Tom Lüthi über Kurve 11: «Da hast du keine Chance»
Tom Lüthi: «Kann mir nicht vorstellen, kein Rennen auf dem Sachsenring zu fahren»
Nachdem Suzuki-Werkspilot Aleix Espargaró am Freitag Sicherheitsbedenken wegen den vielen Stürzen in Kurve 11 geäußert hatte, betonte auch Ducati-Fahrer Andrea Dovizioso, dass auf dem Sachsenring wegen der Fans und nicht wegen des Layouts gefahren wird. Die MotoGP-Piloten sind in der Saison 2016 besonders sensibel, wenn es um Sicherheitsfragen geht. Dabei spielen die Kinderkrankheiten der neuen Michelin-Reifen und der Einheitselektronik, aber auch der tragische Tod von Luis Salom in Barcelona eine Rolle. Tom Lüthi versteht die Kritik der MotoGP-Stars, doch er stellt den Sachsenring-GP nicht in Frage.
«Die Kurve 11 ist für uns auch ein Thema, sie ist speziell», erklärte Lüthi. «Es geht links, links, links und dann rechts. Wir haben auch schon lange darüber gesprochen. Bei meinem MotoGP-Test in Mugello durfte ich auch den Michelin-Vorderreifen fahren – wenn auch nicht die neuste Entwicklungsstufe – es war schon ganz einfach. Logisch, wenn dann einer nach dem anderen herunterfällt... Man ist an dieser Stelle nicht gerade langsam, es ist nicht angenehm, dort herunterzufallen. Natürlich reagieren die MotoGP-Piloten jetzt ein bisschen krass. Es kam alles zusammen, Nieselregen, kühle Temperaturen und dann noch der Vorderreifen, der vielleicht noch nicht ganz da ist, wo er sein muss. Das macht es brutal schwer, das Ganze zu kontrollieren. Ich habe es gesehen, sie sind alle gestürzt, da waren sie noch nicht einmal in der Kurve drin. Das Vorderrad war sofort weg, da kannst du als Fahrer gar nichts machen, du hast keine Chance», weiß der Schweizer.
«Es geht über die Kuppe, dann in das Eck rein. Dort gibt es wenige leichte Wellen. Man sieht aber, dass das Vorderrad nicht wegen den Wellen einklappt, es ist nicht am arbeiten und geht dann weg, es ist einfach kein Grip da. Das ist eine Frage der Last auf dem Vorderrad. Bergab ist man da auf Zug, auch bei den MotoGP-Bikes ist dort noch Zug aus der Kette. Das heißt, dass das Vorderrad im Vergleich zum Hinterrad leicht ist. Auf dem Hinterrad ist Druck, vorne nicht. Zudem ist die Temperatur aus der rechten Reifenflanke weg, dann braucht es nur eine ganz kleine Welle, damit das Vorderrad einklappt. Logisch, es ist der Sachsenring, das ist seit Jahren so. Doch am Freitag kam alles zusammen. Auch wir hatten Probleme, aber eher mit dem Hinterrad in Kurve 11.»
Kannst du die Forderung nach einem anderen Austragungsort für den Deutschland-GP verstehen? «Am Sachsenring nicht zu fahren, das kann ich mir nicht vorstellen. Auch für mich ist diese Strecke speziell, ich habe hier immer zu kämpfen, das ist kein Geheimnis. Aber was rings um die Strecke abgeht, das ist wirklich schön zu sehen. Eine riesige Begeisterung für das Motorradrennen und das eine Wochenende hier. Das ist für uns Fahrer spürbar und etwas sehr Schönes.»
Kannst du dir Layout-Veränderungen vorstellen? «Die Strecke ist sehr kurz und hat enge Kurven, ist sehr technisch, man ist lang in Schräglage. Ich weiß nicht, ob man versuchen müsste, vor der Kurve 11 schon einmal eine Rechtskurve einzubauen. Das geht aber vom Platz her kaum. Der Sachsenring besteht eigentlich aus zwei Teilen. Einem schnellen und einem langsamen technischen. Die Kurve 11 ist ein schnelles Eck, ich finde das cool, denn da ist endlich mal Speed drin. Die enge Passage gefällt mir weniger, ab Kurve 11 geht es dann los. Logisch, man muss an die Sicherheit denken. Ich weiß aber nicht genau, wie weit die Entwicklung des Vorderreifens von Michelin ist und wie weit sie noch geht. Ob ein Umbau nötig ist, kann ich nicht beurteilen.»
Muss sich der Rennfahrer mit dem abfinden, was er vorfindet? «Ja, irgendwo schon. Auf der anderen Seite sollten die Sicherheitsgedanken schon im Vordergrund sein. Dort mit diesem Speed zu stürzen, ist nicht ganz ungefährlich», weiß Lüthi. «Von uns wird erwartet, dass wir raus fahren, ans Limit gehen und unseren Job machen. Wir können also nicht sagen, in Kurve 11 gehen wir nicht ans Limit, denn dann heißt es, dass wir den Job nicht machen. Das wird von uns erwartet, das müssen wir abliefern, aber dafür muss auch die Sicherheit stimmen. Es ist also ein Abwägen verschiedener Faktoren.»