-EM-Rennen in Mugello und Donington teil, von Honda Deutschland hatten die Brüder je einen Honda RS 250-Production-Racer erhalten. Im März 1987 brauste Helmut zum EM-Lauf nach Jerez, ohne Startzusage. Max hatte seine Karriere inzwischen beendet.
Doch Helmut Bradl durfte dann in Jerez teilnehmen, er stürzte jedoch beim EM-Auftakt. Und da er auf keiner Grading-Liste des deutschen Verbands OMK stand (keine DM-Ergebnisse!), bekam er auch für den folgenden EM-Lauf auf dem Salzburgring keine Startzusage.
Erst nach der Fürsprache eines Bekannten erbarmte sich der Veranstalter ARBÖ Salzburg des aufstrebenden Talents aus Bayern.
Bradl durfte dank Nachnennung mit der Startnummer 62 an den Start gehen. Er brauste auf Platz 2 – und durfte deshalb danach an allen restlichen EM-Rennen teilnehmen. Er wurde Vize-Europameister – und die Top-3 der EM erhielten einen Fixplatz in der 250er-WM 1988.
Bradl nahm 1988 mit einer Production-Honda des Rallye-Sport-Teams von Rolf Schwabe-Schott an der WM teil, seine Brüder Edwin und Max begleiteten ihn rund um die Welt als Mechaniker.
Toni Mang, 1987 auf der Rothmans-Honda zum fünften Mal Weltmeister, stand am Ende seiner Karriere. Er trat im August zurück; er wollte jedoch sein eigenes Rothmans-Honda-250-Team fortführen und überließ dann in Goiania/Brasilien den deutschen Nachwuchsfahrern Helmut Bradl und Jochen Schmid je eine Werks-Honda NSR 250. Der Bessere sollte das Motorrad für 1989 im Mang-Team fahren dürfen.
Schmid stürzte, Bradl landete auf Platz 6 – und sicherte sich damit beim Saisonfinale die Werks-Honda NSR 250 für 1989.
Mang konnte sein Team aber nicht mehr finanzieren. Sponsor Rallye Sport (der deutsche Dainese-Importeur) und HB bezahlten die Werksmaschinen und das Team für Bradl, der die 250er-WM in den folgenden Jahren auf den beachtlichen Rängen 9, 4, 2, 4 und 7 abschloss.
Da es nie für den Titelgewinn reichte, musste Helmut Bradl seinen Platz nach dem GP-Finale in Jarama 1993 für den jüngeren Ralf Waldmann räumen und seine GP-Karriere mit 31 Jahren abrupt beenden.
Stefan Bradl (er befindet sich jetzt beim MotoGP-Test in Jerez) war zu diesem Zeitpunkt knapp vier Jahre alt. Er wurde behutsam aufgebaut, ließ alle Nachwuchsserien aus und stieg erst mit 13 Jahren in den deutschen Red Bull Rookies Cup ein, der von Sepp Schlögl betreut wurde, dem jahrelangen Crew-Chief von Papa Helmut.
Nach den ersten zwei 125-ccm-GP-Siegen von Stefan 2008 in Brünn und Motegi witzelte Papa Helmut: «Sie gelten so viel wie ein 250-ccm-Sieg, Stefan fährt ja mit dem halben Hubraum.»
Doch Stefan fügte 2010 und 2011 insgesamt noch fünf Moto2-Siege hinzu, sogar mit 600 ccm, dazu den Weltmeistertitel 2011, damit war geklärt, wer sich als erfolgreichster Motorradrennfahrer der Familie Bradl fühlen darf.
Dazu gelang Stefan eine eindrucksvolle Karriere in der MotoGP mit 53 Top-Ten-Plätzen und dem grandiosen zweiten Platz in Laguna Seca 2013.
Aber den Grundstein zum Erfolg hatte Papa Helmut mit seinen Connections zu Honda und KTM sowie mit seiner zielführenden Ausbildung des Juniors gelegt.
Alles Gute zum 60.