130.000 KTM auf Lager – was nun?

Raúl Fernández: «Nicht einfach, KTM zu verlassen»

Von Manuel Pecino
Raúl Fernández (22) spricht im Interview über seinen ursprünglichen Moto2-Plan, das frustrierende erste MotoGP-Jahr und den Wechsel von KTM in das neue Aprilia-Kundenteam.

Bei Raúl Fernández ist die Vorfreude auf den am Freitag beginnenden IRTA-Test in Sepang groß. Das ist ein weit verbreitetes Gefühl unter seinen MotoGP-Kollegen, aber bei Rául kommt dazu, dass er ein frustrierendes Rookie-Jahr in der Königsklasse (WM-22. mit nur 14 Punkten) hinter sich lassen muss.

«Ich kann es kaum erwarten», unterstrich der 22-jährige Spanier. «In Valencia konnte ich nicht schlafen, als ich zum ersten Mal die Aprilia fahren durfte. Ich war schon um 5.30 Uhr am Morgen wach, obwohl es erst um 10.30 Uhr losgegangen ist. Ihr müsst euch vorstellen, dass ich die Mechaniker um die Schlüssel für die Box gebeten und ihnen angeboten habe, die Box für sie vorzubereiten.»

SPEEDWEEK.com traf Raúl Fernández nach einer Trainings-Session auf einem KTM-Offroad-Bike zum Interview. «Mein erstes Motocross-Bike war eine KTM, ich liebe die Marke. Dass die Dinge nicht so gelaufen sind, wie wir es erwartete hatten, ändert daran nichts. Wir schlagen einfach eine neue Seite auf und gehen weiter.»

Das neue MotoGP-Kapitel von Fernández heißt für die kommenden zwei Saisons Aprilia. In Noale war das Interesse am Madrilenen schon länger vorhanden. Aprilia-Rennchef Massimo Rivola hatte Ráuls Vater schon im März 2021 kontaktiert.

«Ja, ich bin ihm sehr dankbar, dass er mir das Vertrauen schenkt, aber zu der Zeit war ich wegen meines KTM-Vertrags nicht offen für andere Angebote. Am Ende hat mich aber das Schicksal – denn ich glaube sehr daran – zu Aprilia geführt», schmunzelte Rául. «Massimo gibt mir als Fahrer viel Gelassenheit und Support. Ich bin sehr glücklich, mit ihm zu arbeiten. Er hat in seiner Karriere auch schon gezeigt, dass er ein guter Talent-Scout ist, das hat er als Ferrari-Sportdirektor bewiesen.»

«Ich weiß nicht genau, unter welchen Bedingungen dieser erste Kontakt stattgefunden hat, weil ich zu der Zeit auf die Moto2 konzentriert war. Meine Absicht war damals, eine zweite Moto2-Saison zu bestreiten, weil ich zu Beginn des Jahres nicht damit gerechnet hatte, dass ich um den Titel kämpfen würde, was dann später der Fall war.»

Rául, den Moto2-Titel hast du tatsächlich um gerade einmal vier Punkte gegen deinen damaligen Ajo-Teamkollegen Remy Gardner verpasst – trotz acht Saisonsiegen.

Ja, und viele Leute sagen mir noch immer, dass ich meine WM-Chancen mit diesem oder jenem Crash weggeworfen habe, aber was sie nicht verstehen: Ich hatte nicht die Mentalität, um die Weltmeisterschaft zu kämpfen.

Wenn du den Titel anstrebst, bereitest du dich in der Vorsaison darauf vor. Du bereitest dich mental vor und verinnerlichst es. Wenn du es nicht auf diese Weise machst und dich dann in einer Situation wiederfindest, in der du um den Titel kämpfst, ist es zu spät, die richtige Herangehensweise zu wählen.

Als es dann um den MotoGP-Aufstieg ging, zeigten mehrere Marken Interesse. Du warst aber wegen eines früher unterzeichneten Vertrags bereits an KTM gebunden.

Was passiert ist, ist passiert – und gut ist. Die vergangene Saison war ein sehr schwieriges Jahr und, weil man die Zeit nicht zurückdrehen kann, macht es keinen Sinn, darüber zu reden. Das liegt hinter mir.

Was ich aber sagen will: Es war nicht einfach für mich, KTM zu verlassen, weil ich ein Typ bin, der gerne sein ganzes Leben lang mit einer Marke verbunden gewesen wäre – wie Márquez mit Honda.

Das erste Motorrad, das mir mein Vater geschenkt hat, war eine KTM. Ich habe mich darauf gefreut, mit der Marke meine gesamte Karriere zu verbringen. Ich wünschte, die Dinge wären besser gelaufen, aber leider ist es nicht passiert.

Wenn ein Fahrer das durchmacht, das du erlebt hast – ein herausragendes Moto2-Jahr gefolgt von einer frustrierenden MotoGP-Saison – verliert er üblicherweise an Selbstvertrauen und fängt an zu grübeln, wer er ist – der Moto2- oder der MotoGP-Fahrer? Kannst du das bestätigen?

Total… Der Tag, an dem ich mein letztes Rennen mit meinem vorherigen Motorrad beendet habe, habe ich mich selbst gefragt: «Wie kann ich so langsam sein? Ich verstehe es nicht.» Am Tag danach bin ich eine Aprilia gefahren und es wurde mir klar.

Aber es stimmt, dass manchmal die Dämonen auftauchen: «Werde ich je wieder schnell sein?»

Hast du 2022 trotz der frustrierenden Saison Dinge gelernt, die dir in diesem Jahr helfen werden?

Ja, die Reifen, die Elektronik, ich habe verstanden, wie man mit so vielen Leuten rundherum arbeitet, wie man sich ausdrücken muss.

Ich war beeindruckt vom Level, nicht nur von einem Fahrer. Am meisten überrascht hat mich, wie viel Arbeit in der MotoGP geleistet wird, wie das Werk arbeitet. Das realisierst du nicht, bis du nicht selbst dabei bist.

Ich erinnere mich, dass ich 2020 einmal mit Pol Espargaró zu Abend gegessen habe und er mir die Eigenschaften jedes MotoGP-Bikes erklärt hat. Damals dachte ich mir: «Es sind am Ende doch alles Motorräder.»

Dann aber bin ich in die MotoGP gekommen und – wow! Jedes Motorrad hat seine Linie, jedes Motorrad ist anders, jede Strecke, jeder Reifen… Ich erinnere mich daran, dass mich Fabio Quartararo bei einem Vorsaison-Test überholt hat. Er war nicht auf einer schnellen Runde und ich konnte ihm ein paar Kurven lang folgen. Und das Einlenkverhalten der Yamaha war schockierend. Dann habe ich eine Ducati getroffen und die Beschleunigung war großartig.

Und mit all diesen unterschiedlichen Motorrädern liegen die Top-10 nach FP3 am Ende in einer halben Sekunde. Das hat mich an der MotoGP am meisten überrascht.

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