Phillip Island: Trostloses Wetter und Dauerregen
Der Oktober entspricht in Australien dem mitteleuropäischen Frühling, mit Wetterkapriolen ist jederzeit zu rechnen, also mit Wind, Regen und anderen Unannehmlichkeiten. Wasserfeste Bekleidung und ordentliches Schuhwerk sind also ein Muss, vor ein paar Jahren kauften sich viele Teammitglieder sogar Gummistiefel, weil man beim Aussteigen aus den versumpften Wiesen auf den P1-Parkplätzen bis zu den Knöcheln im Schlamm versank. Am Abend mussten die meisten Fahrzeuge mit Traktoren aus der Schlammwüste herausgeschleppt werden. Man wähnte sich bei einem Motocross-Event.
Inzwischen sind die Veranstalter schlauer geworden. Die Wiesen sind abgesperrt, denn es regnet seit fast 48 Stunden ununterbrochen auf Phillip Island und im ganzen Staat Victoria, der weltweit die härtesten Corona-Lockdowns erlebt hat – sechs insgesamt. Einer dauerte ein knappes Jahr. Und jetzt regnet es an der australischen Ostküste seit fast acht Monaten beinahe jeden Tag.
Wegen der tristen Wetterprognosen wurden alle Campingplätze rund um den Phillip Island Circuit schon vor drei Wochen gesperrt. Die GP-Fans müssen ihre Zelte irgendwo bei Privathaushalten aufschlagen und ihre Wohnwagen und Motorhomes in der rund 10 km entfernten Kleinstadt Cowes auf hartem Untergrund parken, fast jedes Motel bietet hier solche Stellplätze an. Denn Phillip Island ist die Ferieninsel der Bewohner von Melbourne, man kommt oft übers Wochenende her, Cowes ist nur 120 km entfernt, man kommt zum Surfen, Wandern am Beach oder wegen der Pinguin-Parade oder dem Koala Resort.
Heute durften die Besitzer von P1-Parkschildern ihre Fahrzeuge einfach entlang von Schotter-Zufahrtstrassen abstellen und dann 2 bis 3 km auf der löchrigen, schlammigen Fahrbahn zurück ins Fahrerlager wandern.
Bei dieser Gelegenheit erinnerte ich mich an meinen ersten Phillip-Island-Besuch 1989. Es war der erste Australien-GP auf dieser idyllischen Strecke, mit der Bass Straight im Hintergrund, die viele für den Pazifik halten. Aber sie gehört zum Tasmanischen Meer.
Auf die Frage einer einheimischen Kollegin, was sich seit 1989 hier an der Infrastruktur geändert habe, entgegnete ich nach kurzem Nachdenken: «Ich glaube, nach dem Regen ist mehr Wasser im Teich hinter dem Paddock.»
Tatsächlich würde die Formel 1 nicht einmal hier auftreten, wenn 100 Millionen investiert würden. Allein schon das Fehlen jeglicher 5-Sterne-Hotels wäre ein Grund fürs Fernbleiben.
Aber die MotoGP-Gemeinde liebt diesen Event, man hat sich an den einspurigen Tunnel ins Fahrerlager mit der Ampel an beiden Zufahrten und die steile Auffahrt am anderen Ende gewöhnt.
Momentan sind alle Teammitglieder und Berichterstatter froh, die einen SUV gemietet haben, denn es sammelt sich Wasser im Tunnel, man braucht möglichst viel Bodenfreiheit.
Überall sieht man Schilder mit der Aufschrift «MotoGP – BACK WHERE WE BELONG».
Das heißt: Die MotoGP ist zurück, wo sie hingehört.
Australien ist seit den Zeiten von Doohan, Gardner, Beattie, Vermeulen und Stoner MotoGP-verrückt, auch die Superbike-Weltmeister Troy Corser und Troy Bayliss haben zur Popularität des Motorradsports in Down Under beigetragen.
Erstmals seit mehr als zehn Jahren (damals fuhren Casey Stoner und Brian Starling) nehmen mit Jack Miller und Remy Gardner zwei Aussies am MotoGP-Rennen teil, bei dem Stoner bis 2012 sechsmal hintereinander triumphiert hat.
In den letzten zwei Jahren fand der Australien-GP wegen Corona nicht statt. Bei der GP-Rückkehr hoffen die heimischen Fans auf einen GP-Sieg von Jack Miller, der vor drei Wochen auch in Japan alle Gegner deklassiert hat.
Bleibt nur zu hoffen, dass sich nicht zu viele heimische Fans durch das grauenhafte Wetter vom GP-Besuch abhalten lassen.
Jetzt ist bis Freitag 2 Uhr früh Ortszeit Regen angesagt. Das FP1 könnte also noch im Nassen stattfinden. Außerdem ist für Freitag mit Windböen mit bis zu 65 km/h zu rechnen. Auch am Samstag wird es stürmisch sein.
Immerhin: Am Samstag und Sonntag ist mit längeren sonnigen Abschnitten zu rechnen.