Gresini Racing: MotoGP-Zukunft noch ungewiss
Für Gresini Racing werden die Verhandlungen von Carlo Merlini geführt, dem langjährigen Commercial Director und Marketing-Chef des Teams. Gresini Racing muss aber 10 Millionen Budget für die MotoGP-WM 2022 finden. Als Fahrer ist bereits Moto2-Pilot Fabio Di Giannantonio unter Vertrag.
Gresini hat von Aprilia eine kostengünstige Offerte bekommen, aber offenbar steht außer Aprilia nur Ducati zur Diskussion. Die Firma aus Borgo Panigale hätte jedoch mit Rossi den zahlungskräftigeren Partner mit den vielversprechenderen Fahrern.
Inzwischen ist klar: Nadia Gresini, die Witwe des am 23. Februar mit 60 Jahren an Covid verstorbenen Fausto Gresini, und ihr 23-jähriger Sohn Lorenzo wollen das kostspielige MotoGP-Team nicht unter allen Umständen fortführen.
Die Familie Gresini hat im Jahr 2014 hautnah miterlebt, wie Hauptsponsor Go & Fun trotz gültiger Verträge ausgestiegen ist und der 125-ccm-Weltmeister von 1985 und 1987 seinen Rennstall in der Königsklasse aus heiterem Himmel nicht mehr selbstständig weiterführen konnte. Fausto musste dann die Pläne für seinen eigenen Honda-MotoGP-Rennstall nach 17 Jahren und vielen Erfolgen (dreimal Vizeweltmeister mit Sete Gibernau und Marco Melandri von 2004 bis 2006) begraben. Auch die Zusammenarbeit mit Marco Simoncelli bleibt unvergessen.
Gresini ging nach der Trennung von Honda für 2015 ein Joint Venture mit Aprilia ein. Es geht nach dieser Saison zu Ende. Aber er beklagte sich immer wieder über diese Zusammenarbeit, weil ihn die Aprilia-Verantwortlichen in erster Linie als Logistik-Dienstleister betrachteten und auf seine Expertise wenig Wert legten, obwohl Gresini Racing in den Klassen Moto3, Moto2 und MotoE immer wieder großartige Erfolge erntete. Und ohne die beiden Teamplätze von Gresini hätte Aprilia 2015 nicht kurzfristig in die MotoGP-Klasse zurückkehren können.
Gresini gewann die 250er-WM 2001 mit Daijiro Kato, die Moto2-WM 2010 mit Toni Elias, die Moto3-WM 2018 mit Jorge Martin und den MotoE-Weltcup 2019 mit Matteo Ferrari.
Fausto Gresini hat mit seinen 60 Jahren bei Gresini Racing alle wichtigen Entscheidungen selbst getroffen. Der geschäftstüchtige Merlini hat sich erfolgreich um die Sponsorensuche gekümmert.
Beim Portugal-GP war zu hören, dass sich Nadia Gresini und Carlo Merlini bisher nicht fest entschlossen haben, den neuen Fünf-Jahres-Vertrag für die MotoGP-Klasse mit der Dorna zu erfüllen. Sie wollen sich diese weitreichende Entscheidung gründlich überlegen.
Doch die Zeit drängt.
Gresini Racing verhandelt mit einem Sponsor aus Indonesien, aber bisher existiert keine verbindliche Zusage. Die Möglichkeit, sich künftig auf die Klassen Moto3, Moto2 und MotoE zu beschränken, wird bei Gresini nicht außer Acht gelassen. Denn dort wird nur ein Bruchteil des MotoGP-Budgets benötigt, und die Erfolgsaussichten sind wesentlich höher.
Vertragspartner Dorna setzt die Gresini-Familie nicht unter Druck.
Denn selbst wenn sich Gresini Racing aus der MotoGP-WM zurückziehen sollte, bleiben wie in den letzten Jahren elf Teams mit 22 Fahrern erhalten.
Denn Aprilia Racing bekommt für 2022 bis 2026 erstmals zwei eigene Startplätze.
Ende 2018 hat sich Marc VDS nach dem Skandal um Teammanager Bartholemy aus der «premier class» zurückgezogen, und Jorge Martinez hat damals gleichzeitig seine beiden MotoGP-Plätze an Petronas-Yamaha übertragen.
An den beiden MotoGP-Slots von Esponsorama Racing war im Vorjahr auch Leopard Racing interessiert. Da die Dorna die Zuschüsse an die MotoGP-Teams für 2022 erhöht, auch weil die maximale Anzahl der möglichen Rennen von 20 auf 22 erhöht wird, könnte die Gresini-Familie die beiden kostbaren MotoGP-Plätze auch einem Rennstall aus der Moto2-WM oder Superbike-WM überlassen.
Üblicherweise erlaubt Dorna-CEO Carmelo Ezpeleta keinen Verkauf von Teamplätzen. «Wir haben sie kostenlos vergeben. Und wenn sie nicht mehr finanziert werden können, fallen sie zurück an die Dorna», hat Ezpeleta immer wieder festgehalten.
Das war in den letzten Jahren auch bei Marc VDS der Fall, vorher bei Paul Bird Motorsport, bei Forward, bei AB Motoracing und bei IodaRacing.
Beim verdienstvollen Jorge Martinez wurde vor drei Jahren ein Auge zugedrückt. Er bekam für seine beiden Teamplätze von Petronas-Team immerhin einen gut dotierten Berater-Vertrag; er hatte in der MotoGP-WM bereits genug Geld verloren.
Wer Carmelo Ezpeleta kennt, kann sich ausmalen: Bei der leidgeprüften Familie Gresini würde der Spanier einer ähnlich kreativen Lösung aus vollem Herzen zustimmen, wenn der neue Vertragspartner die nötige Finanzkraft nachweisen kann.