Lin Jarvis: «Concessions leider sehr wichtig für uns»
Erstmals seit 2003 gewann Yamaha in der abgelaufenen Saison keinen Grand Prix. Fabio Quartararo, 2021 noch Weltmeister, kam nicht über den zehnten Gesamtrang hinaus. Sein Teamkollege Franco Morbidelli verabschiedete sich als WM-13. in Richtung Pramac-Ducati.
Um gerade den strauchelnden japanischen Herstellern unter die Arme zu greifen, wurde nach langem Hin und Her und vielen Diskussionen in der Herstellervereinigung MSMA ein neues «concessions»-System auf den Weg gebracht: Die Werke werden ab 2024 in vier Gruppen eingeteilt, basierend auf den gesammelten Konstrukteurspunkten. Yamaha befindet sich aktuell neben Honda in der schwächsten Gruppe D, weil weniger als 35 Prozent der maximalen Konstrukteurs-WM-Punkte erbeutet wurden.
Die Japaner bekommen dadurch eine Reihe von Zugeständnissen, die neben größeren Freiheiten bei den Tests (260 Testreifen, private Tests auch mit Stammfahrern, auf allen GP-Strecken) ein zweites Update beim Aerodynamik-Paket und vor allem die Motorenentwicklung auch während der Saison erlauben. Zudem sind 9 oder 10 Triebwerke pro Fahrer und Saison gestattet (je nach Anzahl der Rennen), bei Ducati in der Gruppe A im Vergleich dazu nur 7 oder 8.
Yamaha-Rennchef Lin Jarvis geht im Interview mit SPEEDWEEK.com unter anderem auf die Notwendigkeit dieser «concessions» ein.
Lin, euer Testfahrer Cal Crutchlow meinte in Japan, es fehle der M1 nicht die Power, sondern nur die Art und Weise, wie dieser Power eingesetzt werden kann. Fabio Quartararo ist da anderer Meinung. Auf wen sollte man hören?
Letztendlich dem Fahrer, der die Grands Prix fährt. Der Testfahrer hat viel Erfahrung und gibt seine Ideen ab. Aber wenn Fabio vielleicht bemerkt, dass er mit einem anderen Motor und einer etwas anderen Fahrweise schneller ist, ist er bestimmt schnell überzeugt. Luca Marmorini setzt viel Vertrauen in den Reihen-Vierzylinder. In Katar haben wir sogar gesehen, dass Fabio andere Fahrer auf der Geraden überholt hat – und einen Topspeed van 353 km/h mit einer M1, das sieht man nicht oft! Bei uns fehlt es momentan bei der Beschleunigung. Wenn die Strecke weniger Grip bietet, beschleunigen die Konkurrenten viel besser aus den Kurven raus als wir. Daran muss man arbeiten und das wird Cal machen. Er glaubt, wir brauchen bei niedrigen Umdrehungen nicht so viele PS.
Wie wichtig sind für Yamaha die «concessions» und was braucht ihr?
Sie sind – leider – sehr wichtig für uns. Wenn wir wieder den Schritt nach vorne machen wollen, dann brauchen wir mehr Möglichkeiten, um zu testen. Nächstes Jahr haben wir ja auch nur zwei Fahrer. Das Testen wird uns helfen, es wird uns mehr Freiheit geben. Wir können mehr Motoren einsetzen und auch während der Saison die Spezifikationen ändern.
Das Qualifying, das ist eine andere Sache. Uns gelingt es nicht, den Grip, den ein neuer Reifen bietet, voll zu nutzen. Wir finden diese letzte halbe Sekunde nicht, die Konkurrenz kann das dagegen. Am Freitagnachmittag in Valencia lagen wir auf Rang 13 und 14. Wenn man auch in der Startaufstellung auf diesen Plätzen steht, noch dazu auf einer Strecke wie Valencia, auf der das Überholen schwierig ist, dann ist man schon im Rückstand.
2024 wird es möglich sein, bis zu sechs Wildcard-Einsätze zu absolvieren. Wird Yamaha das nutzen?
Es hat keinen Zweck, wenn diese Wildcard-Einsatz nicht Teil von unserem Entwicklungsprogramm sind. Aber wir werden bestimmt mehr machen als in diesem Jahr, denn eine ist viel zu wenig. Ich bin überzeugt, wir machen wenigstens drei, vielleicht mehr. Wir haben den Vertrag mit Cal wieder um zwei Jahren verlängert. Wir werden auch mehr Tests in Europa abhalten.
Hast du Verständnis dafür, wenn nicht alle Werke der Meinung sind, dass ein Konkurrent, der drei Podestplätze und auch in den letzten Rennen noch einige Top 5-Resultate erreicht hat, Zugeständisse brauche?
Ja, das verstehe ich. Manche Leute sind der Meinung, es gibt zu viele Ducati in der WM. Das ist auch meine Meinung, aber unfair ist es trotzdem nicht. Sie haben diese sehr starken Maschinen zu einem guten Preis angeboten. Andere Werke haben das nicht gemacht und für Ducati hat das gut funktioniert, mit jetzt acht Fahrern.
Für die Meisterschaft, glaube ich, wäre es besser, ein Limit zu haben von, sagen wir, sechs Maschinen, statt eines Ducati-Cups, so wie manche Leute die WM im Moment umschreiben. Aber, obwohl sie stärker sind als wir, haben Aprilia und KTM auch noch nicht das Niveau von Ducati. Wenn Yamaha und Honda von diesen Concessions profitieren, wird es natürlich für diese zwei Werke auch schwieriger. Also, ich verstehe es, aber sie sollen nicht vergessen, dass Yamaha und Honda damals auch zugestimmt haben, dass es für neue Konstrukteure «concessions» geben sollte.
Es geht um also um das große Ganze, meinst du?
Korrekt. Es ist besser für die Meisterschaft und so können wir verhindern, dass die japanische Werke die MotoGP in Zukunft verlassen. Das ist langfristig viel wichtiger.
Yamaha wird der WM nicht den Rücken kehren?
Nein, bestimmt nicht.