Gigi Dall’Igna: Was kann die neue Ducati GP22 besser?
Die Zielsetzung bei Ducati ist klar: Nach dem Team- und Konstrukteurs-Titel jagt der italienische Hersteller 2022 einmal mehr die lang ersehnte Fahrer-Krone, die bisher erst Casey Stoner 2007 nach Borgo Panigale holen konnte. Bei den ersten offiziellen Tests des Kalenderjahres waren die Ducati-Werksfahrer in der Zeitenliste zwar nicht ganz vorne zu finden, aber: «Der Fokus liegt beim ersten Test sicherlich nicht auf der Rundenzeit, sondern auf dem Job, den der Fahrer zu erledigen hat», hielt Gigi Dall’Igna fest.
«Am Samstag haben wir mit der Entwicklung des neuen Motorrads angefangen und ich bin recht zufrieden», hielt der Ducati-Rennchef nach dem zweitägigen IRTA-Test fest. «Es gibt einige Bereiche, an denen wir etwas arbeiten müssen. Am Sonntag haben wir etwas ausprobiert und hoffentlich etwas Gutes gefunden. Ich glaube, der Weg ist ziemlich klar. Der nächste Test wird sicherlich wichtig, weil es der letzte vor dem Saisonauftakt ist», verwies Dall’Igna auf die Testfahrten auf dem neuen Mandalika Street Circuit (11. bis 13. Februar).
Welches Hauptziel verfolgte Technikfuchs Dall’Igna in der Entwicklung der GP22 nach einer erfolgreichen Saison 2021 mit sieben GP-Siegen? «Natürlich waren wir insgesamt mit dem Verhalten des 2021er-Motorrads zufrieden, aber es gab sicherlich ein paar Punkte, wo es uns an Performance gefehlt hat, speziell in einigen Bereichen», schickte er voraus. «Wenn man sich die Rennen aus dem Vorjahr anschaut, dann ist ziemlich klar, dass wir zum Beispiel in Assen ein paar Performance-Probleme lösen mussten, vor allem in den Highspeed-Kurven und da speziell im Kurveneingang. Das ist einer der Bereiche, wo wir das Motorrad hauptsächlich entwickeln möchten.»
Grundsätzlich hielt Dall’Igna aber fest: «Es gibt nicht einen Bereich, der wichtiger als ein anderer ist. Man muss an einem Motorrad alle Aspekte entwickeln: Die Aerodynamik, das Chassis, Devices wie den Ride-Height-Adjuster, die sicherlich wichtig sind für die Bike-Performance – natürlich gilt das auch für den Motor und natürlich auch für die Elektronik… Und man muss bedenken, dass unterschiedliche Leute einen unterschiedlichen Job machen. Alle, nicht nur Ducati, werden auch künftig alle Bereiche am Motorrad entwickeln. Am Ende ist es wichtig, einen guten Kompromiss aus allen Bereichen zu finden. Das ist das Ziel aller Designer und Ingenieure, die ein Motorrad entwickeln.»
Ist die GP22 der bisher beste Kompromiss, der in Borgo Panigale gefunden wurde? «Absolut, denn ich hoffe, dass wir 2022 einige Verbesserungen einführen werden. Und natürlich ist dein jüngstes Bike immer das Beste, das du gerade bauen kannst», bestätigte Dall’Igna, der die Desmosedici bei der Teamvorstellung als Familienmitglied bezeichnete. «Sie ist wie eine Tochter, wie eine Kreatur, die sich jedes Jahr verbessert und weiterentwickelt. Ich habe eine besondere Verbindung zum Motorrad. Wenn sie einen Podestplatz holt oder gewinnt, dann bekommt sie von mir einen Kuss, wenn sie in die Box zurückkommt.»
Für Gesprächsstoff sorgte Ducati in Sepang vor allem mit einer überarbeiteten Holeshot-Vorrichtung an der Front, die offenbar auch während der Fahrt aktiviert werden kann – wie das bereits bekannte Ride-Height-Device zum Absenken des Hecks, das mittlerweile die gesamte Konkurrenz kopiert hat.
Dall’Igna gab sich auf Nachfrage erwartungsgemäß zugeknöpft. «Es ist schwierig, über technische Aspekte zu reden und zu erklären, warum wir etwas am Motorrad machen – zumindest bis zu dem Moment, an dem wir das exakt selbe an anderen Motorrädern sehen», schmunzelte der Italiener. «Aber natürlich entwickeln wir alles weiter. Das Ride-Height-Device ist noch ein ziemlich neues Tool, aber es ist ein Bereich, an dem jeder im Paddock hart gearbeitet hat, um Verbesserungen zu finden.»