Foul Marc Márquez gegen Martin: Warum keine Strafe?
Erste Runde, Kurve 9: Marc Márquez bringt seinen Landsmann Jorge Martin zu Fall
Als Marc Márquez nach der Saison 2012 als neuer Moto2-Weltmeister und mit einem gehörigen Sündenregister wegen gefährlicher Fahrweise im Gepäck in die MotoGP-Klasse aufstieg, erkundigte ich mich bei Dorna-CEO Carmelo Ezpeleta, was passieren würde, falls der ungestüme Spanier auch in der Königsklasse so rücksichtslos agieren werde wie in der Moto2-WM. «Dann bekommt er einen Penalty, einen weiteren Penalty und noch einen Penalty», versicherte der MotoGP-Zirkusdirektor.
Zur Erinnerung: Marc Márquez hatte 2011 in der Moto2 in Phillip Island/Australien nach dem FP1 in der Auslaufrunde den Thailänder Rattapark Wilairot von hinten mit ca. 160 km/h gerammt und ihm Verletzungen zugefügt. Márquez musste dann vom letzten Startplatz losfahren – und landete trotzdem auf Rang 3 hinter De Angelis und Bradl.
2012 legte sich Márquez in einem freien Training völlig überflüssig beim WM-Finale in Valencia mit Mika Kallio an. Race Direcetor Mike Webb verbannte ihn auf den letzten Startplatz, der schnelle Spanier gewann das Rennen im Regen trotzdem.
Genie und Wahnsinn liegen bei Marc Márquez, der sechs MotoGP-Titel und 57 Rennen in der «premier class» gewonnen hat, nah beieinander.
In seiner MotoGP-Debütsaison rammte Marc zum Beispiel seinen Repsol-Honda-Teamkollegen Dani Pedrosa in Aragón. Er demolierte den Sensor für die Traction Control. Dani flog in hohem Bogen ab.
Im selben Jahr mussten die Fahrer auf Phillip Island/Australien mit den Bridgestone-Reifen wahlweise spätestens nach 9 oder 10 Runden zum «bike change» an die Box kommen, weil der neue Fahrbahnbelag den Reifen so stark zusetzte, dass sie keine ganze Renndistanz von 27 Runden durchhielten. Außerdem wurde das Rennen auf insgesamt 19 Runden verkürzt.
Marc Márquez fuhr so verbissen durch die Gegend, dass er als einziger Teilnehmer das Zeitfenster zum Pflicht-Stopp verpasste. Dass dieser Fauxpas die sofortige Disqualifikation mit der schwarzen Flagge zur Folge haben, war in der Hitze des Gefechts offenbar nicht bis zu ihm vorgedrungen.
Sieger Jorge Lorenzo rückte dem WM-Leader Marc Márquez durch dieses Black-out in der WM bedrohlich nahe.
Unvergessen bleibt der Argentinien-GP in Termas de Río Hondo 2018. Marc Márquez würgte dort am Grid den Motor ab, brachte ihn dann wieder in Gang und rollte nachher am Startplatz gegen die Fahrtrichtung, wofür eigentlich schon eine Disqualifikation fällig gewesen wäre.
Aber da profitierte #93 wohl von seinem Superstar-Status.
Marc Márquez stürmte aber in Las Termas 2018 nach der Verbannung auf den letzten Startplatz blindwütig und von allen guten Geistern verlassen um die Piste. Er rammte einen Fahrer nach dem andern, sodass er für seine irrwitzigen Manöver rekordverdächtige drei Penaltys ausfasste! Zuerst den Grid-Penalty, dann eine Durchfahrtstrafe und am Ende bekam er noch 30 Strafsekunden aufgebrummt.
Warum der Honda-Star mit dem nur mangelhaft ausgeprägten Selbsterhaltungstrieb am letzten Sonntag in Silverstone für seine zwei Rammstöße in der ersten Runde gegen Jorge Martin bisher straffrei ausging, ist unerklärlich.
Ein achtfacher Weltmeister sollte sich bewusst sein, dass man ein Rennen nicht in den ersten neun Kurven gewinnt. Und wozu gibt es Strafen wegen unverantwortlicher Fahrweise, wenn in diesem Fall kein Penalty (Long lap- oder Grid-Penalty) verhängt wird?
Theoretisch könnten die FIM MotoGP-Stewards die Strafe auch noch am kommenden Donnerstag in Aragón verordnen. Aber sie haben das Thema bereits in England abgehakt.
Immerhin hat sich Marc diesmal einsichtig gezeigt und sich in England hinterher bei Jorge Martin entschuldigt.
In Las Termas 2018 war sich Márquez keiner Schild bewusst. In Sepang 2015, als er nur im Sinn hatte, Rossi am Sieg zu hindern und er im Eifer ganz auf das Rennfahren vergass, denn er fuhr 1,5 sec langsamer als im Training und ließ Pedrosa vor Lorenzo gewinnen, mimte Marc auch das Unschuldslamm, obwohl er Rossi rundenlang provoziert hatte statt sich um den Sieg zu kümmern.
In Silverstone ist Jorge Martin (Pramac-Ducati) auf äußerst unsanfte Art und Weise durch Márquez aus dem Sattel katapultiert worden.
Passiert ist der Unfall zwischen Márquez und Martin in der Club-Corner-Passage mit der Schikane, unmittelbar vor der neuen Startgeraden, die seit einigen Jahren von der F1 genutzt wird. «Ihr könnt euch die Bilder ja anschauen», knurrte Martin.
Die beiden Spanier waren nebeneinander von den Startplätzen 4 und 5 losgefahren. «Ich habe mich super gefühlt», bestätigt der Moto3-Weltmeister von 2018. «Ich bin enttäuscht, ich hätte in diesem Rennen sicher um Platz 2 kämpfen können. Ich hatte definitiv die Pace, vielleicht sogar für den Sieg.»
Martin vermied es, nach dem Crash in Turn 9 den Namen von Übeltäter Marc Márquez in den Mund zu nehmen. «Ich konnte den Kontakt nicht vermeiden. Okay, er ist dann zu mir gekommen und hat sich entschuldigt. Das war gut so. Aber er hat leider mein Rennen zerstört. Er kann sein Rennen zerstören, aber nicht meines. Er dachte in der Situation, dass es genug Platz gibt, das war aber nicht der Fall.»
Auf die Frage, ob Márquez vom FIM MotoGP Stewards Panel für sein Manöver bestraft werden sollte, erwiderte Martin: «Es ist nicht mein Job, darüber zu entscheiden. Ich hoffe, dass die Rennleitung ihre Arbeit erledigt. Ich denke, er hätte auch überholen und dann eine engere Linie fahren können. Ich weiß nicht, warum er das Bike nochmals aufgerichtet hat. Er war schon innen, aber ich weiß nicht, warum er weit ging und mich somit rausgeworfen hat. Das verstehe ich nicht. Aber die Verhängung einer Strafe ist nicht mein Business.»