Albesiano: «Happy, wenn Viñales den Level erreicht»
Es war ein langer und steiniger Weg, es gab viel Kritik, die Moral war zeitweise nicht auf dem Höhepunkt, aber am Ende wurde Aprilia für das Durchhaltevermögen belohnt: Aleix Espargaró feierte in dieser Saison in Las Termas den ersten MotoGP-Sieg überhaupt für den italienischen Hersteller aus Noale und ist zur Halbzeit der WM der erste Verfolger von Titelverteidiger Fabio Quartararo (Yamaha).
Dazu kommt mit Maverick Viñals auch der zweite Aprilia-Pilot immer besser in Schwung, wie sein erster Podestplatz auf der RS-GP bei der Dutch TT in Assen vor der Sommerpause bewies.
Romano Albesiano, Chef-Ingenieur des Aprilia-MotoGP-Projekts, blickt im Interview mit SPEEDWEEK.com zurück und voraus.
Romano, wie würdest du die erste Saisonhälfte von Aprilia auf einer Skala von 1 bis 10 bewerten?
Mit einer 9.
Und was macht dich von all den guten Dingen, die wir gesehen haben, am meisten stolz?
(Er überlegt und nimmt sich Zeit für seine Antwort.)
Es ist nicht etwas Bestimmtes. Ich bin einfach sehr glücklich, dass die Mühen am Ende belohnt wurden. Wir mussten so viele Dinge verändern, es war auch Pech dabei und wir trafen wahrscheinlich auch falsche Entscheidungen. Aber am Ende, wenn man dran bleibt und dran bleibt….
Ich bin sehr zufrieden mit der Unterstützung, die wir vom Unternehmen erhalten, besonders vom Präsidenten, der uns immer unterstützt hat. Alles in allem glaube ich, dass es eine wunderbare Geschichte ist. Wir haben gelitten, gelitten und gelitten – und am Ende einen guten Level erreicht.
Ich gehe aber davon aus, dass es für euch bei Aprilia noch eine unvollendete Geschichte ist, deren Schluss erst geschrieben werden muss.
Ja, das stimmt. Mit der Dimension, die wir heute im Reparto Corse, also in unserer Rennabteilung haben, mit der Anzahl an Leuten, die Ideen hervorbringen, ist das Potenzial das eines Schwungrads, das gerade erst begonnen hat sich zu drehen und noch weiter laufen wird. Ich bin sehr optimistisch, weil ich sehe, dass – unabhängig vom Level, auf dem wir bereits sind – die Wachstumskapazitäten enorm sind.
Wie schon angesprochen, ich bin sehr glücklich für die Piaggio Group und für die Leute in Noale, genauso für alle, die im Werk an den Montagelinien arbeiten, einfach für alle. Was gerade geschieht, ist sehr, sehr schön.
Es ist noch gar nicht so lange her, da schien die Situation zu stagnieren – festgefahren an einem Punkt, an dem Aprilia nicht konkurrenzfähig war. Wenn du jetzt in den Spiegel schaust, sagst du dir dann so etwas wie «Romano, du hast es geschafft»?
Ja, mit der Hilfe des Unternehmens und der Hilfe so vieler Leute haben wir es geschafft. Ich mag es nicht, es auf einen persönlich zu beziehen.
Es gibt nicht die perfekte Situation, vor allem im Rennsport nicht. Wo siehst du noch Verbesserungsbedarf?
Die Sache, die mich im Moment noch nicht glücklich macht, ist, dass nur Aleix den Level erreicht hat, um an der Spitze zu sein. Maverick kommt aber näher. Ich werde glücklich sein, wenn Maverick denselben Level erreicht. Dann werden wir sagen können, dass unsere beiden Fahrer unser Motorrad am Maximum fahren können. Wir sind nahe dran.
(Dieses Interview wurde 24 Stunden vor dem ersten Podium von Viñales auf Aprilia geführt.)
Dann wird es interessant, andere Fahrer zu sehen. Ich hätte gerne, dass unser Motorrad – wie soll ich sagen – einfacher wird.
Vorsicht mit dem «einfacher», denn Honda verfolgte mit ihrem neuen Bike dieses Ziel und wir haben in der ersten Saisonhälfte gesehen, wie es gelaufen ist. Aber sag‘ mir eine Sache: Gab es Momente des Zweifels, seit du dich des MotoGP-Projekts von Aprilia angenommen hast?
Nein, nicht wirklich. (Er antwortete nach einer langen Pause.)
Ich erinnere mich an meine Uni-Zeit, wie ich auf halbem Weg zu meinem Abschluss das Gefühl hatte, dass ich schon mein halbes Leben dort war, und wie entmutigend es war, daran zu denken, dass die andere Hälfte noch vor mir lag.
Mit Sicherheit trug die Ankunft von Massimo Rivola als Aprilia Racing CEO dazu bei, das Engagement des Unternehmens zu verstärken. Von da an wurden die Dinge ein bisschen einfacher.
Ich erinnere mich daran, dass du mich einmal gefragt hattest, warum Aprilia dieselbe Person zu den Pressekonferenzen für Manager und Ingenieure schickte…
Ja, das stimmt. Ich erinnere mich sehr gut daran. Aber lass‘ uns kurz auf Maverick Viñales zurückkommen. Stimmst du dem zu, dass das Niveau eines Motorrads immer vom zweiten Fahrer bestimmt wird? Ist es deshalb so wichtig, dass Maverick in den Ergebnislisten diesen Schritt nach vorne macht?
Es ist sehr wichtig, ja. Deshalb ist es sehr wichtig, Maverick auf den Level von Aleix zu bringen. Wie schon gesagt: Sie sind in gewissen Situationen sehr eng beisammen, aber Aleix hat noch das bisschen mehr.
Bei unserem Gespräch in Indonesien sagtest du mir, dass Maverick zwei bestimmte Dinge davon abhielten, an der Spitze zu sein. Wurden diese inzwischen überwunden?
Ich erinnere mich nicht genau, auf welche Details ich da verwiesen hatte, aber wahrscheinlich sind es dieselben zwei Dinge, die manchmal noch fehlen – nicht ständig, aber ab und zu. Wir reden vom Kurveneingang und der Kurvenmitte, vor allem auf der einen schnellen Runde. An diesem Aspekt müssen wir besser arbeiten, es ist ein mechanischer Aspekt.