MotoGP: Das Saisonfinale ist in Barcelona

Marc VDS Honda: Tom Lüthi in Favoritenstellung

Von Günther Wiesinger
Tom Lüthi: Wird er endlich MotoGP-Fahrer?

Tom Lüthi: Wird er endlich MotoGP-Fahrer?

Der Schweizer Moto2-WM-Zweite Tom Lüthi könnte mit 31 Jahren noch seinen Lebenstraum erfüllen: Es winkt ein MotoGP-Vertrag beim Marc VDS-Honda Team.

Im Grunde sind momentan nur noch zwei MotoGP-Plätze bei Avintia Ducati frei, diese werden aber an Tito Rabat und Xavier Siméon gehen, der rund 700.000 Euro am Mitgift abliefert. Bei Pull & Bear Aspar Ducati wird es mit Álvaro Bautista und Karel Abraham weitergehen.

Damit werden dort Héctor Barbera und Loris Baz am Saisonende arbeitslos.

Der lukrativste MotoGP-Arbeitsplatz, der noch nicht besetzt ist, winkt aber beim belgischen Estrella Galicia 0,0 Marc VDS Honda-Team, weil dort Jack Miller abwandern wird zu Pramac-Ducati und der Vertrag mit Tito Rabat nach zwei enttäuschenden Jahren auf der RC213V-Honda nicht mehr verlängert wird.

Bei Marc VDS Honda meldeten sich alle denkbaren Fahrer, von Hernandez über Barbera bis zu Kallio, Sam Lowes, Bradl, Lüthi, Redding und Baz.

Stefan Bradl unterhielt sich beim Spielberg-GP ausführlich mit Marc-VDS-Teamprinzipal Michael Bartholemy, konnte aber nachher seine Chancen nicht genau einschätzen. «Ich lasse die Dinge an mich herankommen. Es bleibt mir sowieso nichts anderes übrig», stellte der Moto2-Weltmeister von 2011 fest, der von 2012 bis Ende 2015 fünf Jahre in der MotoGP-Klasse verbrachte und 47 Top-Ten-Plätze erzielt hat.

Inzwischen steht fest, dass bei Marc VDS-Honda nur noch drei Fahrer in der engeren Auswahl stehen: Tom Lüthi, Sam Lowes und Stefan Bradl.

Wer genau hingehört hat, konnte aber bei Michael Bartholemy schon beim Sachsenring-GP eine gewisse Vorliebe für Tom Lüthi heraushören.

«Zu Tom Lüthi muss ich sagen: Wenn ich wirklich keinen Fahrer mit MotoGP-Erfahrung finde, dann wiederhole ich, was ich letztes Jahr schon mal erwähnt habe: Ein Tom Lüthi hat beim KTM-Test in Spielberg 2016 keinen schlechten Job gemacht», hielt Bartholemy im Juli im Gespräch mit SPEEDWEEK.com fest.

Bartholemy konnte sich aber anfangs nicht vorstellen, 2018 mit den zwei Rookies wie Morbidelli und Lüthi aufzumarschieren. «Nein. Aber im Endeffekt ist es so, ich muss meine zwei Motorräder fahren lassen. Und wir haben uns beim zweiten Fahrer noch nicht entschieden.»

In diesem Jahr bekamen Miller und Rabat bei Marc VDS wie alle anderen Honda-MotoGP-Fahrer (Márquez, Pedrosa und Crutchlow) 2017-Motorräder.

Das wird sich 2018 ändern. Denn HRC bezahlte in den letzten zwei Jahren rund 1,5 Millionen Euro (Fahrergage, verbilligte Leasinggebühren) an Marc VDS für Miller. Nächstes Jahr gibt es keinen finanziellen HRC-Support mehr.

Dieser Betrag von 1,5 Mio muss für 2018 teilweise durch zusätzliche Sponsoren erwirtschaftet werden, teilweise werden Einsparungen nötig.

«Deshalb haben wir zwar jetzt bei HRC Material für zwei Fahrer bestellt, aber wir werden unsere Rolling Chassis von 2017 behalten, weil sie gut funktionieren. Bei den Motoren werden wir den Stand des Repsol-Teams vom Valencia-GP 2017 bekommen», schilderte Bartholemy. «Wir wollen das beste Paket haben, das wir in unserer Situation bekommen können», betonte Bartholemy im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Das ist für uns wichtig.»

Die finanzielle Situation ist trotzdem nicht einfach, deshalb gilt Tom Lüthi als aussichtsreichster Kandidat für den zweiten Platz neben Morbidelli. Er würde Sponsorgeld von CarXpert, Interwetten und so weiter mitbringen. Und er bekommt trotz eines gültigen Vertrags mit dem CarXpert-Moto2-Team offenbar eine Freigabe, wenn er ein MotoGP-Team findet, das ihm Chancen auf Top-Ten-Plätze ermöglicht. Das liess sein persönlicher Manager Dani Epp beim GP von österreich durchblicken,

«Ich will in die MotoGP, ob mit oder ohne Moto2-WM-Titel», stellte der WM-Zweite Tom Lüthi in Spielberg fest.

Bei Marc VDS  wäre ausgerechnet sein aktuell stärkster Moto2-Widersacher sein Teamkollege – WM-Leader Franco Morbidelli, der 2017 schon sieben von elf Rennen gewonnen hat,

Tom Lüthi wird zwar im September 31 Jahre alt, aber er zählt wie im Vorjahr zu den stärksten Moto2-Piloten, der Jugendwahn in der MotoGP ist etwas abgeklungen, seit Johann Zarco mit 27 Jahren eine starke Debütsaison zeigt und Rossi mit 38 Jahren immer noch Rennen gewinnt.

Außerdem ist Tom Lüthi auch bei Honda in guter Erinnerung: Er sorgte 2005 bei Honda im Elit-Team von Dani Epp für den letzten 125-ccm-WM-Titelgewinn der Japaner in dieser Klasse. Als Belohnung durfte er damals nach dem Valencia-GP zehn Runden mit einer 990-ccm-Fünfzylinder-Honda RC211V abspulen.

Marc VDS könnte mit der Verpflichtung von Tom Lüthi zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Die Belgier hätten einen aussichtsreichen Miller-Ersatz – und wären gleichzeitig einen starken Gegner in der Moto2-Klasse los, in der Alex Márquez neben Neuzugang Joan Mir nächstes Jahr um den WM-Titel fighten soll.

Der Deal wäre ein bisschen ärgerlich für KTM: Die Österreicher wollten das dreiköpfige Schweizer Moto2-Team 2018 mit Moto2-Maschinen ausrüsten, nicht zuletzt wegen Tom Lüthi, der jederzeit für Siege und Podestplätze gut ist.

Ob KTM an diesem Deal ohne Lüthi noch interessiert wäre, bleibt abzuwarten. Mit Jesko Raffin und Iker Lecuona wird kein Staat zu machen sein.

Die beiden Moto2-Teams von Fred Corminboeuf und Olivier Métraux (CarXpert Interwetten und Garage Plus Interwetten) stünden vor einer schwierigen Situation: Ein Jahr nach Domi Aegerter wäre mit Tom Lüthi auch der zweite Spitzenfahrer weg.

Das im August 2014 als Schweizer «Dream Team» abgekündigte Duo hätte sich somit in Wohlgefallen aufgelöst.

Marc VDS-Teamprinzipal Michael Bartholemy wartet noch auf die endgültige Entscheidung, es reden schliesslich auch Sponsoren wie die Manager der Biermarke Estrella Galicia 0,0 und Teambesitzer Marc van der Staten (VDS) mit. «Honda will bis Silverstone Bescheid haben», erklärte Michael Bartholemy. «Eigentlich wollten wir uns schon in der Woche nach Brünn entscheiden...»

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