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Hervé Poncharal: «Viele rieten mir von Folger ab»

Von Sharleena Wirsing
Bei den MotoGP-Tests in Malaysia, Australien und Katar lieferte Rookie Jonas Folger hervorragende Leistungen ab. Im Interview mit SPEEDWEEK.com berichtet Tech3-Boss Hervé Poncharal von der «Lovestory» mit dem Deutschen.

Nach dem dritten MotoGP-Test 2017 in Katar freute sich Jonas Folger: «Wir sind perfekt vorbereitet.» Am 26. März wird der deutsche Rookie sein erstes MotoGP-Rennen für das Tech3-Yamaha-Team von Hervé Poncharal bestreiten. Zuvor sprach SPEEDWEEK.com mit dem Teamchef über sein lang gehegtes Interesse an Folger.

Hervé, du hast dich für die Saison 2017 für zwei Rookies entschieden. Mit Johann Zarco hast du den aktuellen Moto2-Weltmeister engagiert, aber mit Jonas Folger bist ein größeres Risiko eingegangen?

Ich will nicht sagen, dass es eine Lovestory mit Jonas war, denn das wäre vielleicht übertrieben. Doch ich habe ihn seit fast acht Jahren im Auge. Warum? Ich weiß nicht genau. Ich mochte diesen Jungen schon immer. Wir haben immer wieder geredet, er war noch sehr jung. Manchmal war er ein bisschen verloren, was ich so über ihn hörte. Aber Jonas war schon immer ein Fahrer, der mein Interesse auf sich zog. Ich verfolgte seine Karriere mit allen Höhen und Tiefen – 125 ccm, Moto3 und Moto2. Ich beobachtete genau, was er tat. Ende 2015 sprach ich bereits mit ihm, er erzählte mir, dass er bei Intact unterschrieben hat. Ich sagte: ‹Gut, aber für wie viele Jahre?› Er sagte ein Jahr, ich sagte: ‹Okay, lass uns in Kontakt bleiben.›

Beim Test in Jerez sprach ich 2016 wieder mit ihm, er hatte das Management gewechselt. Die Wasserman Media Group kenne ich sehr gut, denn sie betreuten auch Fahrer wie Cal Crutchlow und Bradley Smith. Sobald wir in Katar waren, konnte ich mit den Verhandlungen beginnen. 99 Prozent waren dann schon vor dem Rennen in Katar erledigt. Wir gaben noch nichts bekannt, aber meine Entscheidung stand fest, bevor Jonas überhaupt richtig in seine Saison mit Intact gestartet war.

Wenn du ein Verlangen oder einen Traum hast, dann musst du dir das manchmal erfüllen. Ich dachte schon viele Jahre, dass Jonas ein MotoGP-Bike fahren sollte. Irgendwann musst du dich dann entscheiden und sagen: ‹Los, setzt dich auf das Bike. Vielleicht habe ich Unrecht und du bist langsam. Oder vielleicht habe ich Recht.› Ich musste es probieren, jetzt oder nie. Beim Frankreich-GP gaben wir es dann offiziell bekannt. Das war nicht einfach, das kann ich dir sagen, denn viele unserer Partner und auch Medienvertreter rieten mir ab und sagten, dass Jonas nicht einfach zu handhaben ist. Doch es war meine Entscheidung. Ich habe nicht immer alle Freiheiten, aber manchmal will ich das tun, was ich will. Ich schlage die Richtung ein, die ich einschlagen will. Ich mag keine Menschen, die immer einem Trend folgen. Ich mag Herausforderungen, du musst sie lieben und annehmen, wenn du ein Unternehmen führst. Sonst kannst du auch bei der Post im Büro arbeiten. Niemand konnte mich aufhalten. Ich stellte klar, dass Jonas Folger mein Fahrer sein wird und sagte: Wer nicht mit uns weitermachen will, kann gehen.

In der Pressekonferenz nach der Bekanntgabe des Deals habe ich gesagt, dass ich Jonas gerne als neuen Moto2-Weltmeister in mein Team holen will, das funktionierte nicht. Ich will nicht behaupten, dass ich mir immer sicher war, denn an manchen Tagen hatte Jonas im letzten Jahr große Probleme. Aber meinen Glauben an ihn behielt ich trotzdem.

Was danach passierte, ist ein Traumszenario. Seit er in Valencia zum ersten Mal auf diesem Bike Platz genommen hat, machte er alles – ich mag es nicht, die Dinge als perfekt zu bezeichnen, denn nichts ist perfekt – nahezu perfekt. Er machte keine Fehler, er macht alles gut. Jeder Run ist besser und schneller als der zuvor. Er arbeitet sehr gut mit dem Team und den japanischen Ingenieuren zusammen, sie sind sehr beeindruckt von seinem Feedback, der Art, wie er zuhört und Ratschläge umsetzt. Obwohl er sehr schnell war bei den Tests, fokussiert er sich nicht wie viele andere Fahrer auf nur eine schnelle Runde. Er fuhr eine großartige Rennsimulation in Sepang – großartig, großartig, großartig. Das ist sehr wichtig. Das war für mich und Yamaha sehr wichtig. Zudem fuhr er das Bike auch auf nasser Strecke und war wieder beeindruckend. Die Saison hat noch nicht begonnen, Tests sind Tests und Rennen sind Rennen. Vielleicht wird das erste Rennen eine Enttäuschung. Vielleicht. Doch bisher war er großartig. Ich bin mehr als zufrieden.

Das zeigt auch das Level der Moto2-Klasse. Jeder rechnete damit, dass Zarco schnell sein wird. Das ist er auch. Er war der Master der Moto2-Klasse und gewann zwei Titel. Doch zu sehen, was Jonas macht, ohne einen Titel gewonnen zu haben, ist großartig. Er stieg auf die MotoGP-Maschine und liegt zwischen Viñales, Rossi und Márquez. Das zeigt das Level der Moto2-Klasse. Es ist unglaublich. Ich ziehe meinen Hut vor den Top-10. Sie alle wären sicher nicht langsam auf einem MotoGP-Bike.

Nachdem Folger 2016 große Formschwankungen zeigte, warst du gegenüber der Presse sehr offen und hast zugegeben, dass du Bedenken hast.

Ich bin immer offen, natürlich müssen wir oft politisch korrekt sein. Ich kann auch nicht nackt im Fahrerlager herumlaufen. Ich muss das Spiel mitspielen, das müssen wir alle – zu einem gewissen Maß. Die Stärke der Motorradweltmeisterschaft gegenüber der Formel 1 ist meiner Meinung nach jedoch, dass wir noch mehr auf das Menschliche achten. Warum sollte ich also meine Eindrücke verbergen? Wenn ich happy bin, dann sage ich das. Wenn ich Zweifel habe, dann gebe ich das zu. Ich bin nicht perfekt. So bin ich. Die Menschen sind unterschiedlich. Ich liebe meinen Job und den Rennsport.

Ein Teil der Spannung ist eben, dass Pasini anders ist als Schrötter und Schrötter anders ist als Baldassarri. Márquez ist anders als Lorenzo. Ich bin anders als Aspar oder Cecchinello, sonst wäre es langweilig. Ja, ich war besorgt. Ich schrieb Jonas oft und fragte ihn: ‹Was passiert da? Fuck.› Ich wollte es verstehen. Daher sprach ich auch mit seinem Team und fragte sie, warum er am Freitag schnell ist, aber nicht am Samstag und Sonntag. Ich wollte verstehen, wer Jonas ist und wo sein Problem liegt. Damit ich weiß, wie ich ihm dann bei uns besser helfen kann.

Hattest du nicht die Sorge, sein Selbstvertrauen damit zu schwächen?

Ich habe nie gesagt, dass ich glaube, dass er auf einer MotoGP-Maschine nicht schnell sein wird. Ich habe ihn immer gefragt, wo sein Problem liegt, denn ich habe ihn in der Moto2-Klasse stärker erwartet. Meine Sorge richtete sich auf seine Moto2-Leistungen. Ich habe nicht verstanden, warum er sein Talent und sein Potenzial dort nicht umsetzen konnte. Jeder erwartete mehr von ihm. Nun fühlt er sich freier. Seinen Fahrstil kann er auf einem MotoGP-Bike besser ausspielen, das ging auf der Moto2-Maschine nicht so gut. Auf der MotoGP-Bike kann er sein volles Potenzial zeigen, was auf der Moto2-Maschine wegen einiger Eigenheiten dieser Bikes nicht richtig möglich war.

Jonas selbst sagte, dass es ihm sehr hilft, dass die MotoGP-Elektronik jeden Fehler offenbart. So weiß er, ob es an ihm liegt und kann dann an diesen Punkten arbeiten. In der Moto2-Klasse fragte er sich oft, ob es an ihm, dem Chassis oder der Suspension liegt.

Ja, die MotoGP-Klasse ist, nicht nur was die Elektronik betrifft, das höchste Level. Wir haben viel mehr Möglichkeiten, Dinge zu verstehen und einzustellen. Das ist in der Moto2-Klasse viel weniger der Fall – aus Kostengründen. Trotzdem ist das Moto2-Bike gut genug, um die Fahrer auf die Königsklasse vorzubereiten. Das sah man an Fahrern wie Márquez, Viñales und nun Folger, Zarco und Rins sehr gut.

Doch umsetzen muss es trotzdem der Fahrer. Schau dir – bei allem Respekt für ihn –Tito Rabat an, obwohl er all diese Möglichkeiten in der MotoGP-Klasse hat, muss er auch damit umgehen lernen. Der Fahrer ist noch immer sehr, sehr wichtig. Er muss die Power und die Elektronik nutzen und mit seinem Team richtig arbeiten können, um aus diesem Paket das Maximum herauszuholen. Manche Fahrer können das, andere nicht. Jonas ist ein sehr, sehr talentierter Fahrer, aber auch clever. Und auch das musst du sein, um hier bestehen zu können.

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