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Gigi Dall’Igna: «Verbot des Front Device ist unfair»

Von Günther Wiesinger
Ducati-Renndirektor Gigi Dall'Igna spricht im Exklusiv-Interview mit SPEEDWEEK.com über das angespannte Verhältnis zu den gegnerischen Werken und darüber, warum er gern die Grenzen der technischen Gesetze auslotet.

Gigi Dall’Igna hat mit seiner Ducati Corse-Mannschaft unbestritten das beste MotoGP-Rennmotorrad gebaut. Denn die Desmosedici hat in diesem Jahr bei elf MotoGP-Events schon acht Pole-Positions erreicht, es wurden drei Siege durch Pecco Bagnaia gefeiert und drei weitere durch Enea Bastianini auf der letztjährigen Desmosedici GP21. Dazu ist Ducati auf dem besten Weg, zum dritten Mal in Serie die Konstrukteurs-WM zu gewinnen.

Aber Ducati-Corse General-Manager Gigi Dall’Igna hat sich bei den gegnerischen Herstellern in den letzten dreieinhalb Jahren durch seine technischen Innovationen alles andere als beliebt gemacht. Das begann beim Katar-GP im März 2029 durch die Verwendung des umstrittenen Hinterradspoilers, gegen den Hinda, Suzuki, KTM und Aprilia protestierten, weil er als unerlaubtes aerodynamisches Hilfsmittel betrachtet wurde, das für Downforce am Hinterrad sorgt. Dall’Igna argumentierte, er diene nur der Kühlung des Hinterreifens – und kam damit durch.

Dach fand mehr als ein Jahr lang keine Sitzung des Hersteller-Bündnisses MSMSA mehr statt, die Vertreter der anderen Werke wirkten beleidigt.

Schon vorher hatte Ducati mit der Schnellstartvorrichtung eine Lücke im Reglement umgangen, später auch mit dem Real Ride Height Device und 2022 kam noch das Front Ride Height Device hinzu.

Diese mechanischen Systeme sollen helfen. Das Verbot der «electronic suspension» zu umgehen, sie senken das Bike beim Beschleunigen und Bremsen hinten oder vorne ab. KTM-Ingenieure Sebastien Rosse bezeichnete diese Systeme als «Steinzeit-Technologie».

Die Front Ride Height-Systeme wurden jetzt für 2023 verboten, alles andere bleibt zumindest bis Ende 2026 erlaubt.

Gigi Dall’Igna, der alte Fuchs, lässt sich durch die Anfeindungen der Gegner nicht irritieren. Er betrachtet es als seine Aufgabe, die technischen Vorschriften bis an ihre Grenzen auszunützen.
Der Italiener gab zu bedenken, dass es eines Tages vielleicht sogar auf Straßenmotorrädern Vorrichtungen geben könnte, bei denen die Sitzhöhe zum Beispiel vor Verkehrsampeln durch ähnliche Systeme verändert werden kann – für klein gewachsene Personen.

«Ja, warum nicht? Eines unserer Ziele ist es, neue Technologien für unsere Produktions-Motorräder zu entwickeln. Wir haben das in der Vergangenheit getan und werden es auch in Zukunft tun», erklärte Dall’Igna im Exklusiv-Interview mit SPEEDWEWEK.com. «Das ist bei der Aerodynamik ähnlich. Für mich ist das Aerodynamik-Wissen ein wichtiger Aspekt. Einerseits um schnelle Production-Bikes bauen zu können, anderseits um die heisse Luft von den Fahrern fernzuhalten. Es gibt eine Menge zu tun, wenn man genug Wissen um die Technologie der Aerodynamik hat.»

Man kann dann zum Beispiel den Hinterreifen mit einem Spoiler kühlen? «Ja», lacht Gigi Dall’Igna zufrieden über diesen Trick, mit dem er 2019 die Gegner auf die Palme gebracht hat.

Übrigens: Heute verwendet Ducati diesen «Spoon» längst nicht mehr, weil er beim neu homologierten «Aero Body» auf der Schwinge gar keinen Platz mehr hat. Die Hinterreifentemperatur hält sich trotzdem in Grenzen…

«Ja, mit unserer neuen Verkleidung müssen wir auf dieses Teil verzichten», räumt der Ducati-Rennchef ein.

Hat sich das Verhältnis zwischen den sechs MSMA-Herstellern seit dem Protest von Doha 2019 verbessert? Währen der Pandemie mussten ja einige Reglementsänderungen einstimmig beschlossen werden. Es ging dabei meist um Ideen zur Kostenersparnis.

«Ehrlich gesagt, das Verhältnis zu den anderen Herstellern ist während der Pandemie wesentlich besser gworden», versicherte Dall’Igna. «Wir haben damals in virtuellen Meetings gemeinsam viel diskutiert. Durch diese Gespräche haben wir gute Ideen für die Meisterschaft gefunden. Aber seit wir mit dem Front Ride Height Device fahren, ist es wieder schwierig geworden, innerhalb der MSMA ein gutes Verhältnis zu behalten.»

Konnte Ducati das Verbot des Front-Devices ab 2022 nicht verhindern? Das System wurde mit dem Hinweis verboten, man brauche weder höhere Kosten noch mehr Speed. Doch es vom Gesetz her nicht verboten. Und das technische MotoGP-Reglement ist eigentlich bis Ende 2026 in Stein gemeisselt.

Dall’Igna: «Nein. Ich kann die Vorschriften nicht selbst oder allein bestimmen. Ich kann nur versuchen, die Reglements zu verstehen und Dinge zu tun, die erlaubt sind. Dass das Front-Device nach 2022 verboten wird, ist nicht fair. Aber wenn alle gegen mich sind, sind mir die Hände gebunden; dann kann ich gar nichts dagegen unternehmen. Ich musste diese Änderung akzeptieren. Das habe ich getan.»

War dieser Kompromiss nicht hilfreich, um jetzt wieder Frieden in der MSMA zu haben?

«Ich weiß nicht, wozu wir in der MSMA einen Frieden brauchen», sagt Dall’Igna. «Wir diskutieren in der MSMA, um die bestmöglichen Vorschriften auszutüfteln. Diese Meisterschaft ist für alle beteiligten Werke wichtig. Deshalb bemühen wir uns, die besten Lösungen zu finden.»

MotoGP-Fahrer-WM nach 11 von 20 Grand Prix:

1. Quartararo 172 Punkte. 2. Aleix Espargaró 151. 3. Zarco 114. 4. Bagnaia 106. 5. Bastianini 105. 6. Brad Binder 93. 7. Miller 91. 8. Mir 77. 9. Rins 75. 10. Oliveira 71. 11. Martin 70. 12. Viñales 62. 13. Marc Márquez 60. 14. Bezzecchi 55. 15. Marini 52. 16. Nakagami 42. 17. Pol Espargaró 40. 18. Alex Márquez 27. 19. Morbidelli 25. 20. Di Giannantonio 18. 21. Darryn Binder 10. 22. Dovizioso 10. 23. Gardner 9. 24. Raúl Fernández 5.

Konstrukteurs-WM:

1. Ducati 246 Punkte. 2. Yamaha 172. 3. Aprilia 155. 4. KTM 121. 5. Suzuki 101. 6. Honda 85.

Team-WM:

1. Aprilia Racing 213 Punkte. 2. Monster Energy Yamaha 197. 3. Ducati Lenovo Team 197. 4. Prima Pramac Racing 184. 5. Red Bull KTM Factory 164. 6. Suzuki Ecstar 152. 7. Gresini Racing 123. 8. Mooney VR46 Racing 107. 9 Repsol Honda 100. 10. LCR Honda 69. 11. WithU Yamaha RNF 20. 12. Tech3 KTM Factory 14.


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