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Cross-Ikone Rolf Dieffenbach wird 65 Jahre

Kolumne von Thoralf Abgarjan
Eine Dokumentation zum 65 Geburtstag von Rolf Dieffenbach: Erfahren Sie, womit die Motocross-Profis der 1980er Jahre ihre Brötchen verdienten und wie er über den WM-Auftritt von Ryan Villopoto denkt.

Er ist einer der bedeutendsten deutschen Motocross-Piloten von internationalem Rang: Rolf Dieffenbach feierte am 12. Juni, seinen 65. Geburtstag. Er war der führende deutsche WM-Pilot in den 'wilden' 1980er Jahren. Für SPEEDWEEK.com Grund genug, beim Meister selbst nachzufragen, der nach wie vor mit High-Speed durch sein Leben geht.

Die Anfänge
«Eigentlich wollte ich Fußballer beim VFB Stuttgart werden», erinnert sich Dieffenbach. «Aber ich liebte schon immer die Geschwindigkeit und so bin ich auch zum Ski-Fahren gekommen und als Kind Abfahrtsrennen gefahren. Ich war schon immer auch ein Draufgänger. Mit 15 habe ich mir dann folgerichtig beim Skifahren das Bein gebrochen. Der Bruch war so kompliziert, dass mir verboten wurde, weiter Fußball zu spielen. Dann bin ich mit meinem Nachbarn als Zuschauer zu einem Motocross-Rennen gefahren. Als ich das gesehen habe, wusste ich: Das ist mein Sport! Dann habe ich meine 50ccm-Hercules umgebaut und bin damit im Gelände herumgedüst. Das Geld für meine erste gebrauchte Cross-Maschine hatte ich von meiner Oma. Als dann bei uns in Widdern die Autobahn gebaut wurde, haben wir auf einem ehemaligen Ackergrundstück meines Vaters im Jahre 1973 unsere eigene Cross-Strecke angelegt. Mein Neffe Marco Dorsch ist dort übrigens heute noch aktiv.» Marco Dorsch war nach der Jahrtausendwende WM-Pilot in der 125er Klasse.

Der lange Weg zum Motocross-Profi
Ähnlich wie Ken Roczen, dessen Vater Heiko Klepka in Mattstedtauch eine eigene Motocross-Trainingsstrecke aufbaute, profitierte Rolf Dieffenbach auch von einem eigenen Trainingskurs. Während aber Roczen bereits im zarten Alter von 3 Jahren auf dem Motorrad saß, musste Dieffenbach warten, bis er einen Führerschein hatte. «Mein Vater kam zwar ab und zu zu den Rennen, aber alles andere musste ich schon selbst erledigen. Ich wollte immer das Motorrad auch verstehen und habe deshalb auch selbst geschraubt.»

WM-Einstieg
Dieffenbach war nach heutigen Maßstäben ein Spätstarter. Alles Weitere ging aber sehr schnell: Mit 23 war er in der Weltmeisterschaft angekommen. «Meine ersten WM-Läufe habe ich 1974 bestritten, damals noch gegen Gennadi Moissejew, Jaroslav Falta und Wladimir Kavinov. 1975 wäre dann schon mein erstes Profi-Jahr gewesen, aber ich habe mir im April in Gaildorf noch vor dem ersten Grand-Prix den Fuß gebrochen. Das war eine schlimme Erfahrung für mich, denn ich war mit der Kramer-Maico extrem stark und hatte alle Vorsaisonrennen gewonnen.»

Kramer-Maico: Vorreiter technischer Innovation
Die Saison 1975 war gelaufen. Aber wie so oft im Leben: Wo Schatten ist, gibt es immer auch Licht: «Das Problem war der unten geführte Auspuff. Wenn man hängengeblieben ist, konnte sich der Fahrer leicht den Fuß verletzen oder brechen, so wie es mir passiert war. Deshalb kamen wir zusammen mit dem Tüftler und Tuner Fritz Kramer schon 1975 auf die Idee, den Auspuff nach oben zu legen», eine Innovation, die bis heute Bestand hat - nicht nur bei den Zweitaktern. «Am Anfang habe ich diese Auspuffanlagen selber gebaut», erinnert sich der gelernte Sanitär- und Heizungsmechaniker.

Die Entwicklung gemeinsam mit Fritz Kramer mündete 1977 in der legendären Kramer-Rotax. «Im finnischen Hyvinkää habe ich auf Rang 3 hinter Hakan Carlqvist und Gennadi Moissejew mit der Kramer-Rotax das erste WM-Podium erreicht. Am Anfang hatten wir noch einige Probleme, aber zum Schluss waren wir richtig gut und ich bin in den letzten Rennen der WM immer unter die Top-5 gekommen. Aufgrund dieser Leistung habe ich dann den Kawasaki-Vertrag für 1978 bekommen.»

Karriere als Werksfahrer
1978 wechselte Dieffenbach zu Kawasaki, verlängerte um ein weiteres Jahr und beendete die Saison '79 auf WM-Rang 6. 1980 und 1981 wurde er als Honda-Werksfahrer engagiert und prompt WM-Vierter. «Die 1982er Honda war mein bestes Motorrad», erinnert sich Dieffenbach heute, «wie maßgeschneidert für mich.» 1982 erreichte er WM-Rang 5, 1983 nach einigen Problemen Platz 7. 1984 war ein schicksalhaftes Jahr: Die japanischen Werke zogen sich aus der 250er WM zurück. «So bin ich wieder zu Maicozurückgekehrt und habe dort leider ein Desaster erlebt.» Jobé wechselte in die 500er Klasse und Dieffenbachs Weggefährte Heinz Kinigadner wurde KTM-Werksfahrer. «'Kini' war damals zur richtigen Zeit am richtigen Ort», weiß Dieffenbach und der Österreicher wurde1984 Weltmeister.

Mitte 30 und trotzdem immer weiter
Mit 36 Jahren wurde Dieffenbach am Ende seiner Karriere noch einmal DM-Zweiter. Aber Mitte 30 hatte der Haudegen vom Rennsport längst nicht genug: «Nach meiner Motocross-Karriere bin ich noch weitere 10 weiter Jahre Straßenrennen im Bereich des Seriensports gefahren.»

Die 'wilden 80er' und die technischen Revolutionen
In seiner aktiven Zeit haben im Motocross-Sport mehrere technische Revolutionen stattgefunden: Die Fahrwerke erhielten progressive Zentralfederung (statt der zuvor verwendeten Twin-Shocks), die Motoren bekamen Wasserkühlung und die Gabeln erreichten Federwege von über 300mm. «Das bedeutete auch, dass wir als Fahrer unseren Fahrstil immer wieder umstellen mussten.» 

Erinnerungen
«Meine Grand-Prix-Siege werde ich nicht vergessen. Aber ein Erfolg ist mir in besonderer Erinnerung geblieben: Mein Sieg 1982 in Holice (CSSR). Dort sind immer auch tausende Fans aus der damaligen DDR hingefahren, es war ja die Zeit des Kalten Krieges. Auf dem Siegerpodium haben die überwiegend ostdeutschen Fans die deutsche Nationalhymne mitgesungen.» Das Singen der 'BRD-Hymne' war DDR-Bürgern verboten. Aber das interessierte in dem Moment Niemanden, Dieffenbach war einfach nur ein deutscher Fahrer, der einen epischen Sieg errungen hatte. Ost und West freuten sich gemeinsam und feierten den Triumph.

«Das war ein unglaublich bewegender Moment und es läuft mir heute noch ein Schauer über den Rücken, wenn ich daran denke. Nach diesem Rennen habe ich auch die WM-Führung übernommen.» Seine damaligen Gegner waren große Namen: Georges Jobé und der Amerikaner Danny LaPorte. Am Ende wurde Dieffenbach 1982 WM-Fünfter, denn die Sandstrecken in Benelux lagen dem Deutschen weniger. Dazu kamen technische Ausfälle. «Ich habe immer aus meinen Möglichkeiten das Beste gemacht und bin daher mit meiner Karriere insgesamt auch zufrieden.»

Natürlich war auch in den 1980er Jahren das Motocross der Nationen das Highlight der Saison: «1981 gewann ich den Qualifikationslauf zum Motocross der Nationen in Bielstein vor dem legendären Hakan Carlqvist - vor heimischem Publikum, das werde ich auch niemals vergessen.»

DM, WM und beides...
In den 1980er Jahre spielte die Deutsche Meisterschaft noch eine viel größere Rolle als heute: «Wer in der DM vorn war, konnte auch in der WM fahren. Wir waren damals auch für den Gewinn der deutschen Meisterschaft engagiert», erinnert sich Dieffenbach, der für Honda-Deutschland fuhr. «Wir waren Semi-Werksfahrer, agierten also nicht direkt als Werksteam, sondern für den deutschen Importeur. Die nationalen Meisterschaften spielten daher auch eine wichtige Rolle. Man könnte das vielleicht mit dem heutigen Gariboldi-Team vergleichen. Honda war damals nur in der 500er-Klasse mit einem echten Factory-Team vertreten.» Doch das Engagement des Importeurs trug Früchte, denn in der DM herrschte zu der Zeit ein hohes Niveau: «Anfang der 1980er Jahre hatten wir vier deutsche Fahrer, die in der WM in die Top-10 fahren konnten.»

50 Rennen pro Jahr
«Zu meiner Zeit konnte der Dreißigste der WM auch noch vom Sport leben. Diese Zeiten sind heute wohl vorbei. Ich bin damals 50 Rennen pro Jahr gefahren. Nach Saisonende starteten wir bei internationalen Rennen in Frankreich, Italien, Holland und Belgien oder auch sogar in Südafrika. Mit Start- und Preisgeldern hatten wir so eine zusätzliche Einnahmequelle. In der Beziehung haben wir wirklich eine gute Zeit im Motocross erlebt, wenn man sieht, dass die Fahrer von heute Geld in die WM mitbringen müssen.»

Stets ein Herz für die Jugend
«Ken Roczen bereitet mir viel Freude. Und ich werde auf jeden Fall noch einmal in die USA fliegen, um den Jungen live zu sehen. Ich kenne Ken noch als ganz kleinen Buben.» Doch Dieffenbach war immer auch Mentor und Macher: «Nach dem Ende meiner Motocross-Karriere habe ich zusammen mit dem ADAC die Junior-Teams gegründet. In Deutschland ist es heute schwer geworden, guten sportlichen Nachwuchs heranzuziehen. Die Amateurserien können sich vor Hobbyfahrern kaum retten und in der deutschen Meisterschaft bekommt man kaum ein vernünftiges Fahrerfeld zusammen, weil Leistung eben auch anstrengend ist. Zu meiner Zeit wollte jeder B-Lizenz-Fahrer möglichst nach einem Jahr in die deutsche Meisterschaft wechseln. Das hat sich heute komplett geändert. Ich habe gehofft, dass es durch Ken Roczen wieder einen Boom in Deutschland gibt, weil die jungen Leute sehen, okay, da kann man wirklich etwas ganz Großes erreichen.»

Die Zeit nach dem Karriere-Ende 
Anfang der 1990er Jahre, direkt nach der deutschen Wiedervereinigung, war Dieffenbach mit einer ADAC-Sport-Delegation im Talkessel von Teutschenthal. «Wir waren von Anfang an fasziniert von der Anlage und den Gebäuden an der Strecke im Talkessel. So etwas kannten wir aus Westdeutschland ja nicht und wir waren so begeistert, dass wir uns zusammen mit dem ADAC für die Austragung eines EM-Laufs in Teutschenthal engagiert haben. Und als Betreuer vom ADAC-Junior-Team war ich damals auch beim ersten EM-Lauf dabei.»

Der Rest ist Geschichte: Der Talkessel wurde seitdem zum festen Bestandteil des WM-Kalenders.

WM damals und heute im Vergleich zu den USA
«Ich verfolge die WM heute nach wie vor. Und was Tim Gajser und Romain Febvre da gerade abziehen, ist einfach gewaltig.»

In 30 Jahren ist viel passiert. Die WM hat sich verändert, ist kommerzieller und professioneller geworden. «Man sieht schon an den jungen Fahrern wie Gajser und Febvre, dass die Piloten durch die MX2-Klasse geformt werden und als reife Fahrerpersönlichkeiten in die Königsklasse aufsteigen.» 

Eine Konstante zieht sich aber wie ein roter Faden durch die Jahrzehnte: Der Wettbewerb zwischen den US-Serien und der WM um das Prestige, 'beste Serie der Welt' zu sein. Die Karriere Dieffenbachs fiel in eine Zeit, als ein Amerikaner in der WM eine neue Herausforderung suchte und fand: Der legendäre DannyLaPorte!

«Die Amis hatten damals einen Vorsprung, den sie nutzen konnten, denn sie kamen aus den Stadien und waren schon an Doppelsprünge gewöhnt. Als in Europa die Mehrfachsprünge eingeführt wurden, mussten wir das erst einmal lernen und trainieren. Die Amerikaner waren damals klar im Vorteil.»

Danny LaPorte wurde so 1982 Weltmeister in der 250er Klasse, in der damaligen und heutigen Königsklasse.

Aber: Der Deutsche konnte nicht nur mithalten, sondern hat den US-Star auch auf der Strecke schlagen können.

Natürlich hat Dieffenbach auch im letzten Jahr den viel beachteten WM-Exkurs von Ryan Villopoto verfolgt. «Ich wollte mir Villopotounbedingt live anschauen, aber leider hat er ja nach Arco die Waffen gestreckt. Das fand ich schon schwach, vor allem, dass er nicht mehr zurückgekommen ist und gezeigt hat, dass er es doch kann. Ich glaube, so hätte sich früher kein Fahrer verabschiedet.»

Freunde von damals und heute
Aus der Karriere von Rolf Dieffenbach haben sich viele persönliche Freundschaften entwickelt: «Der Schwede Torleif Hansen war mein Kawasaki-Teamkollege. Wir stehen heute noch in engem Kontakt. Und natürlich treffen wir uns auch mit den deutschen Fahrerkollegen immer noch regelmäßig.»

Über seinen Weggefährten Heinz Kinigadner spricht er heute noch voller Respekt und sieht auch in der Persönlichkeit von Pit Beirereine beispielhafte Kämpfernatur, der seine ehrgeizigen Ziele auch in seiner zweiten Karriere so nachhaltig verfolgt, wie während seiner sportlichen Karriere.

Motorradfahrer aus Leidenschaft
«Ich habe mich mit vielen anderen Sportarten beschäftigt, bin gesurft, habe den Flugschein gemacht und auch ein Sportflugzeug geflogen. Aber das hat mich alles viel zu wenig gefordert. Ich bin darauf gekommen, dass es kein Hobby gibt, das so vielfältig ist, wie das Motorradfahren.»

Und so ist Dieffenbach seit einiger Zeit wieder zu seiner Leidenschaft zurückgekehrt, dem Motorradfahren: «10 Jahre musste ich pausieren, weil ich Knieprobleme hatte. Aber ich habe jetzt ein neues Kniegelenk bekommen und seit letztem Herbst habe ich wieder mit dem Fahren angefangen. Ich fahre jetzt auf einer Husqvarna FE 350 Enduro. Wir fahren zusammen mit Freunden in Spanien, Frankreich und auch auf unserer Strecke. Das bereitet mir so viel Freude, es ist einfach nur gigantisch!» 

Heute wird Dieffenbach 65 und der Hüne ist kein Stück ruhiger oder behäbiger geworden. Im Gegenteil: Er führt in Widdern erfolgreich einen Installationsbetrieb und bleibt seiner Leidenschaft treu: «So lange ich kann werde ich weiter Motorrad fahren. So viel steht fest.»

 

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