Moto2-Zukunft: Kommt jetzt ein Dreizylinder-Motor?
Als sich SPEEDWEEK.com vor drei Jahren bei den Teambesitzern, Chassis-Herstellern und Motorradwerken erkundigte, welches technische Konzept für die Moto2-WM nach der Saison 2015 sinnvoll, reizvoll und machbar wäre, kamen ein paar recht handfeste Vorschläge zum Vorschein.
KTM-Motorsport-Direktor Pit Beirer plädierte für einen V2-500-ccm-Motor, Eskil Suter brachte 750-ccm-Dreizylinder-Triebwerke ins Gespräch, wobei bei beiden Konzepten Zylinder-Einheiten und Leistungsteile aus der 1000-ccm-MotoGP-Klasse einsetzbar gewesen wären.
Aber Sito Pons konnte sich damals auch die Beibehaltung der 600-ccm-Vierzylinder vorstellen, aber ohne Einheitsmotoren, sondern mit Beteiligung aller interessierten Werke von Honda, Yamaha, Suzuki, Kawasaki bis zu den Europäern und Mahindra aus Indien. Die europäischen Hersteller allerdings haben keine 600er im Angebot.
Schließlich wurde für 2016, 2017 und 2018 das alte Einheits-Motorenkonzept mit Honda der Einfachheit halber beibehalten und nach neuen Lösungen für 2019 gesucht.
Unterdessen ist die Begeisterung für die Honda-CBR600RR-Motoren bei den Teams deutlich gesunken, weil das Getriebe nicht mehr zeitgemäss ist, auch wenn dieses Projekt mit Kosten von 60.000 Euro im Jahr für Motoren samt Revisionen sehr preiswert gestaltet wurde.
Zur Erinnerung: Die Motoren werden bei ExternPro im Technopark Aragón aufgebaut und gewartet, die Teams bekommen die Motoren für alle Grand Prix und offiziellen Moto2-Tests, nach drei Rennen werden sie ausgetauscht, es werden neue Triebwerke zugelost.
Es war immer klar, dass im zweiten Halbjahr 2016 das technische Konzept für die Moto2-WM stehen muss. Denn es dauert rund 1,5 Jahre, um ein neues Triebwerk zu entwickeln und startklar zu machen. Die neuen Moto2-Maschinen sollen aber im Idealfall im Frühjahr 2018 schon getestet werden können.
Die Chassis-Hersteller wie Kalex, Speed-up, Suter, Tech3 und KTM wollen ebenfalls rechtzeitig Bescheid bekommen, um mit CAD-Zeichnungen loslegen zu können.
Aber es ist verdächtig still geworden, was die technische Moto2-Zukunft betrifft.
KTM zeigte kein Interesse, an einer Ausschreibung für neue Einheitsmotoren teilzunehmen. Den Österreichern reicht die Teilnahme an der Moto2-WM 2017 mit eigenen Fahrwerken, zumal das MotoGP-Projekt jetzt vorrangig ist.
Mahindra Racing ist auch noch nicht so weit, Ducati und die Japaner sowie Aprilia haben kein Interesse oder keine Kapazitäten. Husqvarna beschränkt sich auf sportliche Offroad-Aktivitäten. MV Agusta bot letztes Jahr für 2019 die 675-ccm-Dreizylinder-Motoren aus der F3 an, aber MV Agusta steht finanziell auf wackligen Beinen und kam als Partner für die Dorna nicht ernsthaft in Frage.
In den letzten Wochen wurde es deshalb verdächtig ruhig um das Moto2-Technik-Thema. Die Dorna habe eine Lösung gefunden, war zu hören, es bestehe konkretes Interesse eines europäischen Motorradherstellers. Wer nachfragte, stieß auf eisiges Schweigen.
Die Dorna hat jetzt im Vergleich zur ersten Moto2-Saison 2010 leichtes Spiel. Denn damals löste die Dorna-Idee der Moto2-WM mit 600-ccm-Viertakt-Motoren bei Superbike-WM- und Supersport-WM-Promoter Flammini zornige Reaktionen aus, er fühlte sich als alleiniger Inhaber aller Rechte für eine 600er-WM.
Inzwischen besitzt die Dorna auch die Supersport- und Superbike-WM-Rechte, aus dieser Richtung droht also keine Belästigung mehr.
Vor der Saison 2010 musste die Dorna Flammini noch schriftlich versichern, dass die in der Moto2-WM tätigen Hersteller keine Werbung mit diesen WM-Erfolgen machen und dass diese Kategorie keine Konkurrenz zur Supersport-WM darstellen werde.
Heute hat Dorna-CEO Carmelo Ezpeleta bei der Wahl des Moto2-Konzepts freie Hand.
Aber wer sich bei der Dorna nach Neuigkeiten die Moto2-WM 2019 betreffend erkundigt, stößt auf eine Mauer des Schweigens.
Trotzdem sind einzelne Informationen durchgesickert. Fakt ist: Die Dorna will den Wünschen der Fahrer und Teams Rechnung tragen und künftig für mehr Hubraum und Motorleistung sorgen.
Und: Die MV-Agusta-Dreizylinder-Idee ist bei der Dorna offenbar auf fruchtbaren Boden gefallen.
Bahnt sich für 2019 ein Dreizylinder-Konzept für die Mittelgewichtsklasse an? Wer könnte solche Motoren anbieten?
Die Antwort liegt auf der Hand. Denn der einzige andere namhafte Dreizylinder-Hersteller neben MV Agusta ist Triumph. Die Briten verfügen über die seit 2006 gebaute Daytona 675, die auch in der Supersport-WM zu sehen ist und die in dieser Rennserie von 2008 bis heute jedes Jahr Punkte holte.
Seit 2013 existiert eine Triumph Daytona 675R, denn Triumph will sich schrittweise ein sportliches Image verleihen, um weiter wachsen und neben den Cruiser-Bikes, Adventure-Modellen und Retro-Motorrädern auch ins Segment der Sportmotorräder einsteigen zu können.
Der Daytona-675-Serienmotor leistet überschaubare 128 PS bei rund 12.600/min – wie der 600er-Honda-Motor. Deshalb soll jetzt die Idee diskutiert werden, ob bei Triumph auf Basis dieses Triebwerks nicht eine 750-ccm-Version entwickelt und gebaut werden könnte. «So ein Motor könnte bis zu 160 PS leisten», meint Eskil Suter.
Mit Triumph als Partner würde die Dorna eine «win-win»-Situation schaffen. Die spanischen WM-Vermarkter würden einen neuen Motorradhersteller zur Teilnahme am GP-Sport überreden, der sich ganz auf diese Moto2-Aufgabe konzentrieren würde und damit sein Image aufpolieren könnte.
Denn bisher haftet Triumph der Ruf der Biederheit an, und zwei Monate nach dem Brexit könnten die Briten endlich wieder ein positives Signal für Europa und den Rest der Welt vermitteln.
Triumph steht nach der Übernahme durch den britischen Immobilien-Milliardär John Bloor (73) finanziell auf soliden Beinen.
Bloor hat von Anfang an eine vernünftige Nischen-Strategie verfolgt und sich auf den Bau von Zwei- und Dreizylinder-Motorrädern konzentriert. Er hat sich keine sündteuren Sportaktivitäten geleistet, sondern das Geld in die Entwicklung der Serienmaschinen investiert und mit einem geschickten Baukasten-System die traditionellen Triumph-Kunden angesprochen.
Bisher trat Triumph auf dem Markt nie direkt gegen Werke wie BMW und Ducati an, das könnte sich durch eine Moto2-Beteiligung und eine neue Generation von Sportmotorrädern ändern.
Das Projekt der pompösen Daytona 1200-Vierzylinder ist längst beerdigt worden.
Triumph Motorcycles musste ursprünglich im Jahr 1983 liquidiert werden. John Bloor, der technisch ahnungslose Bauunternehmer aus der Provinz, hat die Traditionsmarke mit viel Geschick wiederbelebt und ihr neues Leben eingehaucht.
Eigentlich wollte Bloor damals als Immobilienhändler die Liegenschaft mit dem veralteten Triumph-Werk in Coventry kaufen und verwerten. Doch schließlich erwarb er die Markenrechte, gründete 1984 die «Bonneville Coventry Ltd.» und baute mit dem Geld seiner Bloor Holding die Firma Triumph Motorcycles in Hinckley/Leicestershire 1987 auf der grünen Wiese neu auf. Es begann die Entwicklung einer neuen Produktpalette, die alten Modelle wie die Bonneville wurden in einer Übergangsphase weiter erzeugt.
Auf der IFMA in Köln 1990 wurden die ersten neuen Triumph-Modelle vorgestellt. Heute arbeiten rund 1700 Mitarbeiter bei Triumph Motorcycles Ltd., der Umsatz liegt bei mehr als 500 Millionen Euro. In Normandy Way bei Hinckley wurde im Jahr 2000 ein zweiter Produktionsstandort errichtet, auf einer Fläche von 161.000 Quadratmetern.
Bisher wurde kein Vertrag zwischen Dorna und Triumph unterschrieben, aber es haben Gespräche stattgefunden. Es deutet viel darauf hin, dass sich die Briten momentan in der Favoritenstellung als Motorenlieferant für die drei Jahre nach 2018 befinden. Denn alle anderen möglichen Partner inklusive MV Agusta haben sich selbst aus dem Rennen genommen, wie unsere Recherchen ergeben haben.