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Freddie Spencer umstritten, aber wer tut sich Job an?

Von Günther Wiesinger
Freddie Spencer

Freddie Spencer

Freddie Spencer wurde für das Stewards-Gremium von der IRTA ausgewählt und von der Dorna gutgeheissen. Jetzt kommen neue Namen ins Spiel, aber Andrea Dovizioso hat die undankbare Aufgabe gleich abgelehnt.

Nach den vielen unverständlichen Vorkommnissen und Fehlentscheidungen der MotoGP-Stewards bei den ersten fünf Grand Prix wird von den Verantwortlichen bereits überlegt, wer als geeigneter Nachfolger in Frage käme. Es fielen Namen wie Andrea Dovizioso (er lehnte ab), Alex Barros (er sagte ebenfalls ab), Simon Crafar und Tom Lüthi. «Ich bin gar nie angefragt worden», erklärte der Schweizer.

Außerdem hinterfragen allmählich die Fahrer, Teams und Werke, die jährlich 70 bis 100 Millionen Euro in den GP-Sport investieren, warum ausgerechnet die FIM zwei von drei Positionen in diesem wichtigen Gremium besetzen darf und deren umstrittene Urteile womöglich die WM-Fights in allen drei Klassen beeinflussen.   

Das «FIM MotoGP-Stewards Panel» wurde nach dem Sepang-GP 2015 eingeführt, weil damals Dorna-Manager Javier Alonso vorgeworfen wurde, er habe die Urteile von Race Director Mike Webb womöglich aus kommerziellen Gründen beeinflusst, damit die MotoGP-WM erst beim Finale in Valencia entschieden würde.

Zur Erinnerung: Rossi wurde damals mit drei Penalty-Points fürs Finale bestraft und musste dort vom letzten Startplatz losfahren. Marc Márquez ging straffrei aus. Fazit: Rossis Punktevorsprung auf Lorenzo schrumpfte auf 7 Zähler, der Titelfight Lorenzo gegen Rossi blieb bis zum Valencia-GP offen.

Rossis Yamaha-Teamkollege Jorge Lorenzo hatte damals auf dem Podest mit dem Daumen nach unten gezeigt und unmissverständlich eine Disqualifikation von Rossi gefordert, der aber in Sepang als Dritter hinter Pedrosa und Lorenzo in der Wertung blieb, obwohl er Marc Márquez absichtlich zu Sturz absichtlich gebracht hatte.

Die Dorna, die heute für die kommerziellen MotoGP- und SBK-Rechte ca. 12 Millionen im Jahr an die FIM bezahlt, plädierte nach diesem Sepang-Skandalrennen für die Gründung eines neuen Schiedsrichter-Systems. Es sollte zumindest den Anschein von Unabhängigkeit haben. Deshalb wurde vereinbart: Zwei Mitglieder werden von der FIM nominiert, eines von der Teamvereinigung IRTA, dieser Kandidat muss aber von der Dorna genehmigt werden.

Denn schon im Agreement von 1992 war zwischen Dorna und IRTA vereinbart worden, dass die IRTA den Race Direktor nominieren darf, aber der spanische GP-Promoter musste jeweils zustimmen. Diese Aufgabe hat zum Beispiel Paul Butler ausgeübt, Mike Webb wurde sein Nachfolger.

Stewards Panel: Kommen Weisungen von oben?

Im jetzigen «FIM MotoGP Stewards Panel» sitzen mit Andres Sorromolinos und Tamara Matko zwei Stewards auf einem FIM-Ticket, Freddie Spencer hingegen wurde von der IRTA vorgeschlagen und von der Dorna bestätigt.

Im Panel werden die Strafen durch einfache Mehrheit entschieden, die beiden FIM-Mitglieder könnten also Spencer jederzeit überstimmen. In der Vergangenheit waren jedoch nie Unstimmigkeiten an die Öffentlichkeit gedrungen, auch die Übeltäter berichteten meist über ein gutes Einvernehmen der drei Schiedsrichter.

Als dreifacher Weltmeister und Superstar mit 27 GP-Siegen übt «Fast Freddie» Spencer eine natürliche Autorität aus. Es war bis 2023 selten starker Widerspruch seiner Kollegen zu hören, zumal Bohnhorst 2022 als Ex-Rennfahrer offenbar oft eine ähnliche Sichtweise auf die Dinge hatte die «Fast Freddie».

Doch Bohnhorst wurde von der FIM für 2023 aus dem Panel entfernt. Seither prallen die zwei FIM-Stimmen offenbar oft auf die einzelne IRTA-Dorna-Stimme von Freddie Spencer.

Längst hat sich im GP-Paddock die Vermutung breit gemacht, FIM-Präsident Jorge Viegas habe zumindest beim Portugal-GP mit einer (nicht vorgesehenen) Weisung direkt Einfluss auf die Entscheidungsträger genommen, um die Bestrafung von Marc Márquez sicherzustellen. Beweise für diese Behauptungen liegen natürlich nicht vor.

Zur Erinnerung: Marc Márquez hatte  ausgerechnet Viegas' Landsmann, den Lokalmatador und Nationalhelden Miguel Oliveira, beim Heim-GP zu Sturz gebracht und verletzt. 

Als sich nach dem Portimão-GP herausstellte, dass Márquez (Mittelhandknochen rechts am Daumen gebrochen) in Argentinien pausieren muss, die Double-Long-Lap-Strafe aber versehentlich konkret für Südamerika verhängt wurde, brauchten die FIM-Richter fast sechs Wochen, um beim Einspruch von Repsol-Honda zum einzigen möglichen Urteil zu kommen: Marc musste die Strafe bei seinem Comeback in Le Mans nicht mehr absolvieren, weil ein Urteilsspruch in unseren Rechtssystem nicht einfach umformuliert werden kann. Das greift ein Blinder mit dem Stock.

Ein Problem bei der Auswahl der beiden FIM-Stewards: Sie müssen laut FIM-Konzept offenbar aus der ehemaligen CCR (Commission for Road Racing) kommen. Aber es ist keine üble Nachrede, wenn wir behaupten: Dort tummeln sich leider offenbar nicht viele geeignete und respektable Kandidaten, die sich kraft ihrer Autorität im GP-Sport durchsetzen können – und sich diese Tätigkeit auch zutrauen.

Denn welcher MotoGP-Experte, der bei Sinnen ist und einem gut bezahlten Job nachgeht, vergeudet seine Zeit als Funktionär in einem nationalen Verband und bei der FIM mit tagelangen Sitzungen? Die meisten vielversprechenden Kandidaten haben dort nach kurzer Zeit wieder Reißaus genommen. 

Jetzt wird wohl darüber verhandelt werden müssen, wie man besser qualifizierte Stewards bei der FIM ausfindig macht.

Vielleicht wäre es sinnvoller, wenn die Teamvereinigung IRTA künftig zwei Stewards entsenden dürfte und die FIM nur noch einen. Denn dass in der IRTA und ihrem Umfeld mehr Fachkenntnis gebündelt ist als beim Weltverband, ist klar.

Und vielleicht sollte man den Fahrern oder dem Hersteller-Bündnis MSMA ein Mitspracherecht oder ein Vorschlagsrecht einräumen.

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