Marc Márquez (Honda/1.): «Mein Tank ist wieder voll»
In den letzten elf Monaten hat Marc Márquez mit Sicherheit oft gezweifelt, ob er jemals wieder ein MotoGP-Podest betreten wird. Er musste sich nach dem Jerez-Crash vom 19. Juli 2020 drei Oberarm-Operationen unterziehen, zwei Knochen-Transplantationen. Er verpasste 13 von 14 Rennen im Vorjahr und die ersten zwei Grand Prix in Katar in dieser Saison. Er kassierte dann bisher nur 16 Punkte ein (Siebter in Portimão, Neunter in Jerez), denn in Le Mans, Mugello und Montmeló schmiss er die Honda in den Rennen jeweils weg. Der achtfache Weltmeister hatte schon vor dem Comeback angekündigt: «Ich fahre erst wieder, wenn ich so aggressiv agieren kann wie vor meiner Verletzung.»
Acht MotoGP-Rennen hat Marc jetzt seit 2013 in Sachsen gewonnen. Von 2010 bis 2012 siegte Dani Pedrosa beim GP von Deutschland in der Königsklasse, es war also der elfte Honda-Sieg in Serie. Yamaha hat zuletzt hier 2009 mit Valentino Rossi gewonnen, Ducati 2008 mit Casey Stoner.
Nach der Siegerehrung hatte sich Marc Márquez bei den Interviews schon wieder besser in der Gewalt als im Parc Fermé. Aber es war ihm anzusehen, dass ihm bei der Zieldurchfahrt ein kleiner Felsbrocken der Erleichterung vom Herzen gefallen war. Und er machte auch kein Geheimnis daraus.
Für viele #93-Fans war das die stärkste Performance seiner Laufbahn. Denn er hatte schon im Training erzählt, dass ihm sei eineinhalb Jahren die Erfolgserlebnisse fehlen, die den Treibstoff und die Motivation für neue Höchstleistungen liefern.
«Ich kann gar nicht beschreiben, was ich bei der Zieldurchfahrt gefühlt habe. Als ich dann beim Parc Fermé meine Mannschaft getroffen habe, wurde es ganz weinerlich, denn es war jeder Einzelne emotional völlig aufgewühlt», schilderte Marc. «Dieser Sieg bedeutet mir unheimlich viel und wird mir bei den nächsten Rennen noch mehr helfen. Denn ich habe wirklich schwierige Monate hinter mir. Aber ich hätte diese schwierige Situation nie allein meistern können. Du brauchst ein gutes Team von Ärzten, ein gutes Team von Physiotherapeuten. Dazu hat mir Honda immer viel Respekt entgegengebracht, sie haben zu jeder Zeit Verständnis gezeigt. Unser Teamchef Alberto Puig, mein Manager Emilio Alzamora, meine Familie, mein Bruder, sie alle haben mir immens geholfen und mich großartig unterstützt. Wir haben alle unbarmherzig geschuftet, um wieder an die Spitze zu kommen. Und wir machen uns nichts vor. Bei den nächsten Rennen werden wir wieder in der Realität ankommen und mit unserer wahren Situation konfrontiert werden. Aber jetzt ist es Zeit, diesen Erfolg auszukosten und dieses Weekend zu genießen. Wir waren in einem tiefen Tal, und wir haben eine Tankstelle gesucht», lachte Márquez.
«Wir brauchten eine Zapfsäule, an der wir uns frische Energie einfüllen konnten. Jetzt ist mein Tank wieder voll. Dieser heutige Triumph bedeutet eine zusätzliche Motivation für unsere Ingenieure, für die anderen Fahrer von Honda. Wir werden sehen, was die nahe Zukunft bringt. Ich war heute während des Rennens wie in einem Tunnel, wie in Trance. Ich habe vergessen, wo ich mich befand. Ich habe alles ausgeblendet, ich bin nur gefahren. Und als ich die Ziellinie überquert habe, hat mich ein sehr schönes Gefühl übermannt.»
Kein Wunder: Denn als Superman Marc Márquez in Portugal Mitte April in die WM zurückkehrte, trauten ihm die Honda-Manager, die Gegner und die Fans auf Anhieb Podestplätze zu.
Es kamen dann aber nur 16 Punkte in fünf Rennen zum Vorschein. Heute gesellten sich 25 dazu.
In den Internet-Foren und in vielen Medien wurde Marc abgeschrieben und verspottet. Auch deshalb, weil ein Superstar und ehemaliger Seriensieger (Marc begann die Saison 2014 mit zehn Siegen hintereinander!) mit 20 Millionen Euro Jahresgage einfach nicht hinterher fahren darf.
Jetzt ist der Bann gebrochen.
Natürlich hat die gegen den Uhrzeigersinn geführte Strecke in Hohenstein-Ernstthal den fehlerlosen Auftritt für Marc Márquez heute etwas erleichtert. Er hat 27 von 57 MotoGP-Siegen auf Linkskursen erzielt – wie Laguna Seca, COTA in Austin, Phillip Island, Aragón, Misano, Sachsenring und Valencia.
Aber auch der Triumph auf dem winkeligen 3,6-km-Linkskurs in Sachsen ging trotzdem mit rechten Dingen zu.
Denn Marc hatte zwar zuerst im Trockenen Mühe, Aleix Espargaró in Schach zu halten. Doch als es nach acht Runden zu tröpfeln begann, raste er mit unverminderter Geschwindigkeit und Rundenzeiten von 1:22,5 min unbeeindruckt weiter.
«Unser Bike hat sowieso keine Traktion. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob der Belag nass oder trocken ist», fand der Serien-Weltmeister seinen Humor wieder.
Ergebnisse MotoGP Sachsenring/D:
1. Marc Márquez (E), Honda, 30 Runden in 41:07,243 min
2. Miguel Oliveira (P), KTM, +1,610 sec
3. Fabio Quartararo (F), Yamaha, +6,772
4. Brad Binder (ZA), KTM, +7,922
5. Pecco Bagnaia (I), Ducati, +8,591
6. Jack Miller (AUS), Ducati, +9,096
7. Aleix Espargaró (E), Aprilia, +9,371
8. Johann Zarco (F), Ducati, +11,439
9. Joan Mir (E), Suzuki, +11,625
10. Pol Espargaró (E), Honda, +14,769
11. Alex Rins (E), Suzuki, +16,803
12. Jorge Martin (E), Ducati, +16,915
13. Takaaki Nakagami (J), Honda, +19,217
14. Valentino Rossi (I), Yamaha, +22,300
15. Luca Marini (I), Ducati, +23,615
16. Enea Bastianini (I), Ducati, +23,738
17. Iker Lecuona (E), KTM, +23,946
18. Franco Morbidelli (I), Yamaha, +24,414
19. Maverick Vinales (E), Yamaha, +24,715
– Lorenzo Savadori (I), Aprilia, 25 Runden zurück
– Danilo Petrucci (I), KTM, 26 Runden zurück
– Alex Márquez (E), Honda, 26 Runden zurück
Stand Fahrer-WM nach 8 Rennen von 19 Rennen:
1. Quartararo, 131 Punkte. 2. Zarco 109. 3. Miller 100. 4. Bagnaia 99. 5. Mir 85. 6. Viñales 75. 7. Oliveira 74. 8. Binder 56. 9. Aleix Espargaró 53. 10. Marc Márquez 41. 11. Morbidelli 40. 12. Pol Espargaró 35. 13. Nakagami 34. 14. Rins 28. 15. Bastianini 26. 16. Alex Márquez 25. 17. Martin 23. 18. Petrucci 23. 19. Rossi 17. 20. Marini 14. 21. Lecuona 13. 22. Bradl 11. 23. Savadori 4. 24. Pirro 3. 25. Rabat 1.
Stand Konstrukteurs-WM:
1. Yamaha, 159 Punkte. 2. Ducati 154. 3. KTM 103. 4. Suzuki 89. 5. Honda 77. 6. Aprilia 54.
Stand Team-WM:
1. Monster Energy Yamaha, 206 Punkte. 2. Ducati Lenovo 199. 3. Pramac Racing 136. 4. Red Bull KTM Factory Racing 130. 5. Suzuki Ecstar 113. 6. Repsol Honda 83. 7. LCR Honda 59. 8. Petronas Yamaha SRT 57. 9. Aprilia Racing Team Gresini 57. 10. Esponsorama Racing Ducati 40. 11. Tech3 KTM Factory Racing 36.