Fabio Quartararo: «Besser gefahren als im Vorjahr»
Fabio Quartararo (23)
Als SPEEDWEEK.com Fabio Quartararo vor ein paar Tagen am Telefon erreichte, um seine Saison 2022 mit etwas Abstand zu analysieren, war er gerade auf dem Weg zu einer Motocross-Trainings-Session. Nicht in seiner Wahlheimat Andorra, sondern an der französischen Côte d'Azur.
«Ich dachte, dass du dich gerade auf irgendeinem Sandstrand in der Karibik ausruhen würdest», lachte ich. «Nein, nein, ich habe mich schon ein paar Tage lang ausgeruht. Jetzt will ich trainieren, um voll fit zum Sepang-Test zu kommen», erwiderte der Yamaha-Star.
Zur Erinnerung: Der erste Test für die Stammfahrer steht erst vom 10. bis 12. Februar 2023 im Kalender!
Dann brach das Telefonat wegen schlechten Empfangs ab. Wenige Minuten später bekam ich eine Nachricht von Fabio, der mich bat, ihn am Abend nach seinem Training anzurufen. Ein paar Stunden später nahm er dann meinen Anruf wie vereinbart an.
Ich begann damit, den Weltmeister von 2021 zu fragen, ob er sich zu einem Zeitpunkt der Saison fühlte wie David gegen Goliath, in der Form von acht Ducati-Bikes im Feld. Es hätten acht Desmosedici gegen vier M1 sein sollen, aber in Wahrheit war keiner seiner Yamaha-Markenkollegen in der Position, Quartararo bei der Titelverteidigung zu unterstützen.
«Weder die Kundenteam-Fahrer noch mein Teamkollege waren konkurrenzfähig, ich hatte also keine Referenz – bis auf mich selbst. Ich musste davon ausgehen, dass das Limit des Motorrads das war, das ich erreicht habe», räumte der 23-Jährige rückblickend ein.
Fabio, in der ersten Saisonhälfte warst du aber sehr konkurrenzfähig – bis zur Dutch TT in Assen. Von da an hast du in den neun Grand Prix nur noch zwei Podestplätze geschafft.
Bis zur Dutch TT hatten wir keinen einzige Rennsturz verzeichnet. Für den Zwischenfall in Assen habe ich dann einen Long-Lap-Penalty für Silverstone aufgebrummt bekommen, der meiner Meinung nach unfair war. Wir haben auch einen Fehler bei der Reifenwahl gemacht…
Ja, es waren zwei unglückliche Rennen, aber diese Dinge können passieren. Wie auch immer, es war in Misano, als ich realisiert habe, dass unsere Chancen klein waren. Im Vorjahr ist es mir dort gelungen, drei Sekunden auf Pecco aufzuholen und dicht hinter ihm anzukommen. In diesem Jahr bin ich Fünfter geworden, mit fünf Sekunden Rückstand – nach einem Rennen, das für mich ein gutes war und in dem ich mein Maximum gegeben hatte. Und das war sehr frustrierend für mich, weil ich 100 Prozent gegeben hatte und wir so weit hinten waren.
Wie bist du den Rest der Saison dann aus psychologischer Sicht angegangen?
Nun, ich leugne es nicht – aus meiner Sicht bin ich in diesem Jahr besser gefahren als im Vorjahr, aber es gab Momente, in denen es für mich sehr schwierig war, mit der Realität umzugehen. Nicht so sehr in Bezug auf die Ergebnisse, mehr für mich selbst. Ich bin mit viel weniger Enthusiasmus als in den vergangenen Jahren auf das Motorrad gestiegen. Vielleicht denkst du nicht einmal bewusst daran, aber unbewusst spürst du es. Du genießt das, was du tust, nicht und wirst auf diese Weise unweigerlich hinter deinen Möglichkeiten zurückbleiben. In diesem Jahr hat es mehrere Rennen gegeben, in denen ich so auf die Strecke gegangen bin, ohne es zu genießen.
Ich bin ein Siegfahrer, ich will gewinnen, aber… Bis vor wenigen Jahren hatte jede Marke positive und negative Seiten. Wir hatten ein sehr viel besseres Chassis als die anderen, aber in diesem Jahr war es nicht so. Wir haben im Vergleich zu unseren Rivalen auch sehr viel weniger Leistung.
Seit du in die MotoGP gekommen bist, war es eine deiner Tugenden, im Qualifying-Modus besonders effektiv eine ultraschnelle Runde zusammenzubringen, die dich fast immer in die erste Startreihe gebracht hat. In dieser Saison jedoch hat diese «Magie» gefehlt, oder?
Es ist so: Die anderen haben sich stark verbessert, während wir das Motorrad verändert haben, mit dem Ergebnis, dass es im Qualifying schlechter als vorher funktioniert hat. Wir haben unseren Vorteil aufgegeben, ohne im Gegenzug etwas dazuzugewinnen. Wenn man schaut, wie sehr sich die anderen auf einer Runde seit 2019 im Vergleich zu unserer Performance gesteigert haben, ist es frustrierend. Die anderen haben sich enorm verbessert, wir sind auf dem Level von 2019 – oder schlechter. Und dazwischen liegen drei Jahre.
Für mich war der Schlüssel zum Titelgewinn 2021, 14 Mal in der ersten Startreihe zu stehen. In diesem Jahr war das nur fünf Mal der Fall, darunter nur eine Pole-Position. Und das hat sich natürlich auf unsere WM-Chancen ausgewirkt.
MotoGP-WM-Endstand (nach 20 Rennen):
1.Bagnaia 265. 2. Quartararo 248 Punkte. 3. Bastianini 219. 4. Aleix Espargaró 212. 5. Miller 189. 6. Brad Binder 188. 7. Rins 173. 8. Zarco 166. 9. Martin 152. 10. Oliveira 149. 11. Viñales 122. 12. Marini 120. 13. Marc Márquez 113. 14. Bezzecchi 111. 15. Mir 87. 16. Pol Espargaró 56. 17. Alex Márquez 50. 18. Nakagami 48. 19. Morbidelli 42. 20. Di Giannantonio 24. 21. Dovizioso 15. 22. Raúl Fernández 14. 23. Remy Gardner 13. 24. Darryn Binder 12. 25. Crutchlow 10. 26. Bradl 2.
Konstrukteurs-WM:
1. Ducati 448 Punkte. 2. Yamaha 256. 3. Aprilia 248. 4. KTM 240. 5. Suzuki 199. 6. Honda 155.
Team-WM:
1. Ducati Lenovo Team 454 Punkte. 2. Red Bull KTM Factory 337. 3. Aprilia Racing 334. 4. Prima Pramac Racing 318. 5. Monster Energy Yamaha 290. 6. Suzuki Ecstar 260. 7. Gresini Racing 243. 8. Mooney VR46 Racing 231. 9. Repsol Honda 171. 10. LCR Honda 98. 11. WithU Yamaha RNF 37. 12. Tech3 KTM Factory 27.