Giancarlo Cecchini: 77 Jahre, Mechaniker von Fenati
Als Romano Fenati gestern vor einer Woche auf dem Circuit of the Americas (COTA) in Texas als Moto3-Sieger auf das Podest kletterte, stand still und zurückhaltend ein 77-jähriger Italiener in der Menschenmenge in der Boxengasse – er klatschte begeistert und freute sich innerlich.
Es handelte sich um Giancarlo Cecchini, Vater von Rennstallbesitzer Mirko Cecchini, der das Marinelli-Rivacold Snipers-Team mit den Honda NSF 250RW-Piloten Romano Fenati und Jules Danilo betreibt.
Kaum jemand kennt den stillen Giancarlo Cecchini, und schon gar niemand würde ihm sein Alter von 77 Jahren ansehen.
Aber der Chefmechaniker oder Crew-Chief, wie man heute sagt, hat schon weit mehr als 50 Berufsjahre im GP-Paddock hinter sich.
Er genießt seinen Unruhestand zwischen Losail, Termas de Río Hondo, Austin, Jerez und anderen GP-Schauplätzen.
Von Tarquinio Provini über Renzo Pasolini, Dieter Braun, Graziano Rossi bis zu Jarno Saarinen, Dovizioso, Masbou, Antonelli und Fenati: Cheftechniker Giancarlo Cecchini schraubt seit Jahrzehnten im GP-Paddock. Auch Mike Hailwood ist er nahe gekommen.
Das Team hieß 2013 noch Ongetta CBC Corse und trat in der Moto3-WM-Saison 2013 mit FTR-Honda-Maschinen an, und zwar mit den Fahrern Alexis Masbou, Isaac Viñales sowie Matteo Ferrari.
Alexis Masbou wurde WM-Achter, als Belohnung dafür wurde der traditionelle italienische Rennstall von Honda für 2014 mit kostbaren NSF-250RW-Werksmaschinen verwöhnt. Neben Alexis Masbou wurde mit HRC-Hilfe der Malaysier Zulfahmi Khairuddin engagiert, der die Airline AirAsia als Sponsor mitbrachte. Masbou gewann 2014 den Brünn-GP.
Der kleinen, verschworenen Cecchini-Mannschaft gelangen immer wieder GP-Erfolge in der kleinsten Hubraumklasse, auch 2016 mit Niccolò Antonelli in Katar. Der Italiener stand dann in Le Mans auf der Pole-Position, kam aber insgesamt in der WM nur an die elfte Position.
Was heute keiner mehr weiß: CBC Corse gewann 2004 die Fahrer-Weltmeisterschaft in der 125-ccm-Klasse – mit Andrea Dovizioso auf Honda.
Den Firmennamen CBC Corse hat die Familie Cecchini inzwischen abgelegt, das Team heißt jetzt Snipers. Und das kommt nicht von ungefähr, denn «cecchino» heißt auf Deutsch Heckenschütze, die Mehrzahl («cecchini») auf Englisch Snipers.
Urgestein Giancarlo Cecchini, der schon in den 1970er-Jahren unter Morbidelli-Konstrukteur Jörg Möller WM-Titel und GP-Siege (125, 250, 350 ccm) abräumte, ist inzwischen 77 Jahre alt – und steht immer noch unermüdlich an der Box und bereitet die Motorräder vor.
«Ich bin seit mehr 50 Jahren dabei», erzählte Giancarlo im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Vor ein paar Jahren hat mir ein Fotograf ein Foto geschenkt, das mich 1964 mit Tarquinio Provini auf der Benelli zeigt, für den ich damals gearbeitet habe. Das war meine Anfangszeit im GP-Sport. Nachher habe ich für Renzo Pasolini und kurz für Jarno Saarinen geschraubt... Bei Morbidelli für Pileri und Bianchi, dann kamen Fahrer wie Dovizioso.»
Giancarlo Cecchini drängt sich nicht in den Vordergrund, er ist kein großer Redner, aber wenn er einen Journalisten seit Jahrzehnten kennt und alte Erinnerungen auffrischen kann, wird er recht gesprächig, dann blüht er auf.
Mit Romano Fenati haben Vater und Sohn Cecchini einen großen Fang gemacht, der Routinier sollte sich jetzt allmählich zum Titelfavoriten 2017 mausern.
Giancarlo Cecchinis GP-Laufbahn begann 1964. Mit den Erlebnissen aus diesen bald 54 Jahren ließen sich Bücher füllen.
Und für Cecchini senior ist klar: Der Sport kommt vor allem anderen. So erklärt er die Konkurrenzkämpfe zwischen großartigen Piloten wie Valentino Rossi und Marc Márquez. «Jeder Fahrer will nur sein Bestes geben, um zu zeigen, was er drauf hat. Was 2015 zwischen Rossi und Márquez in Sepang passiert ist, ist nachvollziehbar. Es hat für Gesprächsstoff gesorgt, weil es niemandem gefällt, wenn Feindseligkeit herrscht. Für Valentino war das Ganze ein Schlag ins Gesicht: Er hat fast die ganze WM 2015 über geführt und hat im letzten Rennen die Chance auf seinen zehnten WM-Titel verloren. Die Zuschauer vergessen oft, dass die Rennfahrer, auch wenn sie Vollprofis sind, nur Menschen sind, die auch Fehler machen. Da sind große Emotionen mit im Spiel», hält Cecchini fest. «Der Motorsport ist eine Leidenschaft, es ist viel Adrenalin im Spiel. Die Geschwindigkeit bildet eine Gefahr. Für die Fahrer ist der Sport eine Arbeit, bei der sie ihr Leben riskieren und bei der ihnen nichts geschenkt wird. Das Wichtigste ist, dass man sich vor dem Rennen von allen Sorgen befreit, das Rennen wutbefreit fährt und den Groll den Mitstreitern gegenüber hinter sich lässt.»