MotoGP: Neuer Yamaha-Motor zu stark

Márquez auf dem Weg zurück: Angst oder Erleichterung?

Kolumne von Michael Scott
Marc Márquez: Erstmals im Rennanzug für die MotoGP-WM 2021

Marc Márquez: Erstmals im Rennanzug für die MotoGP-WM 2021

Der sechsfache MotoGP-Weltmeister Marc Márquez absolvierte am Montag seinen ersten offiziellen Auftritt nach drei Oberarm-Operationen. Kolumnist Michael Scott blickt auf die Repsol-Honda-Teampräsentation zurück.

Es war ein Moment, der jedem anderen MotoGP-Fahrer Angst einjagt. Am Montag trat Marc Márquez erstmals nach sieben Monaten wieder vor die Kameras – und versprach, dass er auf dem Weg zurück sei.

Angst? Oder Erleichterung?

Aufmerksame Beobachter stellten fest, dass die lange Tortur Spuren hinterlassen hatte. Der einstige Schuljungen-Blick und das unschuldige Lächeln sind Geschichte. Die 2021er-Version von Marc Márquez wirkte gezeichnet und böse: Kantiges Gesicht, dunkle Augenbrauen und ein grimmiger Blick.

Verständlicherweise. Denn wie er selbst bemerkte, musste der 28-Jährige aus Cervera in seinem ganzen Leben (zumindest seit er fünf Jahre alt ist) noch nie so lange auf das Motorradfahren verzichten. Der Oberarmbruch, den er sich nach einer furiosen Aufholjagd beim Saisonauftakt in Jerez zugezogen hatte, entpuppte sich als die erste langwierige Verletzung, die den achtfachen Weltmeister von seiner Arbeit abhielt… Oder fast, denn 2011 war seine Karriere ernsthaft in Gefahr, als eine Gehirnerschütterung zu Sehstörungen führte, die durch einen mikrochirurgischen Eingriff korrigiert werden mussten.

Dieses Mal waren gleich drei Operationen nötig – die zweite nur eine Woche nach dem überhasteten Comeback-Versuch in Jerez, die dritte Anfang Dezember, als eine Infektion als Ursache für den langsamen Heilungsprozess ausgemacht wurde.

Der Schuljungen-Look war natürlich immer schon trügerisch. Schon in seinen unschuldigen 125er-Tagen war er ein schonungsloser Killer. Márquez der Gnadenlose… Ein lächelnder Löwenjunge.

Genauso wir Rossi immer mit seinem Charm glänzt und die Fans weit über seine Fahrkünste hinaus begeistert. Wie ein Reality-TV-Star, der auf der Welle des Erfolgs reitet und Bewunderer von Nah und Fern anzieht. Die wenigsten davon wissen oder kümmern sich darum, was für ein brutaler Gegner er für alle anderen Rennfahrer war. Rossi machte nie halbe Sachen.

Aber wer will es schon anders? Das ist der Stoff, aus dem in einem intensiven und risikoreichen Sport wie der Motorrad-WM ein großer Champion gemacht ist.

Niall Mackenzie war der erfolgreichste britische Fahrer während der 35 Jahre langen Durststrecke zwischen den GP-Siegen von Barry Sheene und Cal Crutchlow. Vor ein paar Jahren erzählte er mir: «Wenn ich zurückblicke, dann glaube ich, dass ich einfach zu nett zu den anderen Fahrern war.» Niall holte sieben Podestplätze, aber keinen Sieg.

Marc – die Schulter etwas weniger stramm, der rechte Arm etwas schmächtiger (oder war es nur ein Eindruck?) – war bei der digitalen Repsol-Honda-Teampräsentation offen genug: Er kündigte an, dass er zwar kontinuierlich Fortschritte mache, bei den Katar-Tests im März aber fehlen würde.

Mit der Zielsetzung hielt sich der 82-fache GP-Sieger dagegen zurück: «Ich will es auf dem Motorrad einfach wieder genießen. Man kann nicht erwarten, nach fast einem Jahr Pause aufzusteigen und der alte Marc zu sein.»

Das sorgt vielleicht doch für ein bisschen Erleichterung beim Rest des MotoGP-Feldes, das auf ein Jahr zurückblickt, in denen gleich neun von ihnen mindestens einen Grand Prix für sich entscheiden konnten – eine Seltenheit, wenn Marc in Form ist.

Sie werden zumindest in der ersten Hälfte der Saison weiterkämpfen können. Das ist speziell für Marcs Markenkollegen interessant, die den Druck ihres Arbeitgebers spüren werden. Neuzugang Pol Espargaró und die Kundenteam-Fahrer Taka Nakagami und Alex Márquez müssen ihre Chance suchen, um die Durststrecke von Honda zu beenden.

Den bisher letzten MotoGP-Sieg für den größten Motorradhersteller der Welt fixierte Marc Márquez beim Saisonfinale 2019. So war 2020 das erste Jahr seit 1981, in dem Honda in der «premier class» am Start stand und kein einziges Rennen gewann.

Eine Fußnote aus gegebenem Anlass: Der Tod des ehemaligen GP-Fahrers und Teambesitzers Fausto Gresini, der am Dienstag im Alter von nur 60 Jahren den Kampf gegen die Folgen einer Covid-19-Infektion verlor, rief im gesamten Paddock große Trauer und viele Erinnerungen hervor.

Als zweifacher 125er-Weltmeister und 21-facher GP-Sieger startete der Italiener eine überaus erfolgreiche Karriere als Teamchef – in allen drei Klassen und sogar im MotoE-Weltcup, wo er 2019 mit Matteo Ferrari den ersten Gesamtsieger stellte. Gresini Racing gewann auch Titel in den Klassen Moto3 (Jorge Martin 2018), 250 ccm (Daijiro Kato 2001) und Moto2 (Toni Elias 2010) – und MotoGP-Rennen mit Sete Gibernau und Marco Melandri. Gresini erlebte allerdings auch Tragödien, als seine Fahrer Kato und Marco Simoncelli nach fatalen Stürzen ihr Leben verloren.

Ich bin überzeugt, dass die Leser Nachsicht üben und mit einstimmen, wenn ich mein aufrichtiges Beileid ausspreche für einen Mann, der für mich immer ein wahrer Gentleman des Rennsports war.

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