Jorge Lorenzo zu Honda: Der Teamkollege aus der Hölle
Jorge Lorenzo gewann auch in Montmeló
Als er noch ein Junge war, ein ziemlich eigenartiger, aber ein sehr schneller, nannten die Spanier ihn «Aussenherum». Aus offensichtlichen Gründen. Denn Jorge Lorenzo überholte die Gegner damals oft wie Anfänger einfach aussen herum.
2018 bekam «Gorgeous Jorge» einen neuen Spitznamen: «Aus dem toten Winkel». Sein Wechsel von der schwierigen Ducati zu Repsol-Honda hat alle wachgerüttelt.
In Mugello hat der Mallorquiner seinen ersten Sieg geholt, seit er vor eineinhalb Jahren von Yamaha weggegangen ist.
Bei genau diesem Rennen hat er auch verlautbart, dass er Ducati verlassen wird. Das war keine Überraschung nach seinen schwachen Ergebnissen in den vorigen Rennen. Vor allem als der Sportdirektor von Ducati Corse, Paolo Ciabatti, zwei Wochen zuvor in Le Mans bemerkt hatte, dass da «ein großer Unterschied zwischen seiner Gage und unserem Budget ist».
Jorge Lorenzo hat am Donnerstag in Mugello alle neugierig gemacht, als er meinte, dass er die nächsten zwei Jahre auf einem «konkurrenzfähigen Bike» fahren wird.
Das hat in den sozialen Medien große Spekulation ausgelöst, nachdem der Anfang der Saison auf dem Transfermarkt sowieso schon sehr turbulent war. Die Frage, welcher Fahrer wo hingehen wird, ist fast gleich wichtig wie der Rennsport selbst. Für manche Menschen sogar noch wichtiger.
Für Lorenzo war es deshalb bedeutsam, das Undenkbare zu denken. Aber nur bis zu einem gewissen Punkt.
Suzuki war schon abgehakt und KTM und Aprilia passten nicht in die Beschreibung «konkurrenzfähig», also gab es nur eine Antwort: Jorge geht zurück zu Yamaha. Ein Gerücht, das weitere Nahrung bekam, als Yamaha nicht abstritt, dass es das geplante neue Petronas-Satellitenteam eventuell mit 2019-Werksmaschinen ausstatten wird.
Der Deal Yamaha-Petronas-Lorenzo schien in trockenen Tüchern zu sein.
Als zwei Tage nach dem Mugello-GP die Neuigkeit bekannt gegeben wurde, dass Lorenzo für 2019 und 2020 Marc Marquez’ Teamkollege bei Repsol-Honda wird, gab es niemanden, der nicht verblüfft war.
Viele Leute bewundern Lorenzos geschmeidigen Fahrstil, seine Titeleroberungen (bisher drei in der Königsklasse – 2010, 2012 und 2015) und seine unermüdliche Arbeitsmoral. Es gibt auch widerwilligen Respekt für seine starke Unabhängigkeit. Obwohl das oft neben der Verachtung seiner Gewohnheit, gegen seine Kollegen auszuteilen, untergeht.
Das hat angefangen, als Jorge noch ein Anfänger im Grand-Prix-Sport war. Von seiner jüngsten Kindheit an wurde er von seinem Fahrer-Coach-Manager-Vater trainiert mit dem Ziel, Weltmeister zu werden.
Dann hat er seinen Vater völlig überraschend entlassen. Das ist ein Muster, das er später mit anderen Managements und Verbündeten wiederholt hat. Arbeite für Jorge – und ganz plötzlich arbeitest du nicht mehr für ihn.
Ich bin in der Minderheit in der sogenannten «MotoGP-Familie» (ein sentimentale Fehlbezeichnung, die versucht, die Unversöhnlichen zusammenzuhalten), weil ich scheinbar einer der Wenigen bin, die Lorenzo tatsächlich mögen.
«Mögen» ist vielleicht nicht das richtige Wort. Es ist nicht der Job eines GP-Journalisten, die Fahrer zu mögen, obwohl es hilft, wenn man den Motorsport und die Motorräder mag. Aber Lorenzos übertriebener Egoismus und seine zur Schau gestellte Selbstsucht passen sehr gut zu einem großen Weltmeister.
Nette Typen siegen nicht... Und so weiter und sofort.
Es ist Lorenzos Fahrstil, um den es wirklich geht.
Er hatte Probleme mit der Desmosedici, aber er hat immer versprochen, dass es ein Lernprozess sei. Nachdem er viele Runden geführt und dann wieder versagt hatte, hat er jetzt innerhalb von zwei Wochen zwei wichtige Rennen souverän gewonnen, wobei er – ganz typisch – von Anfang bis Ende geführt hat. Ich wage zu behaupten, dass dieses Jahr noch weitere Siege folgen werden.
Wenn Jorge dann auch noch auf der Honda siegt (warum nicht?), ist er, glaube ich, der einzige Fahrer in der Geschichte, der in der Königsklasse mit drei verschiedenen Fabrikanten gewonnen hat.
Seine größte Errungenschaft bei Ducati ist allerdings sein Rekord-Vertrag, der locker alles übertraf, was Rossi in letzter Zeit unterschrieben hat, abgesehen von allen anderen. Gerüchten zufolge verdient er in den zwei Jahren bei Ducati 25 Millionen Euro.
Puh!
Auch typisch Lorenzo ist, dass er diesen ersten Sieg mit Ducati ganz für sich selbst beanspruchte. Außer, dass er Ducati viel Geld gekostet hat, hat er der Marke bisher wenig gebracht, weil er seinem Teamkollegen Andrea Dovizioso fünf möglicherweise wichtige Punkte weggenommen hat. Es war eine Wiederholung vom letzten Rennen letztes Jahr in Valencia, wo «Dovi» immer noch die Chance hatte, den Titel zu gewinnen. Gegen die Vorgaben des Teams entschied Jorge, die beste Art, «Dovi» zu helfen, sei ihn zu besiegen.
Es wird spannend zu sehen sein, wie die beiden feindseligen Teamkollegen den Rest der Saison meistern.
«Dovi», 2017 oft unantastbar, ist bei den letzten drei Rennen zweimal aus eigener Schuld gestürzt.
Viele glauben, Lorenzos Fahrstil sei nicht geeignet für die Honda. Wir werden sehen. Jorge ist ein intelligenter und hart arbeitender Fahrer mit einem enormen Willen.
Seine eigene Sicht der Dinge, wie er sie in Mugello und Barcelona mitgeteilt hat, ist typisch. In den kleineren Klassen hat er Rennen auf einer Derbi 125 und einer Aprilia 250 gewonnen. Jetzt hat er sich erfolgreich von der Yamaha auf die Ducati umgewöhnt. «Ich habe das Talent», sagt Jorge ohne falsche Bescheidenheit.
Er wird Marc Márquez bestimmt ein Dorn im Auge sein. Der Teamkollege aus der Hölle. Erinnern sie sich an die Zwischenwand in der Yamaha-Box, als er ab 2008 mit Rossi im Yamaha-Team war? Und die bissigen Kommentare zwischen ihm und Dovi bei Ducati?
Das wird gewöhnungsbedürftig für Marc Márquez, nach dem fügsamen Dani Pedrosa.