Weltmeisterin Ana Carrasco: «Von den Fans erfahren»
Weltmeisterin Ana Carrasco
Als erste Frau auf der Rundstrecke bekam die Finnin Kirsi Kainulainen das Prädikat Weltmeisterin verliehen, sie gewann mit ihrem Landsmann Pekka Päivärinta 2016 die Seitenwagen-WM. Aber, bei allem Respekt, Kainulainen war nur Beifahrerin.
Die erste Solo-Weltmeisterin ist Ana Carrasco. Die adrette Spanierin fuhr von 2013 bis 2015 in der Moto3-Weltmeisterschaft. Sie sammelte in ihrer Rookie-Saison neun Punkte und belegte WM-Rang 21. In Valencia gelang ihr eine bärenstarke Leistung: Carrasco preschte auf Platz 8 vor Philipp Öttl, Miguel Oliveira und Romano Fenati.
Die Saison 2014 war für Carrasco aus unterschiedlichen Gründen nicht von Erfolg geprägt. Die letzten Rennen musste sie sogar auslassen, da Sponsorengelder fehlten. Sie blieb punktelos.
Für die Saison 2015 fand Carrasco wieder einen WM-Platz im RBA-Team, doch beim Vorsaison-Test in Jerez brach sich die damals 18-Jährige das rechte Schlüsselbein und erhielt für Katar Startverbot von den Ärzten. Auf dem Sachsenring folgte der nächste Rückschlag. Ana Carrasco und Maria Herrera stürzten im Moto3-Rennen beim Grand Prix von Deutschland nach einer Berührung heftig. Carrasco zog sich einen Bruch des linken Oberarmknochens nahe der Schulter zu und musste operiert werden. Sie verpasste den Indianapolis- sowie den Brünn-GP und gab ihr Comeback in Silverstone. Doch ihre Verletzung bereitete der Spanierin auch im weiteren Verlauf der Saison Probleme.
Auch 2015 blieb Carrasco punktelos. Um ihren Platz im RBA-Team auch 2016 zu behalten, konnte sie nicht genügend Sponsoren auftreiben. Also legte sie ein Moto2-Jahr in der Spanischen Meisterschaft ein.
Seit 2017 fährt Carrasco in der damals neuen Supersport-300-WM. Nach drei Top-10-Platzierungen holte die 21-Jährige beim Meeting in Portimão 2017 ihren ersten WM-Sieg. Dieses Jahr gewann sie in Imola und Donington Park, seit dem dritten von acht Rennen führte sie die WM-Wertung an.
Die Rennen in Imola und Donington Park gewann sie dermaßen überlegen, dass die Konkurrenz munkelte, das würde nicht mit rechten Dingen zugehen.
In der Superpole in Imola war sie 0,982 sec (!) schneller als der Zweite Scott Deroue. Das Rennen über elf Runden gewann sie mit umwerfenden 13,835 sec Vorsprung.
In Donington Park startete die Kawasaki-Pilotin aus dem Team von David Salom ebenfalls von Pole, dort blieb sie aber nur 0,048 sec vor Koen Meuffels. Im Rennen war Carrasco erneut souverän und siegte 4,602 sec vor Dorren Loureiro.
«In der 300er-Klasse kann man nicht viel betrügen», erklärte Scott Smart, Technical Director für die Superbike-WM und ihre Unterklassen, gegenüber SPEEDWEEK.com. «Dass die Motoren verplombt sind, erleichtert unsere Arbeit. Wir haben Anas Motor von Imola und Donington in sämtliche Einzelteile zerlegt. Wenn da etwas nicht in Ordnung gewesen wäre, hättest du davon gehört. Das Motorrad wurde von Alvar Garriga von Provec aufgebaut, die Motoren macht Akira. Sie sind sehr genau, in dem was sie tun. Wir haben uns auch das Chassis und die Elektronik angeschaut, da ist alles korrekt.»
Weil während der Saison ein Gesamtgewicht für Fahrer und Motorrad eingeführt wurde, konnte Carrasco mit 14 Kilogramm Zusatzgewicht in der zweiten Saisonhälfte keine Top-3-Platzierung einfahren, doch als einzige der vier WM-Kandidaten (sie selbst, Scott Deroue, Mika Perez und Luca Grünwald) punktete sie in jedem Rennen. Carrasco holte 2018 neben zwei Siegen auch zwei Pole-Positions und fuhr vier schnellste Rennrunden.
Die Titelentscheidung fiel beim Saisonfinale in Magny-Cours vergangenen Sonntag. Carrasco startete nur als 25. und hatte im Rennverlauf keine Chance auf eine vordere Platzierung. Je nach Konstellation war mal Deroue oder Perez Weltmeister, mal Carrasco. Bis letzten Runde war nicht klar, wer es geschafft hatte – nicht in Frage kamen Deroue, der mit Defekt ausschied, und Grünwald, der Sechster wurde.
Als 13. im Ziel erfuhr die Spanierin erst auf der Auslaufrunde, dass sie mit einem Punkt Vorsprung auf Perez erste Weltmeisterin ist: «Dass ich Weltmeisterin bin, kann ich kaum glauben. Auf der Auslaufrunde wusste ich nicht, ob ich es geschafft habe und konnte auch nichts auf den Leinwänden erkennen. Ich habe es von den Zuschauern erfahren. Ich habe so hart gearbeitet, um bis hierher zu kommen. Ich widme diesen Titel meinem guten Freund Luis Salom, der leider nicht mehr unter uns weilt. Als er gestorben ist, habe ich mir vorgenommen, meinen ersten Titel für ihn zu gewinnen.»