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MotoGPKolumne
Das Racing leidet, wenn Regeln nicht gut genug sind
Kaum eine Vorschrift verursachte in der MotoGP-Saison 2023 so viel Bauchschmerzen und Kopfschütteln wie die Reifendruck-Regel. SPEEDWEEK.com-Kolumnist Michael Scott wirft einen kritischen Blick darauf.
Im Artikel erwähnt

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Alle MotoGP-Fans fieberten der Saison 2025 entgegen. Ein sensationeller Dreikampf mit Marc Marquez, Pecco Bagnaia und Jorge Martin war vorprogrammiert. Doch für zwei Piloten lief das Jahr komplett aus dem Ruder.
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Wie sich das Rennen ab dem Start entwickelt, können die Ingenieure nur schwer vorhersagenWie sich das Rennen ab dem Start entwickelt, können die Ingenieure nur schwer vorhersagenFoto: F.Glänzel
Wie sich das Rennen ab dem Start entwickelt, können die Ingenieure nur schwer vorhersagen© F.Glänzel
Anarchie ist attraktiv – die Redundanz von Regeln und Autorität, weil das Volk dazu in der Lage ist, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen. Dann braucht es keine Verordnungen. Sobald die menschliche Natur zum Tragen kommt, wird es aber natürlich unmöglich.
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Auf einer weniger formellen Ebene ist der Motorradsport eine Art Anarchie: Geschwindigkeitsverrückte Spinner spielen "Ich kann schneller als du". Das klingt doch gut, oder? Sobald es aber als Meisterschaft formalisiert wird, werden Regeln zur Notwendigkeit. Das "Fahr, was geht" reicht dann nicht mehr, leider. Mit der Zeit ging es soweit, dass die Vorschriften so detailliert wurden, dass es heutzutage ein eigenes Gremium von FIM MotoGP Stewards braucht, um über die Durchsetzung des Regelwerks zu wachen. Fahrer werden schon für ein kleines Zucken auf dem Startplatz bestraft oder dafür, in der Hitze des Gefechts einen Zentimeter über die sogenannten "track limits" auf die grüne Streckenbemalung abzudriften – unabhängig davon, ob sie sich dabei tatsächlich einen Vorteil verschafften oder nicht. Standardisierte Automatismen statt intelligenter Ermessensspielraum. Die finalen Ergebnisse werden also sowohl von der Zielflagge, also auch von den Stewards entschieden. Dann weiß zumindest jeder, woran er ist.
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Die jüngste Regel – oder besser gesagt, die neueste Art und Weise, auf die eine bereits existierende und zuvor nicht durchgesetzte Regel nun angewandt wird – lässt Techniker und Fahrer ein wahres Schätzspiel spielen. Ein Spiel, bei dem es nicht wirklich einen Gewinner gibt.
Alle MotoGP-Fans fieberten der Saison 2025 entgegen. Ein sensationeller Dreikampf mit Marc Marquez, Pecco Bagnaia und Jorge Martin war vorprogrammiert. Doch für zwei Piloten lief das Jahr komplett aus dem Ruder.
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Die Rede ist von der berüchtigten Reifendruck-Regel. Alleinausrüster Michelin schreibt einen Mindestdruck vor, weil der französische Hersteller befürchtet, dass ein niedrigerer Luftdruck die Haltbarkeit des Reifens gefährden und letztendlich zu Stürzen führen könnte. Das wiederum würde ihrem Image keinen Gefallen tun.
Es handelt sich allerdings um eine Vorschrift, die allein in der zweiten Saisonhälfte nach der Sommerpause 17 der 22 Stammfahrer mindestens einmal nicht einhielten. Rivalisierende Fahrer und Teams verurteilen sie gleichermaßen. Es drohen nicht nur langweilige Rennen, das endgültige Ergebnis steht zudem auch erst rund eine Stunde nach der Zieldurchfahrt fest – so geschehen in Valencia, als Fabio Di Giannantonio zwar den Pokal für Platz 2 in Empfang nahm, anschließend aber wegen einer 3-Sekunden-Zeitstrafe nur als Vierter gewertet wurde.
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Dazu kommt, dass die Fahrer überzeugt sind, die im Namen der Sicherheit eingeführte Vorschrift mache den Sport gar nicht sicherer, eher gefährlicher. Das Schlimmste dabei ist, dass die Regeln hellseherische Fähigkeiten voraussetzen, wenn man sicher gehen will, sie nicht zu brechen. Der Mindestwert liegt vorne bei 1,88 bar, hinten bei 1,7 bar. Dieser Zielwert, der je nach Strecke leicht variieren kann, muss im Sprint (bei 15 oder weniger Runden) über 30 Prozent der Zeit eingehalten werden und im Grand Prix (bei mehr als 15 Runden) über 50 Prozent. In dieser Saison galt ein gestaffeltes Strafmaß: Eine Verwarnung beim ersten Vergehen, dann drei Strafsekunden, beim nächsten Mal sechs, dann zwölf… Nächstes Jahr wird es diesen Spielraum nicht mehr geben. Bereits beim ersten Vergehen droht die Disqualifikation.
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Es geht dabei vor allem um den Vorderreifen. Von Anfang an beklagten die Fahrer, dass das Minimum zu hoch angesetzt wurde, dass der Reifen bei 2,0 bar bereits zu sehr aufgepumpt sei und an Grip verlor. Das wirkt sich auf die Kurvenfahrt und die Bremsphase aus, das Risiko steigt an. Mit Fortlaufen des Rennens wird es immer schlimmer. Es sei denn, man ist alleine unterwegs (d.h., man führt). Denn mit dem Anstieg der Reifentemperatur im Windschatten schnellt auch der Luftdruck nach oben. Um dem entgegenzuwirken, muss der Reifendruck beim Rennstart irgendwo unter dem Limit liegen. Führt man dann jedoch von Beginn an, wird der Luftdruck kaum genug ansteigen – wenn man nicht gerade langsamer fährt, um einen Gegner vorbeizulassen. Es ist ein Rätselraten. Das zu treffende Ziel ist zwar fest verankert, die Waffe jedoch bewegt sich instabil. Der oben genannte Strafenkatalog für die Reifendruck-Vergehen trat mit dem Silverstone-GP in Kraft. Die ersten Übertretungen folgten kurz darauf: Maverick Viñales bekam in Barcelona die erste offizielle Verwarnung, sein Aprilia-Teamkollege Aleix Espargaró in Buriram die erste Zeitstrafe, die ihn von Platz 5 auf den achten Rang zurückwarf. Sie waren die Ersten einer langen Liste.
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Eine Regel, die von mehr als zwei Dritteln des Feldes gebrochen wird – ob absichtlich oder aus Versehen – fängt an, lächerlich auszusehen. Umso mehr, wenn man bedenkt, wie viele Vorderreifen dabei tatsächlich Schaden nahmen – nämlich kein einziger. Viele Fahrer jedoch stürzten über die Front, weil der Druck zu sehr angestiegen war. Die Vorschrift macht also keinen Sinn. Und die potenziellen Folgen sind sehr ernst. Hintergrund für die Problematik mit dem Vorderreifen ist die zusätzliche Belastung, denen der Reifen aufgrund der höheren "down force" und den härteren Bremsvorgängen mit Fortschreiten der Entwicklung der Aerodynamik und der Ride-Height-Devices ausgesetzt ist. Technischer Fortschritt in der Hitze des Wettbewerbs. Ein wesentlicher Grund, aus dem man Rennen fährt. Die Lösung scheint relativ einfach zu sein. Es ist Michelins Pflicht, einen Vorderreifen zu konzipieren, der stark genug ist, damit fertigzuwerden. Doch vor 2025 wird im Renneinsatz kein neuer Vorderreifen in Aussicht gestellt.
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In der Zwischenzeit wird die MotoGP mit einem grenzwertig untauglichen Regelwerk belastet. Es ist einfach nicht gut genug. Offiziell wegen des Reifendrucks verwarnt wurden 2023: Maverick Viñales (Aprilia) im GP-Rennen von Montmeló Dani Pedrosa* (KTM) im GP-Rennen von Misano Franco Morbidelli (Yamaha) im GP-Rennen von Mandalika Raúl Fernández (Aprilia) im GP-Rennen von Mandalika Aleix Espargaró (Aprilia) im GP-Rennen von Mandalika Marco Bezzecchi (Ducati) im GP-Rennen von Mandalika Pol Espargaró (KTM) im GP-Rennen von Buriram Jorge Martin (Ducati) im GP-Rennen von Buriram Marc Márquez (Honda) im GP-Rennen von Buriram Pecco Bagnaia (Ducati) im GP-Rennen von Sepang Luca Marini (Ducati) im GP-Rennen von Sepang Álvaro Bautista* (Ducati) im GP-Rennen von Sepang Enea Bastianini (Ducati) im GP-Rennen von Sepang Iker Lecuona* (Honda) im GP-Rennen von Sepang Johann Zarco (Ducati) im GP-Rennen von Lusail Augusto Fernández (KTM) im GP-Rennen von Lusail Jack Miller (KTM) ein GP-Rennen von Lusail Alex Márquez (Ducati) ein GP-Rennen von Lusail Fabio Di Giannantonio (Ducati) im Sprint von Valencia Brad Binder (KTM) im GP-Rennen von Valencia *= Wildcard-/Ersatz-Fahrer Eine 3-Sekunden-Strafe für das zweite Vergehen kassierten 2023:
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Aleix Espargaró (Aprilia) im GP-Rennen von Buriram Luca Marini (Ducati) im Sprint von Valencia Franco Morbidelli (Yamaha) im Sprint von Valencia Fabio Di Giannantonio (Ducati) im GP-Rennen von Valencia
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