Jonas Folger (GASGAS) soll sich schrittweise steigern
In Zusammenhang mit den fünf Verletzten in der MotoGP-Klasse und den möglichen Einsatz von Testfahrern als Ersatzpiloten legen die meisten Hersteller und Teams momentan keine große Eile an den Tag. Denn durch die extreme Leistungsdichte, wegen der immer zahlreicher vorhandenen konkurrenzfähigen Bikes und mehr aktuellen 2023-Werksmaschinen (nur die zwei RNF-Kunden-Aprilia und die vier Ducati von Mooney VR46 und Gresini stammen aus dem Jahr 2022) tun sich zum Beispiel die Testfahrer immer schwerer, in die Punkteränge zu fahren.
Die Zeiten, als Stefan Bradl am 22. November 2020 beim WM-Finale Portimão als Marc Márquez-Ersatz noch einen siebten Platz (15,7 sec hinter Sieger Miguel Oliveira aus dem KTM Tech3-Team) eroberte, gehören der Vergangenheit an.
Nach der Ankündigung der MotoGP-Rückkehr von Jonas Folger, der seit Aragón am 24. September 2017 kein Rennen in der «premier class» bestritten hat, wird gerätselt, was man sich vom Comeback des 29-jährigen Bayern auf dem Circuit of the Americas (COTA), der anspruchsvollsten Piste im Kalender mit 21 Kurven, erwarten kann.
Pit Beirer, Motorsport-Direktor der Pierer Mobility AG mit den Marken KTM, GASGAS und Husqvarna, ist froh, dass Jonas Folger den Mut aufbringt, für zumindest drei Grand Prix (Texas, Jerez und Le Mans) ins kalte Wasser zu springen. Er erwartet keine Punkte, schon gar nicht in Texas, aber GASGAS muss laut Dorna-Vertrag für diesen Grand Prix einen Ersatzmann nominieren, damit die Veranstalter und TV-Stationen nicht wieder ein Mini-Startfeld mit 17 Fahrern wie in Termas de Río Hondo präsentieren müssen.
Da «FOLGAS» erst wenige Testtage für KTM bestritten hat und dabei nie auf Zeitenjagd ging und die beiden freien Trainings am Freitag (14. April) nur je 60 Minuten dauern, ehe es schon ins Qualifying geht, bekommt er kaum genug «track time», um sich an das Bike, das Team und die Strecke zu gewöhnen, die er seit sechs Jahren nicht gesehen hat.
Alles andere als ein letzter Platz wäre deshalb eine enorme Überraschung. Aus diesem Grund hat auch Aprilia zum Beispiel in Las Termas auf den Einsatz von Testfahrer Lorenzo Savadori verzichtet, der für Miguel Oliveira einspringen hätte können.
Wie rasch sich Jonas Folger an die ungemütlichen Zustände in der MotoGP-WM gewöhnen wird, lässt sich schwer abschätzen. Er wird von der Mannschaft von Crew-Chief von Paul Trevathan betreut, die sich sonst um Pol Espargaró kümmert und den Spanier schon von 2017 bis Ende 2020 bei Red Bull KTM zur Seite stand, ehe er zwei Jahre lang Miguel Oliveira betreute und mit ihm drei MotoGP-Rennen gewann.
Zwei Deutsche in Texas oder zumindest Jerez
Die deutschen Fans freuen sich auf die Rückkehr von Jonas Folger und besonders darauf, dass spätestens beim Jerez-GP (28. bis 30. April) erstmals in der MotoGP-Ära zwei Deutsche am Start stehen werden.
Manche Besserwisser (oder Hater) befürchten jedoch, Jonas Folger könnte an der 105-Prozent Hürde scheitern.
Bis 2021 galt in der MotoGP die «sporting regulation» ein 107-Prozent limit, aber es wurde nach der hoffnungslosen Vorstellung von Christophe Ponsson in Misano im Avintia-Ducati-Team auf 105 Prozent reduziert. Die Gegner bezeichneten seine tolpatschige Fahrweise als Gefährdung der öffentlichen Sicherheit.
Seither müssen also die MotoGP-Fahrer (und die Kollegen aus der Moto3 und Moto2-WM) innerhalb von 105 Prozent der schnellsten Quali-Runde bleiben.
Wenn also zum Beispiel die Bestzeit bei 100 Sekunden liegt, darf kein Teilnehmer über 105 Sekunden pro Runde benötigen, wenn er sich fürs Rennen qualifizieren will.
In Texas lag die Pole-Position-Zeit von Jorge Martin (Pramac Ducati) im Vorjahr bei 2:02,039 min, das entspricht 122 Sekunden.
Jonas Folger darf also im Q1 maximal 6,1 Sekunden verlieren. Bei einer Pole-Zeit wie im Vorjahr reichen ihm 2:08,14 min zur Rennteilnahme.
Diese Aufgabe wird der MotoGP-Rückkehrer im GASGAS Factory Tech3 Racing Team von Hervé Poncharal mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit bewältigen. Denn am 5. Februar 2023 blieb er bei einer ähnlichen Rundenzeit und Streckenlänge in Sepang 3,5 Sekunden hinter Tagessieger Cal Crutchlow (Yamaha), der schon drei MotoGP-Rennen gewonnen hat.
Aber Folger war bei diesem Shakedown-Test nie mit neuen Performance-Parts unterwegs, er bekam keine weichen Reifen und machte keine «time attack», er nützte nie einen Windschatten, er unternahm überwiegend kurze Runs und «installation laps» für die vier Stammfahrer Brad Binder und Jack Miller (beide KTM) sowie Pol Espargaró und Augusto Fernández (GASGAS).
«Wir werden Jonas helfen und ihn bestmöglich unterstützen, damit er sich von Grand Prix zu Grand Prix 'step by step' steigern kann», hat sich sein GASGAS-Crew-Chief Paul Trevathan vorgenommen.