Sandro Cortese (Yamaha TZ 750): «Krass zu fahren»
Sandro Cortese wurde von Yamaha Deutschland am vergangenen Wochenende zur ADAC Sachsenring Classic eingeladen, die von 35.000 begeisterten Zuschauern besucht wurde. Die Fans konnten die aktuellen und ehemaligen Rennfahrerhelden aus der Nähe begutachten, zahlreichen legendäre Motorräder bewundern und auch ins Fahrerlager, in die Boxengasse und zur Startaufstellung marschieren.
Yamaha Deutschland hatte für Cortese zwei ca. 45 Jahre alte 750-ccm-Zweitakt-Werks-Yamaha aus der Formel-750-Weltmeisterschaft von Johnny Cecotto besorgt und dazu eine ehemalige Agostini-Yamaha-TZ 750, mit der der Italiener einst die 200 Meilen von Daytona bestritten und gewonnen hat.
Die 750er-WM wurde von 1977 bis 1979 ausgetragen. Sie galt als Vorläufer der Superbike-WM, die 1988 begonnen hat. Zugelassen waren nur käufliche Production Racer. Yamaha baute von der wassergekühlten TZ 750 (mit Reihen-Vierzylindermotor) zwischen 1974 und 1979 nicht weniger als 567 Exemplare. Der Kaufpreis lag 1979 bei ca. 20.000 Mark.
Drei Jahre lang wurde die 750-ccm-Weltmeisterschaft von der Yamaha TZ 750 dominiert. Wegen ihrer giftigen Leistungsentfaltung und des schwerfälligen Fahrverhaltens wurde sie von den Piloten nur als «The Beast» bezeichnet.
Suzuki baute nie eine käufliche, homologierte 750-ccm-Zweitakt-Rennmaschine. Nur für die Britische Meisterschaft wurden später einige 500-ccm-Werks-Vierzylinder der RG-Reihe auf 680 ccm aufgebohrt. Kawasaki verfügte nur über luftgekühlte 750-ccm-Dreizylinder-Maschinen, die aber damals von legendären Fahrern wie Yvon DuHamel, Gary Nixon, Barry Ditchburn, Mick Grant und Gregg Hansford zu beachtlichen Erfolgen gesteuert wurden.
Bevor diese F750-Rennserie den WM-Status erhielt, wurde sie 1973 als FIM-750-Cup ausgetragen. Es fanden Rennen in Imola, Clermont-Ferrand, Anderstorp, Hämeenlinna, Silverstone, Hockenheim und Montjuich statt. Kaum ein Team bestritt jedoch die komplette Meisterschaft, Sheene gewann den FIM-Cup auf der Suzuki TR750 mit dem Dreizylindermotor. Dabei war er in Silverstone im zweiten Lauf disqualifiziert worden, weil er das Motorrad gewechselt hatte.
Doch der Event in Hockenheim im September 1973 war glänzend besetzt, als Suzuki mit Barry Sheene, Jack Findlay und Stan Woods auf den Dreizylinder-Suzuki-TR750 gegen die Yamaha-TZ-352-Zweizylinder von Dieter Braun und John Dodds einen spektakulären Wettkampf boten.
«Die Suzuki brachten mindestens 30 km/h mehr Speed auf die Bahn als die Yamaha. Dafür waren sie schwerer», erinnert sich Braun, der beim Rausfahren aus der Zielkurve manchmal symbolisch mit der linken Hand nach der Sitzbank einer Suzuki griff, um anzudeuten, dass er sich auf den Geraden am liebsten bei Sheene, Woods oder Findlay einklinken würde.
Braun heute: «Ich bin jedenfalls neben zwei Suzuki-750-Piloten als einziger Yamaha-Fahrer auf dem Podest gestanden. Ich glaube, Findlay gewann vor Woods, Sheene wurde Vierter.»
Cortese: «Es war interessant»
Die beiden Yamaha TZ 750 von Cortese gehörten einem Sammler aus Frankreich. Das Cecotto-Bike stammte aus 1977, als Steve Baker für Yamaha die 750-ccm-WM gewann. Der Venezolaner sicherte sich den 750-ccm-WM-Titel im Jahr 1979. Die 350er-WM dominierte der begnadete Johnny Cecotto auf der Venemotos-Yamaha im Jahr 1975 – als absoluter Rookie und Nobody. Er kam damals als Unbekannter zum Saisonstart am 30. März in Le Castellet und gewann den 250-ccm-GP auf der privaten Venemotos-Yamaha völlig überraschend vor dem japanischen Werksfahrer Ikujiro Takai, das 350er-WM-Rennen beendete der Südamerikaner auf Platz 2. Vorher hatte niemand aus dem GP-Paddock seinen Namen gekannt.
«Ich bin seit 2011 keine Zweitakt-Rennmaschine gefahren, damals noch die Aprilia 125 in der Achtelliter-WM», schilderte der 32-jährige Cortese. «Diese 750er-Zweitakter war schon krass zu fahren. Unten raus kommt lange nix, dann setzt plötzlich die volle Leistung von ca. 105 PS ein. Es ist schon beeindruckend, wenn man bedenkt, wie viele Jahre seither vergangen sind und wie schnell dieses Motorrad ist. Die sind zum Beispiel in Daytona in der Steilwand damals schon fast 260 km/h gefahren. Wenn ich mir anschaue, was die für Bremsen und Reifen gehabt haben und wie gefährlich die Pisten damals waren… Das ist schon erstaunlich. Aber es war interessant und schön, einmal solche Geräte fahren zu dürfen.»
Am Sonntag drehte Cortese dann seine Runden mit der Agostini-Yamaha. «Für mich war das mal eine richtig schöne Erfahrung», erklärte der siebenfache GP-Sieger. «Die ganze Veranstaltung war vom ADAC cool und sehr gut organisiert. Man bekam einen guten Überblick über die Rennsport-Vergangenheit. Es nahmen 650 Teilnehmer teil, die auf vier Fahrerlager bis runter zur Karthalle verteilt und komplett voll waren.»
Die größte Yamaha-Rennmaschinen-Sammlung befindet sich übrigens im Besitz von Eric De Seynes, dem Vorstandsvorsitzenden von Yamaha Motor Europe. «Er hat in seinem Museum mehr Yamaha-Motorräder als Yamaha in Japan selber», weiß Cortese.
Sandro Cortese, Moto3-Weltmeister auf der Red Bull-KTM-Ajo-Team 2012 und Supersport-Weltmeister auf der Kallio-Yamaha 2018, fand Gefallen an der Classic-Veranstaltung in Sachsen. «Ich werde dort nächstes Mal sicher wieder mitmachen», kündigte er an.
Cortese nahm schon am Samstag an der Showfahrt mit Stars wie Schwantz, Spencer, Mang, Bradl, Agostini und Co. teil. «Man hat eine Startaufstellung gemacht, zu der die Fans auch rein konnten. Dann ist man mit der Deutschland-Flagge ein bisschen losgerollt. Von einem Rennen konnte man nicht sprechen, es waren ja 250er, 350er, 500er und 750er dabei. Die Leistungsunterschiede waren gewaltig. Also haben wir etwas Show gemacht. Ich habe gar nicht mitgekriegt, wer als Erster über den Zielstrich gefahren ist. Ich war mit meinem Moped weit hinten…»
Sandro Cortese besitzt selber jene zwei Motorräder, mit denen er Weltmeister geworden ist. Die Moto3-Werks-KTM von 2012 und die Yamaha R6 von 2018. «Aber die R6 ist nicht meine echte WM-Maschine, eher eine Replica. Es ist eine Supersport-Yamaha, die mir Yamaha Deutschland damals zum Trainieren zur Verfügung gestellt und die ich dann gekauft habe. Das Team von Vesa Kallio war vor vier Jahren finanziell nicht so gut aufgestellt, dass er mir das Moped schenken hätte können.»