Marc Márquez: Zerstört er jetzt seine Legende?
Im Winter gingen die gegnerischen Teams und MotoGP-Experten noch davon aus, dass Marc Márquez frühestens in Jerez am 2. Mai in die WM zurückkehren werde. Denn nach drei Oberarm-Operationen, zwei Knochentransplantationen, einer Infektion und einem Wechsel des Ärzteteams durfte man mit keiner weiteren überstürzten Comeback-Aktion rechnen.
Aber die Genesung machte hurtig Fortschritte, im März durfte Marc erstmals wieder mit einem richtigen Motorrad fahren. Er testete mit der straßentauglichen Honda RC213V-S (220 PS, Kostenpunkt 175.000 Euro) in Barcelona und in Portimão. Doch die Rückkehr für Katar musste er sich trotzdem aus dem Kopf schlagen. Trotzdem flog Marc zweimal nach Doha – um sich gegen Covid-19 impfen zu lassen.
Auf Marc Márquez, den MotoGP-Weltmeister von 2013, 2014, 2016, 2017, 2018 und 2019 und 56-fachen MotoGP-Sieger, wartet in Portugal eine Riesenherausforderung. Am Freitag wird er erstmals seit dem 25. Juli auf einer MotoGP-Maschine sitzen, noch dazu auf dem anspruchsvollen Berg- und Talkurs in der Algarve mit seinen vielen blinden Kurven. Und Marc hat angekündigt, er werde erst wieder auf die GP-Piste zurückkehren, wenn er so fahren kann, wie es die Fans von ihm gewohnt sind.
Aber er wird viel weniger Selbstvertrauen haben als früher, seine Gegner sind gewachsen, die Konkurrenz ist noch mächtiger und noch stärker geworden – von Suzuki über Yamaha bis zu Ducati. Sogar mit Aprilia und KTM wird er sich herumschlagen müssen, denn KTM hat den Portugal-GP im November mit Miguel Oliveira dominiert. Und Aprilia hat 2021 schon zwei Top-8-Ergebnisse erobert.
Bei Honda wird damit gerechnet, dass Zauberlehrling Marc Márquez nichts von seiner Fahrkunst, seinem Siegeswillen und seiner Fahrzeugbeherrschung verloren hat. Aber neun Monate sind eine lange Zeit. Die jungen Löwen von Quarataro über Mir bis zu Morbidelli, Bagnaia, Binder, Oliveira und Jorge Martin sowie die Routiniers Miller, Zarco und Viñales werden ihm gehörig und respektlos einheizen und alles unternehmen, um die langjährige Nummer 1 vom Podest zu stürzen.
Seit Brünn 2020: 14 GP-Einsätze für Stefan Bradl
Stefan Bradl (31) musste schon vor dem Katar-GP um seine Rennteilnahme auf dem Losail International Circuit zittern. Denn HRC hatte ihm zuerst nur die Testfahrten (geplant waren zweimal drei Tage, der letzte fiel jedoch einem Sandsturm zum Opfer) im Repsol-Honda-Team als Marc-Márquez-Ersatz fix zugesagt.
Stefan Bradl hat jetzt bei den letzten acht Rennen sieben Mal gepunktet und bedauert natürlich, dass er ausgerechnet in Portimão, wo er am 22. November mit Platz 7 glänzte (sein bestes GP-Ergebnis seit 2014) nicht mit von der Partie sein kann.
«Aber ich bin Test- und Ersatzfahrer und habe immer gewusst, dass Marc bald zurückkehren wird. Er hat es ja schon versucht, für das erste und das zweite Katar-Rennen», sagt Bradl. «Honda braucht Marc. Das Team, die Honda-Ingenieure und wir alle sind neugierig auf sein Urteil über die Konkurrenzfähigkeit des aktuellem Motorrads.»
Zur Erinnerung: Alex Márquez gelangen als Rookie im Herbst zwei zweite Plätze, und Takaaki Nakagami ging beim Teruel-GP (das war das zweite Aragón-Weekend) sogar von der Pole-Position als Favorit ins Rennen. Er stürzte aber gleich nach dem Start.
Die Situation für Honda (Alex Márquez, Nakagami) sieht momentan nicht gerade rosig aus: LCR-Honda hat bisher keinen Punkt ergattert. Das Fahrer-Quartett hat bei den ersten zwei Rennen nur einen Top-Ten-Platz erreicht – dank Pol Espargaró mit Platz 8 am 28. März. Er liegt in der Fahrer-WM nur an zehnter Stelle. In der Konstrukteurs-WM hält sich Honda ex-aequo mit KTM mit je 11 Punkten auf dem sechsten und letzten Platz. Auch Platz 5 in der Team-WM entspricht bei Repsol-Honda keineswegs den Erwartungen.
Losail: Schwieriges Pflaster für Honda
Aber die Piste in Losail machte den Honda-Piloten schon in der Vergangenheit immer Kopfzerbrechen. «Eine Stärke der Honda ist die Bremsstabilität. Die kann man aber auf der flüssigen Piste in Doha nicht nutzen», stellte Stefan Bradl fest. Diese Tatsache machte übrigens auch KTM zu schaffen.
«Wir leiden immer noch daran, dass es uns schwer fällt, im Quali eine wirklich heiße Runde hinzulegen. Dieses Problem hat uns schon beim Katar-GP am 28. März hier geplagt», bestätigte Stefan Bradl am Wochenende.
Der Bayer stellte aber auch fest: «Wir haben die Daten intensiv angeschaut und überlegt, wie wir den Hinterradgrip verbessern können, damit wir das Potenzial des Hinterreifens besser ausnutzen können, wenn er neu ist.»
Bradl fuhr dann am vorletzten Freitag (am 2. April) im FP2 auf Platz 10; dieses Ergebnis verschaffte ihm den direkten Einzug ins Q2. Dort sicherte er sich den elften Startplatz, eine Woche vorher fuhr er noch von Platz 17 los.
«Ich hatte im FP1 beim Doha-GP Glück, dass ich diese 1:53,914-min-Runde gefahren bin. Die Fahrer hinter mir waren nur Sekundenbruchteile langsamer. Aber der zehnte Platz war sehr wichtig sein für das Q2, weil bei der Hitze im FP3 am Samstag keine besseren Zeiten möglich waren. Wir haben am zweiten GP-Weekend einen klaren Fortschritt gegenüber der Vorwoche gemacht und unsere Rundenzeit klar verbessert. Denn am ersten Freitag war ich im FP2 nur an 18. Stelle, mit einem Rückstand von 1,247 Sekunden. Erst im Qualifying bin ich dann 1:53,995 min gefahren. Wir haben Änderungen gemacht am Motorrad, aber keine radikalen.»
Repsol-Honda-Neuzugang Pol Espargaró wirkte in Abwesenheit von Superstar Márquez bei den ersten beiden Grand Prix im Mittleren Osten als ungewohnter HRC-Teamleader teilweise ratlos und nervös, denn bei diesem Nacht-GP standen jeweils praktisch nur zwei Trainings unter Rennbedingungen statt. Das FP2 und das Qualifying.
«Es ist schwierig, die Ruhe zu bewahren, wenn du so weiter hinten bist und an so einem Rennwochenende jeder probiert, der Schnellste zu sein. Wir sind Rennfahrer. Und kein Mensch auf der Welt pusht mich so stark, wie ich mich selber unter Druck setze», schilderte Pol, der für KTM 2020 zwei Pole-Positions und fünf dritte Plätze sowie den fünften WM-Endrang erkämpft hat. «Ich weiß, manchmal werde ich zu stark frustriert. Dann überreagiere ich – wie am Freitag und Samstag. Es ist mühsam zu verstehen, warum sich die Situation dauernd von einer Session zur andern so stark verändert hat. Für mich ist schwer zu sagen, das ist das Standard-Bike oder das ist der Standard-Grip. Ich suche einen Basispunkt, von dem aus wir arbeiten können. Bei den Tests Anfang März ist mir alles leicht gefallen. Wir hatten eine gute Basis, ein brauchbares Standard-Bike, wir haben vier Tage lang nur Kleinigkeiten am Set-up verändert und die Reifen gewechselt. Alles hat funktioniert, auch die Reifen. Es war alles easy. Aber jetzt haben wir keinen Ausgangspunkt für das Motorrad mehr. Wir haben dauernd schwankende Leistungen… Mein Crew-Chief Ramon Aurín und Takeo, der Technical Director, alle bemühen sich enorm. Alle wollen das Bike besser machen. Aber ich weiß nicht, wie wir eine Lösung finden. Deshalb fühlte ich mich in Doha verloren. Klar, als Fahrer kann ich schneller sein, aber nur um ein paar Zehntel in einer perfekten Runde. Aber was ist das schon? Mir fehlten 1,3 Sekunden! Wir waren meilenweit von den Toppiloten entfernt. Unsere Rückstände sind zu groß.»
Stefan Bradl wird ab Montag in Jerez mit dem HRC Test Team testen, auch Andrea Dovizioso wird mit der Aprilia RS-GP 21 gemeinsam mit ihm auf der Piste sein. «Wenn wir nach Europa zurückkommen, werden wir sehen, wie es mit der Konkurrenzfähigkeit der Honda bei den kommenden Grand Prix aussieht. Die Saison wird im April einen Re-start vollziehen, alles geht von vorne los. Wir rechnen damit, dass wir auf den europäischen Pisten weiter nach vorne fahren können. Man darf nicht vergessen, dass auch der Katar-GP kein Desaster für uns war, denn wir haben beim Doha-GP gestern nur 6,4 sec auf den Sieger verloren. Davon hat allein mein Fehler am Start schon 2 sec gekostet. Es hat sich also wieder gezeigt, dass wir im Rennspeed gut mithalten können. Das haben wir auch beim ersten Rennen in Doha bewiesen. Ich glaube, unsere Situation ist nicht so schlecht, wie sie im Moment bei einem Blick auf die Tabelle aussieht.»
Spätestens am Nachmittag des 18. April wird die Wahrheit in Portimão ans Tageslicht kommen. Marc Márquez hat die Latte sehr hoch gelegt. 2019 hat er zwölf von 19 Rennen gewonnen, sechsmal Platz 2 erkämpft und die WM mit 51 Punkten Vorsprung gewonnen.
Die Gegner sahen ihn damals nur von hinten.
Márquez hat bei Honda einen Vertrag bis Ende 2024, es geht um eine Gage 15 bis 20 Millionen im Jahr.
Bisher war der 28-jährige Spanier immer jeden Cent wert.
Jetzt sind wir gespannt auf die Phase 2 dieser einzigartigen Karriere.
Ergebnisse MotoGP-Rennen Katar, 4. April 2021:
1. Fabio Quartararo, Yamaha, 42:23,997 min
2. Johann Zarco, Ducati, +1,457 sec
3. Jorge Martin, Ducati, +1,500
4. Alex Rins, Suzuki, +2,088
5. Maverick Viñales, Yamaha, +2,110
6. Pecco Bagnaia, Ducati, +2,642
7. Joan Mir, Suzuki, +4,868
8. Brad Binder, KTM, +4,979
9. Jack Miller, Ducati, +5,365
10. Aleix Espargaró, Aprilia, +5,382
11. Enea Bastianini, Ducati, +5,550
12. Franco Morbidelli, Yamaha, +5,787
13. Pol Espargaró, Honda, +6,063
14. Stefan Bradl, Honda, +6,453
15. Miguel Oliveira, KTM, +8,928
16. Valentino Rossi, Yamaha, +14,246
17. Takaaki Nakagami, Honda, +16,241
18. Luca Marini, Ducati, +16,472
19. Danilo Petrucci, KTM, +16,779
20. Lorenzo Savadori, Aprilia, +38,775
– Alex Márquez, Honda, 10 Runden zurück
– Iker Lecuona, KTM, 10 Runden zurück
Stand Fahrer-WM nach 2 von 19 Rennen:
1. Zarco, 40 Punkte. 2. Quartararo 36. 3. Viñales 36. 4. Bagnaia 26. 5. Rins 23. 6. Mir 22. 7. Martin 17. 8. Aleix Espargaró 15. 9. Miller 14. 10. Pol Espargaró 11. 11. Bastianini 11. 12. Binder 10. 13. Bradl 7. 14. Rossi 4. 15. Morbidelli 4. 16. Oliveira 4. 17. Marini 0. 18. Lecuona 0. 19. Nakagami 0. 20. Savadori 0. 21. Petrucci 0.
Stand Marken-WM:
1. Yamaha, 50 Punkte. 2. Ducati 40. 3. Suzuki 26. 4. Aprilia 15. 5. KTM 11. 6. Honda 11.
Stand Team-WM:
1. Monster Energy Yamaha, 72 Punkte. 2. Pramac Ducati 57. 3. Suzuki Ecstar 45. 4. Ducati Lenovo 40. 5. Repsol Honda 18. 6. Aprilia Gresini 15. 7. Red Bull KTM 14. 8. Esponsorama Ducati 11. 9. Petronas Yamaha SRT 8.