Paolo Ciabatti: Warum er Dovizioso in Schutz nimmt
Andrea Dovizioso
Bei Ducati ist niemand glücklich über den Abgang des dreifachen Saisonsiegers Jorge Lorenzo. Die Ducati-Corse Manager Gigi Dall’Igna und Paolo Ciabatti hatte vereinbart, dass sie nach dem Mugello-GP eine endgültige Entscheidung treffen würden. Und nach den schwachen Leistungen von Lorenzo bei den ersten fünf Grand Prix rückte der Name Danilo Petrucci immer mehr in den Vordergrund.
Und dann stellte Ducati-CEO Claudio Domenicali noch eine Woche vor dem Mugello-GP fest, Lorenzo habe sich mit der Desmosedici nie anfreunden können, man werde sich in der Saison 2018 ganz auf Dovizioso konzentrieren.
Damit trieb er Lorenzo endgültig in die Hände von Repsol-Honda, wo Dani Pedrosa allmählich in Ungnade gefallen war.
«Manchmal kommst du zu einem Punkt, an dem du eine Entscheidung treffen musst. Und du triffst sie auf Basis der Elemente, die du vorliegen hast», sagt Ciabatti. «Manchmal denkst du zwei, drei Wochen später vielleicht, du hättest lieber warten sollen. Wenn du in die Zukunft blicken könntest, würdest du manchmal andere Entscheidungen treffen.»
Jetzt weiß man: Hätte man bei Ducati geahnt, dass Lorenzo in Mugello und nachher in Catalunya und Spielberg gewonnen und Dovizioso in der WM überholen würde, hätte man sicher über einen Vertrag für 2019 verhandelt.
Aber so weit kam es nie, denn Petrucci stand als preiswerte Alternative immer bereit. Er fährt 2019 wohl für eine Gage von ca. 800.000 Euro, während Lorenzo in den letzten zwei Jahren insgesamt 25 Millionen kassiert hat. Aber Ducati gab ihm nur einen Vertrag für 2019.
«Danilo ist ein sehr schneller Fahrer. Und er lag 2017 in der WM nur einen Platz und 13 Punkte hinter Jorge», gibt Ciabatti zu bedenken.
Der Ducati-Sportdirektor räumt aber auch ein: «Jorge hat fast 50 MotoGP-Siege errungen und fünf WM-Titel gewonnen. Das ist unbestritten. Deshalb hat er bei uns auch diese Gage bekommen.»
Keine Kritik an Dovizioso
Andrea Dovizioso sah vor der Saison 2018 wie der hartnäckigste Herausforderer von Marc Márquez aus, aber jetzt liegt er 72 Punkte hinter dem Honda-Star und souveränen WM-Spitzenreiter.
«Dovizioso ist überzeugt, dass sich die Reifen in diesem Jahr anders verhalten, auch wenn Michelin sagt, die Reifen seien identisch mit jenen von 2017. Was im Vorjahr in Sachen Set-up perfekt funktioniert hat, als wir bei den meisten Rennen im letzten Teil des Rennens bessere Reifen als die Gegner hatten, hat in diesem Jahr nicht auf dieselbe Art und Weise funktioniert.»
Ciabatti: «Es wäre nicht fair zu sagen, wenn man überlegen würde, was passiert wäre, wenn sich die Reifen nicht unterscheiden würden. Aber Dovi hätte in Jerez Zweiter werden können, in Le Mans hätte er gewinnen können, der Sturz war sein Fehler. In Assen ist der Zwischenfall mit Rossi passiert, Dovi fiel auf Platz 4 zurück. Ohne diese Vorkommnisse wäre Dovi in der WM dicht an Márquez dran. Wir könnten locker WM-Zweiter mit Dovi sein. Aber logisch, man muss ins Ziel kommen…»
«Doch wir können feststellen, dass wir in diesem Jahr in Jerez konkurrenzfähig waren, in Le Mans, was 2017 nicht der Fall war. Wir haben in Assen um den Sieg gefightet, bis zur Kollision von Dovi mit Valentino, wir sind dann auf Platz 4 zurückgefallen. Wir waren also bei der Dutch-TT ziemlich konkurrenzfähig», gibt Ciabatti zu bedenken. «In Sachsen standen unsere Werksfahrer auf den Startplätzen 2, 3 und 5. In Brünn hat Dovi gewonnen, Jorge ist auf Platz 2 gelandet, in Spielberg hat Jorge gewonnen, Dovi ist Dritter geworden. Auch in Silverstone haben wir uns ein Topergebnis zugetraut. In der Vergangenheit waren der Sachsenring und Philip Island die kompliziertesten Strecken für Ducati. Aber wir haben uns im Juli in Deutschland in guter Form präsentiert. Das ist wichtig in Hinblick auf den Australien-GP.»?
Inzwischen haben die Klagen von Dovizioso über die Reifen ein bisschen ein Ende gefunden. Denn schließlich hat Lorenzo in den letzten sechs Rennen damit drei Siege und einen zweiten Platz erbeutet.
«Wir haben immer als Ziel erklärt, dass wir bei jedem Rennen um Podestplätze fighten wollen», sagt Ciabatti. «Das ist in dieser Saison sehr oft der Fall gewesen. Eigentlich immer seit der Rückkehr aus Austin.»
Auch wenn Dovizioso letztes Jahr sechs Rennen gewonnen hat und in diesem Jahr erst zwei: Paolo Ciabatti lässt keine Kritik am Italiener zu.
Der Ducati-Rennmanager ist überzeugt, dass die Nummer 04 in derselben Liga fährt wie Márquez, Rossi und Lorenzo.
«Andrea ist einer der wenigen echten Topfahrer in der MotoGP. Vieleicht ist nur Marc Márquez besser als jeder andere Fahrer. Denn er ist in der Lage, das Motorrad auf eine besondere Art zu kontrollieren. Márquez war in diesem Jahr überall konkurrenzfähig. Überall! Das ist wahrhaftig keinem anderen Fahrer gelungen. Auch wenn wir den Fahrstil von Marc nicht mögen, und wir haben offen erklärt, dass uns nicht gefällt, wie er manchmal die anderen Fahrer benützt, um selbst auf der Piste zu bleiben. Aber niemand hier, auch seine Gegner, können bestreiten, dass er ein Fahrer mit einem sehr außergewöhnlichen Talent ist.»