Neuling Jesko Raffin: «Er soll nicht Letzter werden»
Der 18-jährige Zürcher Jesko Raffin gewann 2014 im Team von Sito Pons die Spanische Moto2-Meisterschaft CEV, er steigt 2015 beim SAG-Team von Edy Perales in die Weltmeisterschaft ein.
Sein Entdecker und Förderer Marco A. Rodrigo steht für ein Budget von rund 500.000 Euro gerade, er hat den ehemaligen Yamaha-Cup-Sieger Raffin schon 2012 mit 16 Jahren in seinem Grand Prix Team Switzerland die Moto2-WM-Rennen in Motegi und Sepang fahren lassen, als Stammfahrer Randy Krummenacher nicht einsatzfähig war.
Da Ramon Ramos, der spanische CEV-Sieger 2013, im Vorjahr in der Moto2-WM völlig untergegangen und punktelos geblieben ist, macht sich Marco Rodrigo (seine Familie kommt aus Spanien) keine Illusionen.
Rodrigo ist auch persönlicher Manager von Luis Salom, und er sorgt dafür, dass sich die beiden Schützlinge gewissenhaft auf die Rennsaison vorbereiten.
«Luis und Jesko trainieren in Cartagena, dort haben wir ein Haus gemietet, sie fahren täglich. Ich habe mit Bike Promotion vereinbart, dass Luis und Jesko jeden Tag in der Mittagspause für eine Stunde auf die Strecke dürfen. Bis 30. November durfte Jesko mit der Kalex fahren, ab 1. Februar ist das wieder erlaubt. Während des zweimonatigen Testverbots üben beide mit serienmässigen Honda CBR600RR-Maschinen. Dazu trainieren sie Dirt-Track und mit Minibikes. Insgesamt haben sie im Winter schon fast 40 Trainingstage absolviert.»
«Jesko ist 180 Zentimeter gross und 74 kg schwer, er konnte deshalb nie in der Moto3-Klasse fahren», hält Marco Rodrigo fest. «Er wiegt in voller Rennmontur etwa 80 kg. Die Moto3 wäre eigentlich für einen Nachwuchs-GP-Fahrer der richtige und übliche Weg gewesen. Ich bin eigentlich ein Gegner davon, was wir mit Jesko gemacht haben, also direkt vom deutschen Yamaha-Cup in die Moto2. Jetzt stellen wir fest, dass Jesko der Kurvenspeed fehlt – im Vergleich zu Luis Salom und so weiter. Es ist ja ein Problem aller Moto3-Fahrer in der Moto2, dass sie anfangs zu schnell in die Kurven reinfahren. Jesko muss beim Kurvenspeed noch zulegen.»
Raffin: «Er muss ruhig bleiben»
Was erwartet Rodrigo in der ersten Moto2-WM-Saison von Rookie Raffin? «Jesko trainiert jetzt immerhin mit dem WM-Achten Luis Salom ist, das ist immerhin eine Referenz für ihn. Man sieht jetzt, dass die CEV nicht das Niveau der WM hat. Das erleben wir bei jedem Training. Ich war gerade vier Tage in Cartagena, um zu beobachten, wie es läuft. Der ganze Rhythmus in der CEV ist ein anderer. Wenn du Luis sagst, er soll 120 Runden abspulen, dann ist ihm das egal. Und wenn sie Rennsimulationen über 32 Runden machen, steigt Luis ab und sagt: Ich will noch eine Renndistanz fahren. Und Jesko ist froh, wenn die 32 Runden vorbei sind. Auch von den Rundenzeiten ist er natürlich nicht an Luis dran. Aber Jesko ist 18 Jahre alt. Ich sage ihm: 'Du musst ruhig bleiben, mach deinen Job, arbeite, profitiere von dieser Trainingsgemeinschaft mit Luis. Und wenn die WM beginnt, musst du viele Strecken kennenlernen. Und auf den Strecken, die du kennst, musst du besser abschneiden und fahren als auf denen, die du nicht kennst.' So einfach ist das. Aber auch ihm wird eine GP-Saison zum Lernen zugebilligt.»
In der Moto2-WM 2015 treten mit Lüthi, Aegerter, Krummenacher, Mulhauser und Raffin fünf Fahrer auf Kalex an. Rodrigo ist sich bewusst, dass die drei Routiniers für Raffin unerreichbar bleiben werden.
«Es ist nicht das Ziel, zum Beispiel besser als Randy Krummenacher abzuschneiden», beteuert Marco Rodrigo. «Daran glaube ich nicht. Randy ist schnell. Ihm fehlt eine Sekunde. Das sind zwar 20 Startplätze. Randy ist bald 25 Jahre alt, er kennt alle Strecken, er fährt die fünfte Moto2-Saison. Nein, unser Ziel ist es, mit Jesko so bald wie möglich nicht Letzter zu werden.»
Raffin kennt die vier spanischen GP-Strecken Jerez, Barcelona, Aragón und Valencia aus der CEV, dazu Assen, den Sachsenring sowie Motegi und Sepang. Das heisst: Er muss sich mit rund zehn GP-Strecken noch anfreunden.
Rodrigo hat deshalb einen Simulator angeschafft. «Von dem gibt es vier Exemplare auf der Welt», erzählt er. «Er wird mit Daten gefüttert von Strecken, auf denen Jesko schon gefahren ist. Er bekommt dadurch nützliche Informationen. Ausserdem ist die Strecke in Cartagena in beiden Richtungen befahrbar. Wir halten Jesko deshalb manchmal an – und lassen ihn dann die Piste umgekehrt befahren. Das ist dann Neuland für ihn. Auf dem Simulator können wir dann beobachten, ob er am zweiten Tag in die andere Richtung bereits bedeutend besser fährt.»