MotoGP: Ducati vom V-Motor überzeugt

MotoGP-WM 2024: Das Ende der Zwischenherrschaft?

Kolumne von Michael Scott
2023 war ein Ducati-Jahr, das ist unbestritten. Spannender ist die Frage, wie es 2024 mit Marc Márquez auf einer Desmosedici weitergeht. Kolumnist Michael Scott mit einer Standortbestimmung nach dem Valencia-Test.

Hinter uns liegt eine denkwürdige MotoGP-Saison. Die doppelte Anzahl an Rennen bescherte uns die doppelte Portion an Spannung (und mehr als doppelt so viele Verletzungen), dazu hielt das neue Sprint-Format die Titelentscheidung bis zum 39. und letzten Start der Saison offen.

Francesco «Pecco» Bagnaia erwies sich als reifer und stärker in den Volldistanz-Rennen – und hätte es wie bisher nur Punkte am Sonntag gegeben, hätte er die Weltmeisterschaft schon einen Grand Prix früher für sich entschieden. Der explosive Herausforderer Jorge Martin war in den actiongeladenen Sprintrennen jedoch besser und die über die kurze Distanz gesammelten Punkte gaben ihm bis zum Schluss eine Chance auf den Titelgewinn.

Nicht abzustreiten war bei all der Aufregung, dass Ducati in jedem Fall die größten Gewinner waren. Die Roten taten dabei so, als wäre es ihnen egal, ob ihr Werksfahrer oder Pramac-Kundenteam-Vertreter Martin, dem im Vorjahr bei der Besetzung des Ducati Lenovo Teams Enea Bastianini vorgezogen wurde, den Titel für das Werk aus Borgo Panigale holen würde.

Ich glaube tatsächlich nicht, dass es ihnen wirklich etwas ausgemacht hätte. Ducati triumphierte in jedem Fall – und platzierte dazu noch Bezzecchi und Zarco auf den Rängen 3 und 5. Einzig der widerspenstige Südafrikaner Brad Binder sprengte auf der Red Bull-KTM als WM-Vierter die totale Dominanz der Italiener.

Es war ein Ducati-Jahr. KTM hatte sich doch noch nicht genug verbessert, Aprilias Aufschwung geriet nach 2022 etwas ins Stocken und die japanischen Vertreter, Yamaha und Honda, gerieten peinlich ins Straucheln.

So sind auch die Weichen für 2024 gestellt – mit einem Spielverderber. Selbst die besten Ducati-Asse könnten in diesem Winter unter schlaflosen Nächten leiden. Denn im nächsten Jahr wird der beste Fahrer aus dem vergangenen Jahrzehnt ebenfalls auf einer Desmosedici sitzen.

Das Ende einer Ära

Marc Márquez‘ Abschiedsvorstellung auf der Honda beim Saisonfinale in Valencia war ein spektakulärer letzter Tanz, passend für eine Legende – nicht unbedingt der harte Abflug im GP-Rennen, gleichzeitig Marcs rekordverdächtiger 29. Crash in diesem Jahr, sondern vor allem sein Sprint-Podium am Samstag… Sein letztes auf der RC213V, das er einmal mehr aller Widrigkeiten zum Trotz errang.

«Ihr kennt mich», grinste Marc vielsagend, nachdem er bewiesen hatte, dass ihn ein nicht konkurrenzfähiges Bike selbst auf einer engen Strecke nicht einbremsen konnte. Der 30-jährige Superstar hatte sich schließlich vom neunten Startplatz in nur einer Runde auf den dritten Rang nach vorne gekämpft.

Ein emotionales Dankeschön an Honda, nach elf denkwürdigen Jahren mit sechs WM-Titeln aus den ersten sieben Saisons – gefolgt von vier Jahren, in denen der Zauber schrittweise verlorenging. Es war das Motorrad, das ihn im Stich gelassen hatte. Sein folgenschwerer Sturz beim verspäteten Saisonauftakt 2020 in Jerez passierte, als er wie üblich versuchte, mehr als das eigentlich Mögliche zu erreichen.

Darauf folgte – laut Marcs eigenen Aussagen – sein größter Fehler, nur vier Tage nach der Oberarm-OP wieder auf seine Repsol-Honda steigen zu wollen. Dadurch wurde die Genesung beeinträchtigt, erst nach total vier Operationen und fast zwei Jahre später wurde sein Arm endlich ordentlich geradegerückt.

Marc muss eine Teilschuld dafür übernehmen, dass Honda in der Entwicklung der RC213V vom Weg abgekommen ist. Anstatt zur Verbesserung beizutragen, übertünchte sein Genie die Probleme des Bikes.

Mit seinem letzten Sturz in seinem letzten Rennen für das Repsol-Honda-Werksteam fiel der Vorhang, zwei Tage später öffnete sich mit dem Garagentor der Gresini-Ducati-Box ein neues Kapitel. In teuflisch schwarz-rotem Leder gekleidet machte Marc Márquez erstmals mit der Desmosedici GP23 Bekanntschaft, die gerade erst die Weltmeisterschaft gewonnen hatte.

Würde der achtfache Weltmeister vorsichtig zu Werke gehen? Würde er sich die Zeit nehmen, sich erst einmal mit dem für ihn neuen Motorrad vertraut zu machen, wie es jeder vernünftige Mensch machen würde?

Ganz genau… In seinem ersten Run, nach seinen ersten sieben Runden, lag er schon auf dem dritten Rang der Zeitenliste. Als er in die Gresini-Ducati-Box zurückkehrte und seinen Helm abnahm, war wieder dieses Grinsen zu sehen.

Natürlich wurde Marc dann nur noch schneller und führte das Klassement zwischenzeitlich sogar an. Am Ende des Tages war der Ducati-Neuling auf Rang 4 zu finden – hinter Valencia-GP-Polesetter Maverick Viñales, Red Bull-KTM-Ass Brad Binder und dem WM-Dritten Marco Bezzecchi, der sich um weniger als eine Zehntelsekunde vor seinem neuen Markenkollegen hielt. Weltmeister Pecco Bagnaia war eine halbe Sekunde langsamer.

«Bez» hatte aber auch schon zwei Jahre Zeit, um die Geheimnisse der Desmosedici kennenzulernen, Marc nur 49 Runden und ein paar Stunden. Ein deutliches Zeichen.

Marc Márquez will wieder lächeln

Marc Márquez erklärte immer wieder, dass er seine Komfortzone bei Honda vor allem deshalb verlassen würde, um wieder Freude am Fahren zu haben, an Ergebnisse würde er weniger denken. Schön und gut, aber seine Rivalen müssen sich dem bewusst sein, was das wirklich bedeutet.

Für Marc rührt die Freude am Rennfahren vielleicht tatsächlich nicht von den Ergebnissen her. Es geht ihm darum, die anderen Fahrer zu schlagen. Die Ergebnisse stellen sich dann wie selbstverständlich ein.

Sollte es noch irgendwelche Zweifel an seinen Absichten gegeben haben: Vom Valencia-Test ging es direkt in den OP-Saal, um mögliche «arm pump»-Beschwerden auszuschließen. Marc beabsichtig ganz klar in jeglicher Hinsicht – mit Körper und Geist – bereit zu sein, um wieder zu gewinnen.

Natürlich, es waren bisher nur Testfahrten. Und Marc ist nur ein Fahrer aus der achtköpfigen Desmo-Armada. Der Rest, Bagnaia und Martin eingeschlossen, sollten sich dennoch nicht zu wohl fühlen.

Die Titelträger zwischen 2020 und 2023 profitierten von einer Pause, einer Art Zwischenherrschaft. Marc kommt zurück. Und er verließ Honda nicht, um auf Urlaub zu gehen.

Ergebnis Valencia-Test (28. November 2023):

1. Viñales, Aprilia, 1:29,253 min
2. Binder, KTM, + 0,028 sec
3. Bezzecchi, Ducati, + 0,093 sec
4. Marc Márquez, Ducati, + 0,171
5. Raúl Fernández, Aprilia, + 0,263
6. Alex Márquez, Ducati, + 0,385
7. Di Giannantonio, Ducati, + 0,409
8. Bastianini, Ducati, + 0,543
9. Miller, KTM, + 0,648
10. Marini, Honda, + 0,703
11. Bagnaia, Ducati, + 0,717
12. Quartararo, Yamaha, + 0,769
13. Mir, Honda, + 0,798
14. Augusto Fernández, KTM, + 0,824
15. Martin, Ducati, + 0,899
16. Morbidelli, Ducati, + 0,953
17. Zarco, Honda, + 1,030
18. Acosta, KTM, + 1,223
19. Rins, Yamaha, + 1,311
20. Crutchlow, Yamaha, + 1,512
21. Nakagami, Honda, + 1,723
22. Aleix Espargaró, Aprilia, + 3,059
23. Savadori, Aprilia, + 3,431

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