Formel 1: Max Verstappen – alles für die Katz

Sandro Cortese (7.): «Habe mich fast übergeben»

Von Günther Wiesinger
Wer gemeint hatte, Sandro Cortese würde sich nur den Sponsoren zuliebe in die erste Reihe stellen und bald in die Box abbiegen, wurde arg getäuscht. Die Reportage aus der Box.

Es war ein anschauliches Beispiel dafür, wie beinhart und unerbittlich der Motorradrennsport sein kann. Als Sandro Cortese nach Platz 8 (sein bestes Moto2-Ergebnis, nach der Disqualifikation des zweitplatzierten Takaaki Nakagami sogar Rang 7) an die Dynavolt Intact GP-Box zurückkam, liess er sich die letzten paar Meter in die enge Garage schieben, dann liess er sich aus dem Sattel rutschen, Mechaniker Manuel Mickan half ihm, damit der die letzten drei Schritte zu seinem Chefsessel humpeln konnte.

Als Sandro den Helm abnahm, hatte er Tränen in den Augen, Freudentränen mischen sich mit Tränen des Schmerzes, er umarmte sitzend seinen Crew Chief Jürgen Lingg, dann erhob er sich und umarmte jedes Teammitglied und dann Teambesitzer Stefan Keckeisen und Peter Baumann von Liqui Moly.

Im nächsten Moment setzte er sich wieder nieder, jemand schob einen Schemel unter seinen linken Fuss, aber dann begann die mühselige Zeremonie des Stiefelausziehens. Das Leder liess sich mit der Schere nicht zerschneiden, eine Zange half auch nicht, also spielte Öhlins-Techniker Graeme Irvine den Stiefelknecht, der Ire riss mal gehörig an, bis eine blutige Socke zum Vorschein kam und Stefan Keckeisen den Knöchel mit einer Eispackung versorgen konnte.

Dann setzte sich Sandro artig die Red Bull-Mütze auf, nahm vor den TV-Kameras brav einen Schluck aus der Energy-Pulle und schilderte das Rennen.

«Ich habe vor dem Rennen zehn Minuten lang gebraucht, bis ich in den linken Rennstiefel reingekommen bin. Ich habe mich fast übergeben müssen», schilderte der Kalex-Pilot seine Strapazen. «Es waren so unendliche Schmerzen. Aber als ich dann drin war, war es in Ordnung, ich habe mich wohl gefühlt. Es war halt ein bisschen schwer, weil ich meinen Fahrstil anpassen habe müssen. Von den Schmerzen her ging es. Ich habe natürlich nicht so frei fahren können, wie ich wollte. Die letzten Runden waren echt schmerzhaft. In den letzten Runden habe ich versucht, alles aus mir rauszuholen.»

Cortese: «Mehr als Platz 8 war heute leider nicht drin. Aber ich habe ein super Wochenende gehabt, ich war in allen Trainings unter den besten drei. Es war trotzdem mein bestes Moto2-Ergebnis... Ich muss mich bei meinem Team bedanken, die in der Nacht zum Sonntag bis 3 Uhr früh geschuftet haben, um mir ein neues Motorrad aufzubauen, damit ich heute fahren habe können.»

Cortese fliegt jetzt in der Nacht heim nach Deutschland, dann hat er zwei Wochen Zeit, um seinen Knöchel bis zum Texas-GP am 13. April heilen zu lassen.

Zwischendurch rutschte Cortese im Rennen auf Platz 13 zurück. Aber am Schluss rang er einige Gegner nieder. «Ich habe gekämpft, aber manchmal ging es einfach nicht. Ich wollte den Gang reintun, aber der Fuss hat nicht reagiert. Ich habe alles versucht und in den letzten drei Runden noch alles rausgeholt, was möglich war. Es ist echt sehr schade, was da gestern im Quali passiert ist... Ich habe mich in meiner Gruppe gefühlt, als wenn ich zwei Sekunden schneller fahren könnte. Aber es war halt in meinem Zustand nicht möglich. Trotzdem, das sind acht wichtige Punkte für die Zukunft. Wir sind in einer sehr guten Position für die kommenden Rennen. Wir müssen uns vor niemandem verstecken.»

Dachte Sandro irgendwann im Rennen sogar ans Aufhören? «Nein, ich wusste, das geht. Ich bin zwei Aufwärmrunden gefahren. Dann wusste ich, rechts rum und das Hochschalten mit dem linken Fuss ist kein Problem. Aber in den Linkskurven habe ich manchmal den Gang nicht sofort reingebracht. Ich konnte einfach nicht den Speed fahren, den ich im Training vorlegen konnte. Aber mit dem Knochenbruch und mit der offenen Wunde war dieses Ergebnis in Ordnung.»

Auch der sonst recht abgebrühte Jürgen Lingg kämpfte nach Sandros Ankunft in der Box sichtlich mit den Tränen. Denn 24 Stunden zuvor hätte niemand auf der Welt auch nur einen Cent darauf gewettet, dass der Moto3-Weltmeister von 2012 den Katar-GP auch nur mit einem einzigen WM-Punkt verlassen würde. Sogar eine Knöcheloperation war nach dem Quali-Crash vorübergehend zur Diskussion gestanden.

«Sandro hat heute gut gekämpft», stellte Technikchef Lingg fest. «Da kommt in diesem Jahr noch mehr.» Eine kleines bisschen «Mehr» folgte schon drei Stunden nach der Zieldurchfahrt mit dem nachträglichen Vorrücken um einen Rang wegen des Nakagami-Ausschlusses.

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