Leopard & Kiefer: Die Hintergründe des grossen Deals
Mit einer gehörigen Portion Neid und Missgunst blicken einige Konkurrenzteams auf den für die Saison 2015 völlig umgekrempelten Moto3-Rennstall Leopard Racing.
Wie hat es Kiefer Racing nach 882 punktelosen Tagen in der Motorrad-WM geschafft, so ein grandioses Comeback hinzulegen, mit Danny Kent drei der ersten vier Rennen zu gewinnen und in Texas und Argentinien (mit Kent und Vazquez) gleich zwei Fahrer auf das Podest zu bringen?
Und diese Erfolge waren kein Strohfeuer: Kent liegt mit der Leopard-Honda jetzt in der WM-Tabelle bereits 37 Punkte vor Enea Bastianini, Vazquez ist trotz des Sturzes in Le Mans WM-Dritter!
Ein Blick hinter die Kulissen fördert interessante und neue Aspekte dieser neuen Teamkonstellation ans Tageslicht.
Fakt ist: Bei Kiefer Racing ist nach der Saison 2014 kein Stein auf dem andern geblieben: neuer Sponsor, neues Fabrikat, drei neue Fahrer, viel neues Technikpersonal.
Der in Luxemburg tätige Geschäftsmann, Millionär und Leopard-Chef Flavio Beccha hat bei Kiefer Racing mit Hilfe von Vertrauensleuten, die sich unauffällig im Hintergrund halten, das Kommando übernommen.
Motto: Wer zahlt, befiehlt.
Teambesitzer Stefan Kiefer sträubt sich zwar gegen die Behauptung, er habe seine drei Teamplätze dem neuen Hauptsponsor quasi durch einen Franchise-Deal zur Verfügung gestellt.
Aber es lässt sich nicht leugnen: Der Name Kiefer Racing taucht in der Teambezeichnung nicht mehr auf, der bisherige Teamname ist selbst bei aufmerksamster Suche in der Box fast nirgends mehr zu erblicken. Nur ein bisschen verstohlen auf der Oberseite des Tanks der Bikes spüren wir ihn auf. Und auf der Sonnenblende der MAN-Zugmaschine des Team-Lkw ist noch zu lesen: kiefer-racing.com
Aufmerksamen Beobachtern sind dafür schon bei den ersten zwei Rennen 2015 zwei Figuren aufgefallen, die im Leopard-Team als Statthalter von Beccha agieren und die Öffentlichkeit scheuen. Es handelt sich um den Italiener Massimo Vergini und den Serben Miodrag «Mio» Kotur.
Vergini möchte bei aller Freundlichkeit im Hintergrund bleiben und sich am liebsten gar nicht mit der Presse unterhalten. Er will seinen Namen im Zusammenhang mit dem Leopard-Team nirgends lesen, er verweigert die Auskunft. «Sprechen Sie mit Stefan Kiefer», winkt er etwas verunsichert ab.
Wir kennen Vergini als Teammanager beim Team Italia in der Moto3, er war schon 2012 dabei, als Romano Fenati noch als Aushängeschild dort fuhr.
Miodrag Kotur verfügt hingegen über keinerlei Erfahrung im Motorradrennsport. Auch seine Erfolge im Automobilsport sind überschaubar. Er war 2010 Director of Motorsport Operations bei Lotus Cars, einer Firma, die damals beim Pariser Autosalon pompös fünf neue Modelle ankündigte und die Sportwagenfirmen wie Ferrari, Aston Martin und Porsche entzaubern wollte, obwohl damals nur 1100 Fahrzeuge aus dem unteren Preissegment im Jahr verkauft wurden.
Die hochtrabenden Pläne verliefen im Sand, es wurden Hunderte Millionen versenkt, ehe die malaysischen Eigentümer genug hatten: Lotus-Group-Geschäftsführer Dany Bahar wurde 2012 unter unrühmlichem Umständen entlassen, die wahnwitzigen Motorsport-Aktivitäten in allerlei namhaften Rennserien (Formel 1, Sportwagen usw.) wurden eingestellt.
Miodrag Kotur trat dann im Sommer 2014 beim von der Pleite geretteten Caterham-F1-Rennstall als Teammanager in Erscheinung. Doch das Nachzügler-Team hielt sich auch unter den neuen Eigentümern nicht lange über Wasser.
Wie auch immer: Vergini und Kotur sind die heimlichen Strippenzieher bei Leopard Racing.
Der gemütlich wirkende Vergini übt bei Leopard Racing die Funktion des Chief Financial Officers (CFO) aus, er wacht also über die Finanzen – und geniesst das Vertrauen von Beccia. Das Moto3-Teambudget dürfte bei 1,8 Millionen Euro liegen.
Kotur agiert bei Leopard Racing als Chief Operating Officer – er ist für die Tagesarbeit verantwortlich.
Leopard-Firmenchef Beccia: Vielfältige Aktivitäten
Leopard-Firmenchef Flavio Becca ist in der Sportszene ein grosser Name. Er betrieb 2011 und 2012 das Profi-Radteam Leopard Trek mit den Luxemburger Tour de France-Helden Franck und Andy Schleck sowie dem Schweizer Zeitfahr-Weltmeister Fabian Cancellara. Nach der Saison 2012 zog sich Beccia aus dem Radsport zurück, begleitet von Misstönen.
2012 kam Becca über das IodaRacing-Project-Team von Giampiero Sacchi mit dem Motorradsport in Kontakt. Er habe damals das Emir-Motoren-Projekt von Sacchi mitfinanziert, heisst es, deshalb stand der geheimnisvolle Becca vor der Saison 2012 mit Jonas Folger und dessen Vater Jakob in Kontakt, er lotste Folger ins Ioda-Team. Doch der bei Robby Motor Engineering gebaute 250-ccm-Eigenbaumotor erwies sich als Fehlkonstruktion und verschwand nach einer Saison von der Bildfläche. 2013 entstand eine vorübergehende Zusammenarbeit zwischen Becca und Forward Racing.
Als Becca im Sommer 2014 erstmals Pläne für einen «natural power drink» namens Leopard schmiedete, wurden die Forward-Racing-Chefs Giovanni Cuzari und Marco Curioni mit einem Privatjet des Millionärs nach Luxemburg geflogen, wo ihnen das Projekt im Detail vorgestellt wurde. Es kam jedoch kein Vertrag zustande.
Beccia ist als Bau-Unternehmer reich geworden, er ist im Immobilienbusiness in Luxemburg eine grosse Nummer. Doch er hält sich mysteriös im Hintergrund, er lässt sich nicht gern in die Karten schauen; die ominöse Heimlichtuerei gilt als sein Markenzeichen.
Investor Becca hat offenbar auch an der Firma Came Group (Systeme für elektrische Türen und Tore) starkes Interesse, auch für diese Firma wird im Leopard-Moto3-Team geworben.
Beccha ist ein erfolgreicher Selfmademan, der seine Ideen mit Nachdruck durchzusetzen versteht.
Dass die Motorsport-Aktivitäten von Leopard von anderen Teams trotzdem aufmerksam und argwöhnisch beobachtet werden, ist verständlich.
Zu viele Energy-Drink-Firmen sind in den letzten Jahren wieder von der Bildfläche verschwunden oder konnten zumindest die Millionen-Investitionen nicht lange rechtfertigen. Go&Fun, Drive M7, Red Devil, Power Horse, Phantom, Pussy, Dark Dog, Grizzly, Wild Wolf – und so weiter.
Das merkwürdige Konzept, das Produkt zuerst im Motorsport bekannt zu machen und es erst nachher auf den Markt zu bringen, hat sich bisher nicht sonderlich gut bewährt. Auch «Grizzly» ging bei Kiefer 2008 nach einer Saison die Energie aus.
Bisher wurde noch kein Getränk von Leopard gesichtet, nicht einmal in der teameigenen Hospitality. «In Mugello sollen die ersten Dosen verfügbar sein», meint Teambesitzer Stefan Kiefer, der die grossartigen Erfolge nach fast zweieinhalb erfolglosen Jahren dankbar geniesst, auch wenn er in seinem eigenen Team an Einfluss verloren hat.
Sponsor Leopard mit starkem Einfluss
Denn Leopard hat bei Kiefer Racing auch beim Technik-Personal sehr stark die eigenen Vorstellungen in den Vordergrund gerückt.
Teamteilhaber Jochen Kiefer, in der WM vom ersten Tag an bis Ende 2014 für die Technik verantwortlich, muss auf Anordnung von Sponsor Leopard mit dem Spanier Christian Lundberg einen Vorgesetzten hinnehmen, der als Technical Director die Einsätze aller drei Fahrer (Kent, Vazquez und Ono) überwacht.
Danny Kent bekam als Crew-Chief den Niederländer Peter Bom zugeteilt, Efren Vazquez brachte Crew-Chief Norman Rank vom Racing Team Germany mit zu Kiefer, der Japaner Hiroki Ono wird von Jan Luyten betreut.
Teambesitzer sind und bleiben Stefan und Jochen Kiefer, der jetzt als Mechaniker bei WM-Leader Danny Kent tätig ist. Ein Verkauf der Teamplätze wird von der Teamvereinigung IRTA nicht gestattet.
Und angesichts des heftig sprudelnden Sponsorgelds ist der Machtverlust für Kiefer gewiss leichter zu verschmerzen als eine weitere Saison ohne WM-Punkte mit einem Schmalspurbudget und Fahrern wie Grünwald und Ramos.
Wie nachhaltig die Kooperation zwischen Leopard und Kiefer sein wird, ist offen. «Der Vertrag läuft vorläufig nur für ein Jahr», verriet Stefan Kiefer.