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Andrea Dovizioso: Die ganze Story seines Wandels

Von Günther Wiesinger
MotoGP-Vizeweltmeister Andrea Dovizioso

MotoGP-Vizeweltmeister Andrea Dovizioso

Andrea Dovizioso gewann in seinen ersten neun MotoGP-Jahren nur ein Rennen, seit 2017 ist er aber der erste Verfolger von Weltmeister Marc Márquez. Das Geheimnis des Ducati-Hoffnungsträgers.

Andrea Dovizioso beendete die MotoGP-WM in den vergangenen drei Jahren jeweils auf Rang 2 – geschlagen nur von einem übermächtigen Marc Márquez. Dabei hatte der Italiener vor dem Malaysia-GP 2016 siebeneinhalb Jahre lang kein MotoGP-Rennen gewonnen.

«Dovi» siegte im Regen von Silverstone im Juli 2009 auf der Repsol-Honda, danach musste er 2653 Tage lang warten, bis er am 29. Oktober 2016 auf der Ducati im Regenrennen von Sepang triumphierte und eigentlich als hoffnungsloser Fall galt, wenn von den Titelanwärtern die Rede war.

Kein Wunder: Ein Fahrer, der nur alle siebeneinhalb Jahre gewinnt, und dann nie auf trockener Fahrbahn, der im Frühjahr 2016 fast wegen Andrea Iannone aus dem Ducati-Werksteam geflogen wäre, der 2016 bis zum Brünn-GP in der WM hinter Ducati-Privatfahrer Barbera lag, wie sollte der gegen die wahren Stars bestehen?

Weil Ducati endlich erstmals seit 2007 (damals mit Casey Stoner) Weltmeister werden wollte, wurde für die Jahre 2017 und 2018 der Mallorquiner Jorge Lorenzo engagiert.

So drehte sich bei Ducati Corse in der Saison 2017 fast alles um den für 12,5 Millionen Euro Jahresgage eingekauften Jorge Lorenzo, um den MotoGP-Weltmeister von 2010, 2012 und 2015.

Lorenzos Verpflichtung war eigentlich als Misstrauensantrag an die Adresse von Iannone und Dovizioso zu verstehen. Ducati wollte endlich einen aus den «Glorreichen Vier», einen Superstar, der die Vorzüge der Desmosedici perfekt zur Geltung bringen sollte. Um jeden Preis.

Später sickerte durch, dass Andrea Dovizioso für die Saisonen 2017 und 2018 bei Ducati sogar eine Gagenkürzung in Kauf nahm, als sich Claudio Domenicali, Gigi Dall’Igna, Paolo Ciabatti und Davide Tardozzi wochenlang nicht darüber klar wurden, ob sie für 2017 den schnelleren Iannone oder den beständigeren Dovizioso an die Seite von Lorenzo stellen sollten.

Dovi dürfte bei einer Gage von 1 bis 1,5 Millionen eingewilligt haben. Iannone gab sich damit nicht zufrieden, er wechselte lieber für 3 Mio im Jahr zu Suzuki.

Dovizioso ließ sich durch das Gehältsgefälle gegenüber Lorenzo nicht zermürben. Er konnte ohne Druck in die Saison starten, das Scheinwerferlicht bei Ducati war auf Lorenzo gerichtet, der zeitweise stark schwankende Leistungen zeigte und bald klar im Schatten von Dovi stand.

Andrea Dovizioso – kein Typ für Glamour

Der dreifache MotoGP-Vizeweltmeister Andrea Dovizioso ist eher bodenständig. Er lebt zurückgezogen, er meidet Privatjets, lebt sparsam, fährt lieber im Privatauto von Forli nach Brünn und Spielberg, hat eine neunjährige Tochter, sich aber früh von der Mutter getrennt und ist seit Jahren mit Anthony Wests ehemaliger Freundin Alessandra Rossi liiert, ein ehemaliges Grid-Girl von Monster. Wobei Dovizioso selbst inzwischen wieder Red Bull-Athlet ist.

Während zwischen Dovis erstem und zweitem MotoGP-Triumph 2653 Tage verstrichen, gewann er die Rennen Nr. 3 und 4 in der Saison 2017 innerhalb von acht Tagen – im Juni 2017 in Mugello und Barcelona.

Seither hat der Ducati-Held zehn weitere Siege eingesammelt, den bisher letzten beim Österreich-GP 2019.

Der 34-jährige Italiener, 2004 Weltmeister in der 125-ccm-Klasse auf Honda, schreibt einen großen Anteil an diesen Erfolgen seinem Mentaltrainer Amadeo Maffei und dem verlässlichen Umfeld zu.

Denn Körper und Geist, Instinkt und Rationalität spielen im Spitzensport eine wichtige Rolle – manchmal ist der Sieg eine Frage des Gleichgewichts. Vor allem für Andrea Dovizioso.

Wie eine Pflanze, die sich davor wehrt, sich dem Sonnenlicht zu beugen, wehrt sich Dovi gegen seine Gegner. In seinen ersten neun Jahren in der MotoGP hat er genau ein Rennen gewonnen. Jetzt hält er bei 14 MotoGP-Siegen – und hat Márquez bei den direkten Duellen in Spielberg 2017, Motegi 2017, Doha 2018 und 2019 sowie Spielberg 2019 knapp besiegt.

Die Metamorphose vom verlässlichen Platzfahrer zum Siegertypen ist unübersehbar. 

Die Wandlung im Winter 2015/2016

Alle Fans und Gegner fragen sich, wie das neue Erfolgsgeheimnis des Ducati-Stars aussieht. «Dovis Entwicklung hat nicht während der letzten drei Jahre stattgefunden, sondern im Winter zwischen 2015 und 2016», enthüllt Simone Battistella, Doviziosos langjähriger Manager.

Wir erinnern uns: Die Ducati Desmosedici offenbarte damals immer noch technische Mängel und Schwächen. Für 2015 und 2016 kam ausserdem Eindringling Andrea Iannone neu ins Team, quasi Dovis neuer natürlicher Feind.

Battistella: «Diese Situation hat eine Reaktion erfordert. Andrea ist nicht der Typ, der eine Szene macht. Darum hat er an den Details geschliffen und gefeilt.»

Die körperliche Fitness wurde in Zusammenarbeit mit den beiden Francescos verbessert: Chionne, dem Physiotherapeuten, und Cuzzolin, dem Sporttrainer.

Der Hoffnungsträger von Ducati hat eine Leidenschaft fürs Motocross und Kartfahren. So hielt er sich während der vielen Jahre fit.

Aber in den letzten Jahren hat sich Dovi nicht nur energisch um seinen Körper gekümmert, sondern auch um seinen Geist. Eugenio Lizama ist ein Sportpsychologe, der mit vielen Stars im Motorsport zusammengearbeitet hat. Auch bei Amadeo Maffei und Bruno Demichelis handelt es sich um zwei Psychologen, die sich in den letzten Jahren immer in Andreas Nähe befanden.

Für einen Rennfahrer ist es wichtig, das Gehirn zu trainieren, um die Konzentrationsfähigkeit zu verbessern. Aber es geht auch darum, sich mental auf Schwierigkeiten vorzubereiten, die einen Fahrer auf die Probe stellen und aus der Bahn werfen können. «Ich habe verstanden, dass man keine Ausreden für die eigenen Fehler suchen muss, sondern dass man sie aufspüren und beseitigen muss», hat Dovi wiederholt gesagt.

Dovizioso wollte nicht mehr die Komparsen-, sondern die Hauptrolle spielen. Der Weg nach ganz oben hat begonnen, als er sich bewusst wurde, dass es in seiner motorsportlichen Karriere noch Spielraum für Wachstum gibt.

Deshalb hat sich Dovi 2017 und 2018 auch gegen Jorge Lorenzo durchgesetzt. Neben Danilo Petrucci ist er die klare Nummer 1 bei Ducati. In der MotoGP-WM musste er sich aber auch 2019 mit Platz 2 zufriedengeben. Der erste WM-Titel für die Roten seit Casey Stoner 2007 bleibt weiter das große Ziel.

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