Stefan Bradl: «Wir wissen jetzt, woran es hapert»
Honda-Testfahrer Stefan Bradl
Marc-Márquez-Ersatzmann Stefan Bradl testete in dieser Woche am Mittwoch und Donnerstag in Jerez – bei hochsommerlichen Temperaturen. Man muss kein Prophet sein, um zu erahnen, dass das Honda Test Team die Gelegenheit nutzte, um Maßnahmen zu erproben, die das Fahren mit der Honda RC213 bei extremer Hitze erträglicher machen.
Beim Deutschland-GP hatte sich der 32-jährige Bayer im Rennen bei 36 Grad Außentemperatur sogar Brandwunden am rechten Fuß zugezogen, weil an der Honda die Hitze nicht abgeleistet wird. Das Team von Pol Espargaró berichtete, an seiner Schwinge seien eine Stunde nach dem Training noch einen Oberflächen-Temperatur von 100 Grad gemessen worden. Honda heimste also in Sachsen seit mehr als 40 Jahren keinen WM-Punkt ein.
«Wir haben am Donnerstag Asphalttemperaturen von mehr als 60 Grad gehabt», schilderte Stefan Bradl im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Logischerweise hat sich deshalb angeboten, dass wir das Hitzeproblem angehen. Wir konnten in dieser Hinsicht schon etwas verbessern. Die Honda-Techniker hatten ein paar Ideen, wie man den Airflow intern verbessert. Denn es muss etwas passieren. Wir können in Spielberg, in Misano, in Aragón, dann in Buriram und Malaysia mit Sicherheit wieder mit extremer Hitze konfrontiert werden. Momentan ist es sogar in Donington bei der Superbike-WM sehr heiß. Klar, die Bedingungen auf dem Sachsenring waren außergewöhnlich. Trotzdem müssen wir uns für solche Verhältnissen wappnen. Das haben die Honda-Ingenieure auch eingesehen. Diese Message ist deutlich angekommen.»
Aber der Hitzestau bei hohen Temperaturen ist nicht die einzige Schwachstelle der 2022-Werks-Honda. Es fehlt der Speed über eine einzelne schnelle Runde (wie schon 2021), die Vorteile der neuen weichen Reifen können nicht optimal genutzt werden – und auch die Rennpace lässt zu wünschen übrig.
Deshalb hat Honda 2022 (Pol Espargaró auf Platz 3 in Doha) erst einen Podestplatz errungen. Sogar Aprilia, Suzuki und KTM haben schon zwei und mehr Podestplätze erobert, Aprilia und KTM sogar mit beiden Werksfahrern, Honda nur mit Pol Espargaró.
Bisher tappten die Honda-Ingenieure beim Versuch, die neue Werks-Honda zu einem Sieger-Motorrad zu formen, im Dunkeln. In Sachsen und Assen wurde klar: Die zielführende Richtung für die Weiterentwicklung ist noch nicht gefunden worden. In Assen steuerte Taka Nakagami die beste Honda auf Platz 12.
Pol Espargaró plädierte bisher dauernd und energisch für mehr Grip am Hinterrad, Marc Márquez sehnte sich hingegen nach mehr Feeling für das Vorderrad. Die ideale Balance zwischen diesen beiden Extremen wurde bei den ersten elf Grand Prix nie aufgespürt.
«Wir haben jetzt angefangen zu verstehen, warum wir bisher so schwach waren. Bei diesem Test in Jerez haben wir einen Anfang gemacht. Wir verstehen jetzt zumindest, wo wir den Hebel ansetzen müssen. Bis eine Lösung gefunden wird, wird es einige Zeit dauern. Das wird nicht im Handumdrehen gehen. Unser Problem wird nicht bis zum nächsten Grand Prix und auch nicht in den nächsten zwei Monaten gelöst werden. Aber wir wissen langsam, woran es hapert», versichert Bradl. «Es sind gravierende Teile im Chassis-Bereich, die verändert werden müssen. Es ist aber machbar. Ich glaube, dass wir da in dieser Saison noch Updates sehen werden. Es wird mit Sicherheit etwas auf die Strecke kommen, was zu einer deutlichen Veränderung führen wird. Wann das passieren wird, kann ich nicht sagen, denn das liegt nicht in meiner Hand. Aber wir sind den Problemen vor allem bei diesem Test näher auf die Schliche gekommen.»
Natürlich hoffen alle Honda-Fahrer, dass die Modifikationen noch im Oktober an die GP-Strecken kommen, um eine Basis für die 2023-Werksmaschinen finden zu können, eventuell sogar unter Mitwirkung von Marc Márquez, der auf eine Rückkehr Mitte September hofft, weil seien Genesung drei bis vier Monate in Anspruch nehmen soll.
«Ich kann mir vorstellen, dass es auch der Plan der Honda-Ingenieure ist, die neuen Komponenten noch bei den Rennen im Herbst bei den Grand Prix zu erproben», ergänzte Stefan Bradl. «Das wäre wünschenswert im Hinblick auf das nächstjährige Bike.»
MotoGP-Ergebnis, Assen (26. Juni):
1. Bagnaia, Ducati, 26 Rdn. in 40:25,205 min
2. Bezzecchi, Ducati, + 0,444 sec
3. Viñales, Aprilia, + 1,209
4. Aleix Espargaró, Aprilia, + 2,585
5. Brad Binder, KTM, + 2,721
6. Miller, Ducati, + 3,045
7. Martin, Ducati, + 4,340
8. Mir, Suzuki, + 8,185
9. Oliveira, KTM, + 8,325
10. Rins, Suzuki, + 8,596
11. Bastianini, Ducati, + 9,783
12. Nakagami, Honda, + 10,617
13. Zarco, Ducati, + 14,405
14. Di Giannantonio, Ducati, + 17,681
15. Alex Márquez, Honda, + 25,866
16. Dovizioso, Yamaha, + 29,711
17. Marini, Ducati, + 30,296
18. Bradl, Honda, + 32,225
19. Gardner, KTM, + 34,947
20. Savadori, Aprilia, + 35,798
– Fernández, KTM, 8 Runden zurück
– Quartararo, Yamaha, 15 Runden zurück
– Darryn Binder, Yamaha, 18 Runden zurück
– Morbidelli, Yamaha, 18 Runden zurück
MotoGP-Fahrer-WM nach 11 von 20 Grand Prix:
1. Quartararo 172 Punkte. 2. Aleix Espargaró 151. 3. Zarco 114. 4. Bagnaia 106. 5. Bastianini 105. 6. Brad Binder 93. 7. Miller 91. 8. Mir 77. 9. Rins 75. 10. Oliveira 71. 11. Martin 70. 12. Viñales 62. 13. Marc Márquez 60. 14. Bezzecchi 55. 15. Marini 52. 16. Nakagami 42. 17. Pol Espargaró 40. 18. Alex Márquez 27. 19. Morbidelli 25. 20. Di Giannantonio 18. 21. Darryn Binder 10. 22. Dovizioso 10. 23. Gardner 9. 24. Raúl Fernández 5.
Konstrukteurs-WM:
1. Ducati 246 Punkte. 2. Yamaha 172. 3. Aprilia 155. 4. KTM 121. 5. Suzuki 101. 6. Honda 85.
Team-WM:
1. Aprilia Racing 213 Punkte. 2. Monster Energy Yamaha 197. 3. Ducati Lenovo Team 197. 4. Prima Pramac Racing 184. 5. Red Bull KTM Factory 164. 6. Suzuki Ecstar 152. 7. Gresini Racing 123. 8. Mooney VR46 Racing 107. 9 Repsol Honda 100. 10. LCR Honda 69. 11. WithU Yamaha RNF 20. 12. Tech3 KTM Factory 14.