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Valentino Rossi: GP-Stars und ihr Aberglaube

Von Frank Aday
Valentino Rossi zeigt das mittlerweile berühmteste Ritual der MotoGP-Ära: hockend neben seinem Bike. Nun sprachen Ben Spies und Colin Edwards über ihren Aberglauben und den des «Doctors».

Aberglaube ist eine Überzeugung oder ein Verhalten aufgrund der Angst vor dem Unbekannten und dem Glauben an Magie oder Glück. Er ist die Überzeugung, dass bestimmte Dinge Glück oder Pech bringen. Auch im GP-Sport sind besondere Verhaltensweisen oder Rituale von Fahrern auf Aberglaube zurückzuführen. Sie vertrauen auf bestimmtes Essen, Fotos, Nummern, Farben oder Glücksbringer. Takazumi Katayama hatte sogar seinen eigenen Zaubermeister.

Valentino Rossi hingegen folgt dem mittlerweile berühmtesten Ritual der Viertakt-Ära. Millionen von Menschen sahen den neunfachen Weltmeister bereits neben seiner Maschine hocken. Immer auf der rechten Seite. Er greift bereits mit Handschuhen über den Händen nach der Fußraste und neigt seinen Kopf, auf dem schon der Helm sitzt. Rossis Routine, zumindest der für Fans zu sehende Teil, nahm ihren Anfang bereits in seinen frühen Jahren als Rennfahrer. Er bückt sich, berührt seine Stiefel und die Knieschleifer, richtet sich wieder auf, schreitet zum Bike, geht in die Hocke und greift nach der Fußraste.

Wenn Rossi dann die Boxengasse verlässt, stellt er sich auf die Fußrasten, zieht erst sein Leder im Schritt zurecht und dann die Sitzfläche. Während er dann auf den Start wartet, überprüft er immer wieder den korrekten Sitz des Helmverschlusses und die Klettverschlüsse seiner Handschuhe.

«Valentino hat sicherlich die meisten abergläubischen Rituale aller GP-Fahrer», sagt Ben Spies. «Was heraussticht und am meisten beachtet wird, ist die Tatsache, dass er sich jedes Mal die Eier kratzt und am Hintern herumfummelt, wenn er die Boxengasse vor dem Rennen verlässt. Das kann nur zwei Gründe haben: 1. Alle Augen auf mich oder 2. Das ist mein Aberglaube. In 20 Jahren hat Valentino sicher gelernt, welche Unterwäsche er tragen muss. Also ergibt das Verhalten keinen Sinn. Jeder weiß jedoch davon und schaut darauf.»

Spies fuhr gegenüber «motogp.com» fort: «Wenn Valentino an jedem Wochenende Fünfter werden würde, dann würde ich darüber lachen. Bevor Iannone gut wurde, haben sie ihn als Rossi-Klon ausgelacht. Viele machten dasselbe bei Marco Simoncelli. Als er dann gute Ergebnisse einfuhr, sagte keiner mehr etwas.»

Rossis ehemaliger Teamkollege Colin Edwards ist nicht davon überzeugt, dass Rossis Routine nur seinem Aberglauben geschuldet ist. «Es ist Teil davon, sich vorzubereiten. Ich kann es nur mit Golf beschreiben. Du gehst zum Ball, bringst die Füße in die richtige Position, sorgst für Halt und schwingst dann den Schläger.»

Angewohnheiten können sich auch ändern. «An einem Wochenende machst du etwas, das nicht zum üblichen Ablauf gehört. Du klatschst dich mit einem Mechaniker ab. Dann hast du vielleicht ein gutes Wochenende. Also willst du das am nächsten Wochenende wieder so machen. 2002 erlebte ich eine Siegesserie. Wenn ich aufstieg, hielt einer der Mechaniker mein Bike. Ich schaute ihn an, zwinkerte ihm zu und er zwinkerte zurück. Das war kein Teil meiner Routine. Es war Teil seiner Routine», erinnert sich Edwards. «Ich werde das letzte Rennen nie vergessen. Es ging um den Titel. Ich war sehr fokussiert. Ich dachte über das nach, was in zehn Minuten passiert und nicht nur über den Moment. Ich stieg auf, er schaute mich an. Ich dachte mir: ‹Was macht er?› Und dann dachte ich: ‹Ach ja.› Ich zwinkerte ihm zu, er zurück. Manche Dinge sind wie eine Religion. Du machst sie immer. Aber andere finden einfach ihren Weg zu dir.»

Auch Kevin Schwantz hatte nichts für Aberglauben übrig. «Es gab keine gewissen Tage oder Reifen für mich», erklärt der 500-ccm-Weltmeister von 1993. «Oder Dinge, die im Training oder Qualifying passierten, die dann das Rennen besser oder schlechter machten.»
Doch Schwantz dachte einmal, Glück bringende Unterwäsche gefunden zu haben. «Dann stürzte ich aber am nächsten Wochenende. Ich sagte, dass sie kein Glück bringen und schmiss sie weg.»

Edwards verriet, dass sein größter Aberglaube auch mit seinem Leder zu tun hatte. «Ich hielt nichts davon, mein Leder erst bei einem Sturz ‹einzuweihen›. Also ging ich aus der Box, legte mich auf den Asphalt, zog die Schultern zusammen und rollte herum, bis das eine kleine Abschürfung hatte. Dann waren es gut. Ich weiß nicht, ob ich das schon in der AMA gemacht habe, aber auf jeden Fall in der Superbike-WM und im GP-Sport.»

Manche nutzen ihre Kombi oder Stiefel, um ein Statement zu setzen. «Jorge hatte einen roten Stiefel und einen weißen. Valentino hat auf der einen Seite eine Sonne und auf dem anderen Bein einen Mond. Sein Leder ist wie ein cooles Tattoo. Es ist wie eine Marke. Bei Jorge war es wohl eher eine Frage des Designs», meint Spies.

Mike Hailwoods Biograf Ted Macauley schrieb über dessen Routine: «Mike verriet mir: ‹Ich hatte Schwierigkeiten, nachts durchzuschlafen.› Nach einem weiteren Blick auf seine Uhr – das zehnte Mal in zehn Minuten – entschied er, dass es Zeit wurde, sich vorzubereiten. Dann änderte er seine Meinung wieder, als er feststellte, dass noch eineinhalb Stunden Zeit war. Er polierte auch seine Schutzbrille akribisch, während Musik aus dem Radio dröhnte. Das Gähnen und die Dehnübungen wurden häufiger. Er schaute wieder auf die Uhr und entschied, dass es nun vielleicht Zeit ist. Die Uhr legte er so auf den Tisch, dass er sie im Auge behalten konnte. Wenn er sich in sein hautenges Leder quälte, zog er die Schultern nach oben und drehte den Körper. Es sah aus wie Wrestling mit einem unsichtbaren Gegner. Danach ließ er sich erschöpft auf einen Stuhl fallen, schaute auf die Uhr und polierte die Brille erneut. Er musste die Wartezeit füllen, damit die Anspannung geringer wurde. Das war eine Art Ritual.»

Das Fazit? «Wir sind nur ein Haufen Spinner», lachte Edwards. «Meine Frau sagt das die ganze Zeit: ‹Du bist seltsam.›»

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