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Dirk Debus: Warum Honda und Ducati überlegen sind

Von Günther Wiesinger
Dirk Debus

Dirk Debus

Der Diplom-Informatiker Dirk Debus ist Deutschlands namhaftester MotoGP-Elektronik-Experte. Er erklärt, warum Yamaha gegenüber Honda und Ducati Nachteile hat und wo die Probleme liegen.

Valentino Rossi beklagte sich 2016 über das reifenmordende Chassis, 2017 sah die Situation nach einem Update-Chassis nicht viel besser aus. Seit Le Mans 2017 hat Yamaha-Hoffnung Maverick Viñales keinen GP-Sieg mehr errungen, Rossi seit Assen Ende Juni 2017.

Yamaha litt in den letzten zwei Jahren meist unter zu stark verschlissenen Hinterreifen in der zweiten Rennhälfte.

Seit dem Januar-Test in Sepang/Malaysia in diesem Jahr hat Valentino Rossi das Gefühl, die Problematik habe eher mit dem Elektronik-Set-up als mit dem Chassis zu tun.

Das mag sich erstaunlich anhören, denn seit 2016 ist in der MotoGP-WM eine Einheits-Elektronik vorgeschrieben.

Doch der ehemalige Aprilia-Renndirektor Jan Witteveen hat den Verdacht, Ducati habe die Einheits-Elektronik überlistet, auch Honda sei das inzwischen gelungen – durch die Verpflichtung des Italieners Filippo Tosi, der als Entwickler von Ducati den MM 6ax-Sensor für die Dorna und Magneti Marelli entwickelt hat.

Yamaha sucht seit Monaten nach einem ähnlich professionellen Spezialisten für die einheitliche Motorsteuerung von Magneti Marelli.

SPEEDWEEK.com hat sich mit dem Diplom-Informatiker Dirk Debus, dem deutschen Data-Recording-Professor und Mitbegründer der Firma 2D Messsysteme GmbH (Dirk Debus & Rainer Diebold), über die ECU-Problematik unterhalten.

Dirk Debus war schon zu 500-ccm-Zeiten als Daten-Ingenieur bei Yamaha für Max Biaggi beschäftigt, kümmerte sich später um das Suzuki-Werksteam, um das Eckl-Kawasaki-Werksteam, um Forward-Yamaha und zuletzt unterstützte er KTM 2016 beim MotoGP-Einstieg bei den ersten Tests und Rennen.

Dirk, ist der Verdacht richtig, dass Ducati und Honda als einzige MotoGP-Hersteller die Tücken der Einheits-ECU überlistet haben?

Wie man diese Motorsteuerung überlisten kann, weiß ich auch.

Ein Laie stellt sich vor, bei einer Einheits-ECU wird eine bestimmte Hardware und Software geliefert, und damit müssen sich die Werke und Teams dann abmühen.

Ja, das lässt sich nicht ganz so einfach als schwarz und weiß darstellen. Ich versuche es anhand eines – nicht ganz korrekten – Beispiels.

Einheits-ECU heißt: Es gibt keine Hardware-Auswahl, zum Beispiel zwischen Linux, Apple, Microsoft oder Android, sondern einen PC mit Windows 10. Das ist Punkt 1.

Darauf laufen dann fertige, fixierte Programme, zum Beispiel für die Textverarbeitung für alle Anwender das Word-Programm.

Welcher Text damit geschrieben wird, ist relativ frei.

Früher war es anders: Bis zum Saisonende 2016 setzte jedes Werk seine eigene, hausgemachte Hard- und Software für die MotoGP-Maschinen ein. Suzuki hatte Mitsubishi, Aprilia hatte seine APX, Ducati verwendete Magneti Marelli, Honda und Yamaha vertrauten auch auf ihre eigene Motorsteuerung. Dann gab es noch Bosch bei BMW zu Zeiten der Claiming-Rule-Bikes.

Das wäre vergleichbar, als würdest du als Journalist beim Schreiben Linux, Apple oder einen Windows-PC verwenden, frei nach deiner Wahl.

Doch für 2016 hieß es: Alle müssen eine identische Motorsteuerung haben, also sagen wir in deinem Fall – einen Windows-Rechner.

Danach wurde befohlen: Alle müssen mit einem Word-Programm ihre Texte schreiben.

Ob man jetzt mit Word reine Tabellen macht oder andere Word-Funktionen nimmt, die Tabelle oder den Text muss der Anwender des Teams noch selber programmieren.

Du schreibst ja deine journalistischen Texte ebenfalls in einem Word-Programm. Aber die Qualität dieser Texte hängt natürlich vom Anwender ab.

Wenn man dann noch festlegt, dass Worte wie Geld, Geschäft, Angestellter, Profit, Euro, Material, Gewinn und so weiter nicht eingegeben werden können, ist klar, dass man damit keinen Text über das Geldverdienen schreiben kann. Wie gesagt, das Beispiel hinkt, aber es ist ein Erklärungsversuch.

Marelli stellt also Funktionen für die Traction Control zur Verfügung, für die Wheelie Control, für die Launch Control, für die Motorbremse, für das Motor-Management und so weiter.

Wie diese Funktionen parametriert werden, welche Parameter du reinsetzt, ist wieder den Teams überlassen.

Ein Problem an dieser Einheitssteuerung von Marelli: Es gibt für diese Parametrierung kein gutes «front end».

Wenn du eine Riesentabelle, sagen wir mit 100 mal 100 Zahlen füllen musst, sind das 10.000 Zahlen.

Marelli stellt nur das «back office» zur Verfügung. Die Teams müssen sich ihr eigenes «front end» schreiben. Und bei diesem «front end» sind Ducati und Honda ein wenig besser als die Konkurrenz, denn sie haben da mehr investiert.

In diesem «front end»-Bereich, bei dem Tausende Parameter in die Motorsteuerung eingegeben werden, ist zum Beispiel auch KTM sehr gut aufgestellt.

Wenn du bei Ducati nachzählst: Die haben deutlich mehr Elektronik-Ingenieure, die diese Parametrierung vor Ort an die unterschiedlichen Strecken anpassen.

Wenn du dann zum Beispiel siehst, dass die Werks-Ducati in Argentinien nicht konkurrenzfähig waren und ein Lorenzo komplett hinterherfuhr, hat das auch damit zu tun, welche Parameter in die Marelli-Einheitssteuerung programmiert wurden. An welchem Rädchen du drehst, liegt daran, welche Informationen dein Fahrer liefert. Es stellt sich auch die Frage, ob der Ingenieur die Aussagen des Fahrers richtig versteht und interpretiert. Und es stellt sich die Frage, ob du das bei den wechselnden Wetterbedingungen zur richtigen Zeit auch eingeplant und das richtige Rädchen gefunden hast.

Das ist auf jeden Fall ein wichtiger Punkt.

Dann hast du ein paar Möglichkeiten, über diesen Schräglagensensor die Informationen über den Fahrzustand des Motorrads an die Motorsteuerung zu geben. Da kannst du nicht betrügen, aber du kannst das verbessern beziehungsweise verändern.

Ich denke, dass Yamaha in diesem Bereich ein wenig zu konservativ ist.

Wie kann Ducati auf Pisten wie Sepang oder Losail so konkurrenzfähig sein, und dann funktioniert beim Buriam-Test und beim Rennen Las Termas plötzlich nichts mehr?

Theoretisch müsste es funktionieren, richtig, denn es ist ein Motorrad und die ECU ist für alle gleich. Aber wenn du bei den Detailunterschieden und dieser Vielfältigkeit der Parameter ein bisschen daneben liegst und der Fahrer kein Vertrauen kriegt, musst du zuerst wissen, an welchem Parameter du jetzt drehen sollst.

Wenn dann deine beiden Werksfahrer wie Dovizioso und Lorenzo noch zwei komplett unterschiedliche Fahrstile haben, ist das ein Riesenproblem.

Es kommt dann immer eine Portion Glück dazu. Wenn du im ersten freien Training schon den ersten Parameter drehst und den Fahrer zum Beispiel rausschickst mit 0, +10 und –10 Prozent, und der Fahrer sagt, genau das macht den Unterschied aus, dann weiß der Applikations-Ingenieur, wo er den Hebel weiter ansetzen muss.

Kommt der Fahrer aber zurück an die Box und sagt: «+10, 0 und –10, es passiert überhaupt nichts», dann weißt du in diesem Moment nur: Das war das falsche Rädchen. Dann musst du das nächste Rädchen drehen, denn du kannst während eines Outings nicht an 30 Rädchen drehen.

Bei einem Drei-Tage-Test, an dem dreimal von 10 bis 18 Uhr gefahren wird, ist also so ein Set-up leichter auszutüfteln als bei einem Grand Prix, wo es nach den vier freien Trainings mit insgesamt 150 Minuten und bei oft wechselhaftem Wetter schon ins Qualifying geht.

Ganz genau.

Valentino Rossi hat zwei Jahre lang über das Yamaha-Chassis geklagt. Im Januar 2018 ist ihm plötzlich aufgefallen: Der Reifenverschleiß hat wohl eher mit der Elektronik zu tun. Sehe ich das richtig?

Ich möchte das jetzt nicht aus der Ferne bestätigen. Und wenn, dann müsste es ja bei Tech3 sehr ähnlich aussehen.

Du hast schon im Yamaha-Werksteam gearbeitet. Wäre ein IT-Support für Yamaha keine reizvolle Aufgabe für das Unternehmen 2D?

Die Yamaha-Leute haben meine Telefonnummer.

Ich kann mir vorstellen, was Ducati oder Honda machen, um die Einheits-ECU ein bisschen zu unterstützen.

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