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Pol Espargaró: «Ja, ich habe an Rücktritt gedacht»

Von Günther Wiesinger
Pol Espargaró heute in Assen

Pol Espargaró heute in Assen

Bei der Dutch-TT in Assen gab es drei Monate nach dem Crash in Portimão ein Wiedersehen mit Pol Espargaró (GASGAS Tech3). Fährt er 2024 weiter? Oder macht er einen Schritt zur Seite?

Pol Espargaró flog am Freitagnachmittag mit seiner Frau Carlota und seinem Manager Homer Bosch nach Groningen und traf sich am Abend in der Red Bull Energy Station zu einem Aperitiv mit seinem GASGAS Factory Racing Tech3-Team. Am Samstagmittag stellte er sich in der GASGAS-Hospitality den Fragen der Journalisten.

Der 32-jährige Spanier wurde mit Applaus empfangen und war sichtlich froh, wieder in der gewohnten Umgebung zu sein. «Ich wollte nach diesen drei harten Monaten mein Team und alle Bekannten im Paddock wieder treffen», stellte er fest. «Ich wollte vor der Sommerpause alle Gesichter noch einmal sehen. Ich hatte ja geplant, auf dem Sachsenring wieder zu fahren, am liebsten sogar schon in Mugello. Ich wollte wieder Rennen bestreiten. Aber beim Röntgen nach dem Mugello-GP hat sich gezeigt, dass einer der drei gebrochenen Wirbel nicht so perfekt zusammengewachsen war wie erhofft. Wäre der Wirbel Nr. 8 nicht, könnte ich bereits wieder fahren. Ich habe mir in Portugal die drei Wirbel 3, 6 und 8 gebrochen; besonders der achte Wirbel ist nicht richtig verheilt. Er wurde auch komprimiert, deshalb bin ich jetzt 1,5 Zentimeter kleiner. Zum Glück bin ich schon verheiratet…»

«Die letzten drei Monate waren eine riesige Berg- und Talfahrt für mich. Als ich nach dem Crash auf der Intensivstation in Barcelona lag, hatte ich so viele Brüche in meinem Körper, dass ich gar nicht beurteilen konnte, welche Bruch am schmerzhaftesten war… Der Schmerzlevel ging wirklich durch die Decke, ich wurde mit Schmerzmitteln vollgestopft. Aber als ich wieder richtig bei mir war, konnte ich erst spüren, wovon die Schmerzen verursacht wurden. Das war ein schwieriger Moment. Zu einem gewissen Zeitpunkt kamen die Schmerzen vom Mund, weil das Kiefer gebrochen war und dann für einen Monat blockiert wurde, ich konnte die Lippen kaum einen Millimeter öffnen und mich nur mit Suppen ernähren; so habe ich 9 oder 10 kg verloren. Jede Woche habe ich 2,5 kg an Muskelmasse eingebüsst. Dazu schmerzte der Rücken, die gebrochenen Rippen taten weh, auch die Fraktur in der rechten Hand. Inzwischen kann ich mich nicht mehr beschweren. Dass ich nach drei Monaten in diesem Zustand vor euch sitzen kann, freut mich. Denn zwischendurch ist mir prophezeit worden, ich könnte auch sieben Monate außer Gefecht sein, weil die gebrochenen Wirbel operiert werden müssen. Das ist mir zum Glück erspart geblieben.»

Pol Espargaró will nicht mehr über die Ursachen des Sturzes in Portimão sprechen und den üblen Zustand des Kiesbetts, die die üblen Verletzungen verursacht haben. «Der erste Schuldige bin ich. Wäre ich nicht gestürzt, wäre ich heil geblieben. Ich habe die Reifen zu stark abkühlen lassen, nach der roten Flagge und dem Geplänkel mit Miguel. Wir hatten auf dieser Piste in den wenigen Rechtskurven sowieso Mühe mit der Reifentemperatur. Es gab viele widrige Umstände, die zusammengespielt haben. Ich musste in dieser Rechtskurve Platz für Viñales machen, der von hinten kam, so konnte ich dort den Reifen nicht aufwärmen, denn ich war neben der Ideallinie. Und als ich gepusht habe, ist der Sturz passiert. Klar, die Zustände der Sturzräume können verbessert werden. Aber ich will jetzt keinen Schuldigen suchen. Der Crash war mein Fehler; die Dorna hat nach meinem Unfall reagiert. Wichtig ist, dass daraus die nötigen Lehren gezogen werden.»

Pol hat in im Juni in Aragón ein Superbike-Training absolviert. Wie geht es jetzt bis Silverstone weiter? «Ich werde stark beschäftigt sein. Es ist wie eine zweite Vorsaison», schilderte Pol. «Ich werde auf verschiedenen Pisten trainieren, auch mit meinem Supermoto-Bike, denke ich, sobald es der Rücken zulässt. Inzwischen habe ich auch beim Gewicht wieder zugelegt. Aber zwischendurch wog ich nur 59 kg – wie zu meiner Zeit in der 125er-WM.»

Espargaró gab zu, er habe in den dunkelsten Stunden sogar an Rücktritt gedacht, auch wegen seiner Familie mit Carlota und den Töchtern Alexandra (3) und Nicole (2). «Klar, wenn du so stark verletzt bist und im Spital liegst, dann kommen solche Gedanken. In den letzten Wochen habe ich nur noch versucht, zurück aufs Bike zu kommen. Aber in den ersten vier Wochen nach dem Unfall, als ich eine Hiobsbotschaft nach der anderen erhalten habe… Es war hart, auch für meine Frau und die beiden Töchter. Aber am Ende des Tages ist der Motorradrennsport mein Job. Meine Karriere bestand immer aus Rennfahren, Verletzungen und Zurückkehren auf die Piste. Dieser Kreislauf hat sich ständig wiederholt. Das ist Teil meines Berufs, und sicher nicht der schönste.»

«Als ich 59 kg gewogen habe, konnte ich meinen Anblick im Spiegel kaum ertragen, ich hatte keinen Körper mehr, vom Sixpack ganz zu schweigen», lachte er. «Aber ich erhole mich prächtig, auch vom Geist und von der Seele her. Da spielt auch die wundervolle Unterstützung durch die Verantwortlichen der Pierer Mobility mit. Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie stark sie mich in dieser schweren Zeit unterstützt haben. Ich hätte nie erwartet, dass sie mir bei so einer Verletzung so unendlich viel Rückhalt geben, das war unbeschreiblich. Ich kann gar nicht alles aufzählen, was sie in den drei Monaten alles für mich getan haben.»

Pol Espargaró weiß, dass bei GASGAS für 2024 drei Kandidaten für zwei Plätze bereitstehen – neben ihm noch Augusto Fernández und Pedro Acosta.

«Das ist ihr Problem, nicht meines», lachte der Spanier. «Ich bleibe gelassen, denn ich habe einen Vertrag für 2024. Ich war verletzt, ich habe nicht an die weitere Zukunft gedacht. Die Rücktrittsgedanken sind mehr oder weniger verschwunden, denn mein Blick ist jetzt nach vorne gerichtet. Aber der Crash im März hat mich zurück in die Realität gebracht. Du bildest dir immer sein, so etwas wird dir nie widerfahren. Dann passiert es – und du musst der Realität ins Auge blicken. Diese Gedanken begleiten dich dann länger, als wenn du dir einen Finger oder ein Schlüsselbein brichst. Deshalb werde ich künftig mehr aufpassen, wenn ich mit kalten Reifen unterwegs bin oder gerade aus der Box komme. Ich habe zwar viel Erfahrung, aber solche Zwischenfälle können in der MotoGP jederzeit passieren.»

Pol Espargaró will jetzt noch kein Urteil zur Saison 2024 abgeben. «Wenn ich bei den nächsten Rennen schnell genug bin, fahre ich weiter.»

Aber er ließ durchblicken, dass er mit sich reden lasse. Denn wenn Zweifel bestehen, wird ihm KTM voraussichtlich einen Test- und Ersatzfahrervertrag anbieten.

«Die Manager von KTM und GASGAS, das ist nicht nur mein Team, das sind Familie und Freunde. Pit Beirer und Hubert Trunkenpolz sind meine Freunde. Ehrlich! Wir reden ganz offen über alles; wir haben wirklich ein nettes Verhältnis. Ich möchte jetzt Resultate zeigen, die bewiesen, dass ich den Platz für nächstes Jahr verdiene. Wenn mir das nicht gelingt, bin ich bereit, einen Schritt zur Seite zu machen und meinen Platz einem jüngeren Fahrer zu überlassen. Aber ich möchte beweisen, dass ich noch genug Speed habe.» 


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