Marc Márquez: Ein Mensch ohne Selbsterhaltungstrieb
Dreimal in einem Rennen bestraft: Marc Márquez
Marc Márquez ist das schnellste Lebewesen auf zwei Rädern. Er hat zahlreiche GP-Rekorde gebrochen, er war Weltmeister in der 125er und Moto2-Klasse.
Aber Genie und Wahnsinn liegen oft knapp beisammen.
Was der Superstar heute in Las Termas aufführte, hat die Welt noch nicht gesehen. Marc Márquez fuhr beim Argentinien-GP, als sei er von allen guten Geistern verlassen worden. Drei Strafen bekam er innerhalb von 40 Minuten – beim Spanier brannten alle Sicherungen durch.
Schon 2011 warf der Spanier manchmal die Nerven weg, als er in Australien im FP1 zwei Stürze fabrizierte und dann den Thailänder Rattapark Wilairot fürchterlich von hinten abschoss – nach der karierten Flagge, auf der Auslaufrunde des FP1, wohl gemerkt.
Er musste dann vom letzten Startplatz wegfahren – und wurde im Rennen trotzdem Dritter. Auch in Valencia wurde er in der Moto2-WM 2012 auf den letzten Startplatz gestellt, nach einem Geplänkel mit Kallio. Márquez siegte trotzdem – auf nasser Fahrbahn.
Grenzwertig waren die Auftritte von Marc Márquez von Anfang an auch in der MotoGP-Klasse. Er legte sich 2013 mit Lorenzo und Rossi an, er fuhr in Aragón seinen Teamkollegen Dani Pedrosa vom Motorrad.
Dann ein riesiger Fauxpas von Marc Márquez 2013 in Phillip Island, als die Bridgestone-Reifen die Distanz nicht durchhielten, es wurde ein Pflichtstopp für den Reifenwechsel vorgeschrieben.
Die Fahrer mussten zwischen Runde 9 und 11 an die Box. Marc Márquez fuhr in der Hitze des Gefechts elfmal an der Box vorbei – und bekam dann die schwarze Flagge.
Dann folgte der Sepang-Clash 2015, als Marc Márquez nichts anderes im Sinn hatte, als Rossi aufzuhalten, er opferte dafür sogar seine eigene Siegchance, er fuhr im Schnitt 1,5 Sekunden langsamer als im Training.
Damals verlor Márquez viel Respekt und eine große Anzahl von Fans.
Als Titelanwärter Rossi in Sepang die Nerven wegschmiss und sich Márquez' auf unsaubere Art entledigte, bekam der Yamaha-Star eine empfindliche Strafe. Er musste beim WM-Finale in Valencia vom letzten Platz wegfahren – und verlor den Titel an Jorge Lorenzo.
Marc Márquez gewann in fünf Jahren vier MotoGP-WM-Titel – 2013, 2014, 2016 und 2017. Er zeigte unfassbare Darbietungen, er gewann 2014 die ersten zehn Rennen unangefochten!
Aber Marc Márquez blieb immer ein Hitzkopf, auch wenn er 2016 erstmals sein Köpfchen benützte und trotz der nicht gerade übertrieben wettbewerbsfähigen Honda gegen Rossi und Co. triumphierte, indem er konstant ins Ziel fuhr und manchmal auch eine Niederlage in Kauf nahm.
Aber die grenzwertigen Aktionen kamen immer wieder zum Vorschein, meistens gingen sie gut – wie die 28 Stürze in der GP-Saison 2017.
Marc Márquez war genervt
Beim Argentinien-GP fiel Márquez in seine schlimmsten alten Verhaltensmuster zurück.
Er war seit Katar genervt, weil ihn Andrea Dovizioso dort zum dritten Mal nach Spielberg 2017 und Motegi 2017 in der Zielkurve ausgetrickst hatte.
Der Repsol-Honda-Star erlebte die Probleme von Ducati im Las Termas-Training mit. Deshalb wollte der Weltmeister unbedingt und um jeden Preis die 25 Punkte einfahren.
Der sechste Startplatz war bereits der erste Rückschlag für den heißblütigen und siegeshungrigen Champion.
Und dann kam die Startverzögerung auf dem Autódromo Termas de Rio Hondo.
Márquez rollte heute um ca. 20.15 Uhr MESZ auf den MotoGP-Grid und ärgerte sich wohl maßlos, weil Miller plötzlich 50 Meter vor ihm losfahren durfte, weil er als einziger schon beim Vorstart mit Slicks erschienen war.
Márquez würgte den Motor ab.
Er musste wissen, dass er deshalb auf den letzten Startplatz versetzt werden würde.
Das wäre das kleinere Übel gewesen, wie er inzwischen weiß.
Doch Márquez schob seine Honda RC213V einfach an – und kutschierte dann gegen die Fahrtrichtung (!) zurück auf seinen Startplatz. Er verzögerte damit nicht nur den Start ein weiteres Mal.
Er verstieß damit auch gegen die banalsten Gesetze des GP-Sports. Nicht einmal in der Boxengasse darf man einen Meter gegen die Fahrtrichtung zurücklegen!
Es war klar, dass die Race-Direction eine Strafe aussprechen musste. So ein leichtsinniges und gefährliches Vergehen würden Yamaha, Ducati, Suzuki, KTM und Aprilia nicht kommentarlos hinnehmen.
Marc Márquez bekam eine Durchfahrtsstrafe und fiel dann aus den Punkterängen, nur Siméon lag noch hinter ihm.
Doch Marc Márquez preschte unaufhaltsam nach vorne, fuhr schneller als die Spitze, riskierte alles – und schob zuerst einmal Aleix Espargaró aus dem Weg, an einer Stelle, wo er nicht einmal zehn Zentimeter Asphalt für sich beanspruchen konnte.
Márquez wurde dann aufgefordert, diesen Platz wieder zu tauschen, aber Aprilia-Pilot Aleix Espargaró war inzwischen vier Plätze hinter ihm…
Márquez fuhr Kreise um die Gegner wie Tom Lüthi, aber bei Rossi hatte der Honda-Pilot kein so leichtes Spiel.
Der Spanier preschte sich in dieser ominösen Rechtskurve (wie bei Aleix) einfach innen rein, obwohl kein Platz war, Rossi war überrumpelt – er musste die Yamaha aufrichten und einen weiten Bogen fahren.
Rossi geriet aufs nasse Gras und kippte um.
Und Marc Márquez? Der blieb innerhalb der weißen Linie – und brauste ungerührt weiter. Er schnappte sich sogar noch Dovizioso.
Aber kurz nach der Zieldurchfahrt kam die Quittung: 30 Strafsekunden für die Nummer 93, Rückfall von Platz 5 auf Platz 18. Rossi landete nach dem Crash an 19. Stelle.
Wer bringt Márquez zur Vernunft?
Als Marc Márquez nach dem Rennen in die Box von Rossi marschieren und sich entschuldigen wollte, versperrte ihm Rossis Kumpel Uccio Salucci den Weg.
Vollkommen richtig.
Meines Erachtens müsste Marc Márquez jetzt für den Texas-GP gesperrt werden. Er hat einfach schon zu viel auf dem Kerbholz.
Jorge Lorenzo wurde in seiner 250-ccm-WM-Zeit wegen eines wesentlich leichteren Vergehens gesperrt.
Bei Honda genießt Márquez einen gott-ähnlichen Status. Aber Las Termas war zu viel des Schlechten.
Irgendwer bei HRC muss Marc Márquez jetzt zur Vernunft bringen.
Es geht hier um die MotoGP-WM, nicht um ein Erntedankfest oder eine Bummelfahrt mit Autoscootern.
Hier wird mit 280 PS starken und 350 km/h schnellen Rennmotorrädern um die Wette gefahren.
Dieser Sport ist schon ohne pausenlose Rammstöße gefährlich genug.
Wer keinen angeborenen Selbsterhaltungtrieb hat, ist in diesem Sport fehl am Platz.