Formel 1: Max Verstappen – alles für die Katz

Eurosport Las Termas: Viel geredet, nichts gesagt

Kolumne von Günther Wiesinger
2016 in Katar: Nebel, Weber, Stecker, Orasche und Waldmann als neue Eurosport-Mannschaft

2016 in Katar: Nebel, Weber, Stecker, Orasche und Waldmann als neue Eurosport-Mannschaft

Die Eurosport-Mannschaft mit Jan Stecker, Harry Weber und Stefan Nebel lieferte aus Las Termas alles andere als ein Meisterstück ab. Es wurde viel geschwafelt, handfeste Infos fehlten.

Das Aufgebot der deutsche Eurosport-Mannschaft musste in den letzten zwei Jahren einige Abgänge verkraften. Alex Hofmann wechselte zu ServusTV, gleichzeitig wurden Ex-Weltmeister Dirk Raudies und Ron Ringguth ihrer GP-Aufgaben enthoben. Im Herbst 2017 verabschiedete sich Johannes Orasche, vor vier Wochen starb noch der charismatische Ralf Waldmann.

Wenn man den Argentinien-GP als Maßstab nimmt, darf man getrost behaupten: Jan Stecker, Harry Weber und «Experte» Stefan Nebel sind die Schuhe ihrer Vorgänger ein paar Nummern zu groß.

Welche Fähigkeiten Stefan Nebel zu einer TV-Karriere verholfen haben, entzieht sich meiner Kenntnis. Vielleicht reichte schon die Freundschaft mit Alex Hofmann aus.

Nebels Erfolge im internationalen Motorradrennsport können es nicht gewesen sein, sein selten unfallfreier Umgang mit der deutschen Sprache auch nicht.

Wenn man ihm zwei, drei Tage sporadisch zuhört, erinnert man sich unweigerlich an eine Aussage des österreichischen Schriftstellers und Satirikers Karl Kraus. «Es genügt nicht, keine Meinung zu haben. Man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken», schrieb Kraus.

Insgesamt wirkt die gesamte Berichterstattung von Eurosport zu anbiedernd, zu selbstgefällig, zu selbstverliebt.

TV-Reporter sollten eine informative Dienstleistung abliefern.

Nebel will hingegen ständig den Eindruck erwecken, er sei mit der gesamten MotoGP-Weltelite ganz eng befreundet. «Da werde ich mit dem Marc nach dem FP2 einmal zwischen zwei Trucks ein paar Worte reden», unter vier Augen sozusagen, posaunte er am Freitag aus Las Termas.

Abgesehen davon, dass ich keinen Journalisten oder TV-Berichterstatter kenne, der heutzutage so aus heiterem Himmel mit dem MotoGP-Weltmeister ohne Einwilligung der Communications-Spezialisten von HRC oder Repsol irgendwo im Paddock ins Gespräch kommt: Es ist mir nicht bekannt, dass irgendein Team aus Europa einen Team-Truck in die Pampa mitgebracht und hinter den Boxen geparkt hat.

Und die altersschwachen Lkw der heimischen Logistikfirmen parken erstens nicht im Fahrerlager und unternehmen zweitens in den fünf Tagen andere Transportfahrten.

Es wirkt nicht gerade vorteilhaft, wenn man mit der deutschen Sprache auf Kriegsfuß steht wie der Eurosport-Experte und dann pausenlos sinnentleere rhetorische Nebel-Schwaden von sich gibt.

«Syahrin hat nichts zu verlieren. Er könnte im Qualifying für eine Überraschung sorgen.»

Merke: Nicht jeder, der nichts zu verlieren hat, ist ein Spitzenfahrer. (Nebels Geheimfavorit Syahrin holte sich im Qualifying den 23. und vorletzten Platz).

Ein High-Five für Miller

Am Samstag ging’s in diesem Stil weiter. «Da werde ich dem Jack gleich ein High-Five geben», drohte Nebel nach der Pole-Position des Australiers Jack Miller burschikos an.

Harry Weber erkor den britischen Regenspezialisten Scott Redding zu seinem Favoriten fürs Qualifying. Er landete auf Platz 15.

Ich bezweifle, dass die TV-Zuschauer von den Kommentatoren pausenlos orakelhafte Vorhersagen erwarten. Manchmal würde auch etwas Information und Aufklärung genügen. Aber da kommt nicht viel.

Hat schon einmal ein Eurosport-TV-Mann einen Blick ins gelbe FIM-Buch geworfen? Beim Start zum MotoGP-Rennen wurden mehr Fragen als Antworten geliefert.

Schon am Samstag fragte sich das Eurosport-Trio pausenlos, ob man bei einem Flag-to-Flag-Rennen von einem Bike mit Regen-Set-up auf ein zweites Bike mit Regen-Set-up umsteigen dürfe.

Natürlich nicht.

Man wollte ja durch dieses Konzept in erster Linie verhindern, dass mit Slicks zu lange im Regen oder mit Regenreifen zu lange im Trockenen gefahren wird – aus Sicherheitsgründen.

Immerhin schauen die Eurosport-Kollegen emsig auf SPEEDWEEK.com nach. So manche Erzählungen der Eurosport-Leute haben dort ihren Ursprung.

Harry Weber sagte im FP4 am Samstag: «Redding hat Blut geleckt.»

In bin in meinem bisherigen Berufsleben ohne diese blutrünstige Floskel ausgekommen.

Ich habe keine Ahnung, wo Redding Blut geleckt hat, vielleicht ist er ein Nachfahre von Dracula, ich bitte um Einzelheiten.

Es wird viel schwadroniert, es werden viele Phrasen gedroschen, um die Abwesenheit von Wissen zu vertuschen.

Oft denke ich mir: Hättest du geschwiegen, wärst du ein Philosoph geblieben.

Natürlich ist es anstrengend, stundenlang kommentieren zu müssen, besonders wenn man nur zu dritt bei einem Übersee-Rennen aufkreuzt.

Aber warum wird dann das Moto3-Rennen nicht aus dem Studio kommentiert, was ja bei den Radrennen und in der Superbike-WM auch vorexerziert wird?

Vielleicht sollte man die KTM-Leute auch nicht dauernd als «die Mattighofener» bezeichnen, denn KTM Factory Racing hat vor zwei Jahren in Munderfing ein neues Zuhause gefunden.

Aber Stefan Nebel hat außergewöhnliche Fähigkeiten, die wir bewundern sollten. Er redet gern von Körpersprache und Körperspannung, er beobachtet und beurteilt deren Qualität durch den Sturzhelm, das Leder, die Handschuhe und die Stiefel hindurch.
Hut ab.

Wenn es an handfesten Informationen und an einer eigenen Meinung fehlt, wird halt schwadroniert und fantasiert.

Wer zuviel Körperspannung hat, kann auch verkrampfen, das ist meist nicht die ideale Ausgangslage für einen schnelle Rundenzeit.

Stefan Nebel hatte schon beim Sepang-Clash zwischen Rossi und Márquez 2015 keine eigene Meinung. Daran hat sich auch in seiner vierten TV-Saison als Experte nichts geändert.

Da lobe ich mir mutige Gesellen wie Colin Edwards, Alex Crivillé, den verstorbenen Ángel Nieto, Loris Capiriossi, James Toseland, Chris Vermeulen, Kevin Magee und vor allem Neil Hodgson, die genau wissen, was die Fans vor dem Fernseher erwarten. Eine knallharte Analyse, keine (pardon:) Arschkriecherei.

Wenn jeder Fußballspieler von den Fans ausgepfiffen und vom TV-Reporter kritisiert wird, der den Penalty zwei Zentimeter übers Tor knallt, darf auch ein Marcel Schrötter mal kritisiert werden, wenn er beim Argentinien-GP auf dem 20. Startplatz landet, Teamkollege Xavi Vierge auf Platz 1.

Nicht bei Eurosport.

Da wird dann lieber nichtssagend über die Körperspannung gefachsimpelt.

Nebel weiß sogar im Q1, welche Rundenzeit Marc Márquez bei diesen Verhältnissen fahren würde: «1:48 min.»

Der Spanier verlor aber im Q2 leider 0,6 sec auf die Bestzeit. Er fuhr rund 30 Minuten nach dem viel nasseren Q1, in dem keiner unter 1:49 min kam, «nur» 1:47,7 min.

Nebel, der Allwissende

Als wahrer und allwissender Experte verurteilt Stefan Nebel sogar die Reifenwahl mancher Werksfahrer im Qualifying als falsch. «Für mich ist Soft-Soft bei diesen Verhältnissen keine Option», erweist er sich als schlauer als Pol Espargaró und das Red Bull KTM-Werksteam, das diese Wahl gemeinsam mit den Michelin-Reifentechnikern getroffen hatte. Denn mit dem Medium-Compound hatte sich Pol («Die meisten Mischungen funktionieren hier auf dieser Piste nicht») nie wohl gefühlt.

Nebel wird der Spitzname «der Schwebende» nachgesagt.

Jan Stecker hat nicht das beste Namensgedächtnis und kommt schon bei der der Aussprache von Bagnaia manchmal ins Schleudern. Er sagt auch nach zwei Jahren gern Ciabatto oder Cecchinelli (statt Ciabatti und Cecchinello).

Und als in der Öffentlichkeit stehender Boxengasse-TV-Reporter sollte man sich dringend ein besseres Englisch aneignen. Es soll sogar Abendkurse geben.

Solche Sprachkenntnisse könnten ja auch bei Steckers Lieblingssport «Football» mitunter nützlich sein.

Teilweise wird es ja unterhaltsam, wenn Jan Stecker glaubt, er könne LCR-Honda-Teamchef Lucio Cecchinello eine Minute nach Beginn des wichtigen Qualifying 2 live interviewen. Es klappte natürlich nicht. Und Harry Weber sollte sich vielleicht einmal um die richtige Aussprache von «Lucio» kümmern, er heißt nämlich nicht «Luzio».

Ich mag nicht glauben, dass unter 80 Millionen Deutschen nicht fünf Menschen gefunden werden können, die eine niveauvolle TV-Übertragung von einem MotoGP-Wochenende bewerkstelligen können.

Das klappt ja sogar in Österreich, in Slowenien, in Finnland, Schweden, Griechenland und in den Niederlanden zufriedenstellend.

Sandro Cortese wäre als Experte sicher ein Gewinn. Er ist siebenfacher GP-Sieger und Ex-Weltmeister. Er weiß, wovon er spricht. Nebel ist kein TV-Experte und wird nie einer werden.

Bei Eurosport genießt MotoGP offenbar keinen hohen Stellenwert. Am Sonntag wurde das Warm-up geopfert, weil der Radklassiker Paris-Roubaix bevorzugt wurde. Statt Moto3 sah ich die Motocross-WM.

Ärger gibt es auch seit Jahren mit dem Eurosport-Player, der offenbar kein Wunder der Technik ist.

Nicht verwunderlich, wenn die Dorna als TV-Rechte-Inhaber für 2019 nach anderen TV-Partnern für Deutschland Ausschau hält.

Harry Weber (er war ein Box-, Billard- und Kampfsport-Kommentator) machte am Samstagabend nach dem MotoGP-Quali in Las Termas Werbung für den Rennstart am Sonntag um 20 Uhr.

«Alle, die demenzielle Probleme mit dem Erinnerungsvermögen haben, sollten Sie sich die Startzeit auf einen Zettel schreiben», sprach er.

Abgesehen davon, dass er sich damit über eine wachsende Gruppe von bedauernswerten Demenzkranken und deren leidgeprüfte Angehörige lustig machte – so sollte ein im freien Wettbewerb stehender Sportsender nicht mit seinen Kunden umspringen.

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