Max Verstappen: «Marc Marquez ist der Beste»

Die MotoGP braucht einen lächelnden Bösewicht

Kolumne von Michael Scott
MotoGP heute: zu nett?

MotoGP heute: zu nett?

Die aktuelle MotoGP-Ära ist neben all der Rennaction geprägt von Freundschaften. Vorbei sind die Zeiten der großen Rivalitäten. Mit Marc Márquez und Pecco Bagnaia zusammen im Ducati-Werksteam gibt es Hoffnung für 2025.

Was läuft falsch in der MotoGP? Nun, eigentlich eine ganze Menge (und, um fair zu sein, eine ganze Menge läuft auch gut). Aber der wichtigste Punkt ist auf der persönlichen Seite zu finden: Alle sind viel zu nett zueinander.

Ich spreche hier von den Fahrern. Diese überlebensgroßen Figuren, die uns die PR-Maschine der Dorna in den verschiedenen elektronischen Medien präsentiert und die am Morgen des Renntages auf Anhängern durch die Gegend rollen, wo sie pflichtbewusst den meist leeren Tribünen und dankbaren Streckenarbeitern zuwinken. Und das alles, während sie angenehme, unaufdringliche Interviews geben.

Alles nette Jungs – tödliche Rivalen auf der Rennstrecke, abseits davon beste Freunde. Kann es das sein? Sie riskieren ihren Hals, um sich gegenseitig in einem Sport zu besiegen, bei dem es um Leben und Tod geht. Tut mir leid, aber die warme, kuschelige Atmosphäre ist so falsch wie Krokodilstränen. Es muss etwas unternommen werden, um wieder mehr Würze und offene Rivalität in die Meisterschaft zu bringen.

Ich mache Bagnaia keinen Vorwurf, der alles daransetzt, um mit einem dritten Titel in Folge zu den ganz Großen zu gehören. Er ist ein wunderbarer Fahrer und verdient alles, was er bekommt. Sowohl auf dem Bildschirm als auch persönlich wirkt er wie ein aufrichtiger, netter Kerl. Aber er ist nicht übermäßig mit Charisma ausgestattet. Er muss den Killerinstinkt haben, um das zu tun, was er tut, aber man sieht es ihm nicht an. Er braucht ein paar Tipps von seinem Mentor Valentino Rossi, denn Vale war (ist) der Inbegriff des lächelnden Bösewichts. Er hatte viel Charme und jeder mochte ihn so sehr, dass sich so ziemlich jeder automatisch auf seine Seite stellte, wenn er seine Rivalen verhöhnte.

Sein Umgang mit Max Biaggi zum Beispiel war, nüchtern betrachtet, eine Form von Mobbing. Er war unbarmherzig, machte ihn gnadenlos nieder und erntete viel höhnische Unterstützung. Er hatte das nicht nötig, denn er hatte großes fahrerisches Talent, aber sein Killerinstinkt kam zum Vorschein. Gab es einen einzigen Fan, der ihn nicht unterstützt hat?

Ich habe ihn einmal gefragt, ob er auch nur ein Fünkchen Mitleid mit den Fahrern hatte, die er Woche für Woche rituell demütigte. Er gab sein typisches Lachen von sich. Als ob… Rossi wandte die gleiche Taktik auch bei anderen Rivalen an – Gibernau und Melandri, um nur zwei zu nennen. Sie hätten es vielleicht als Zeichen des Respekts aufgefasst... wenn es nicht so weh getan hätte. Er hat sie trotzdem alle geschlagen, während er die jubelnden Fans mit sich riss.

Das Gleiche hat er bei Marc Márquez versucht, mit dem gleichen Ergebnis bei den Fans. Meistens. Aber inzwischen hatte sich das Blatt gewendet, eine neue Ära war angebrochen. Während die Ergebnisse von Rossi zu schwächeln begannen, wurden die von Márquez immer besser. Der Spanier seinerseits zeigte immer wieder den Kontrast zwischen seinem Chorknaben-Aussehen und seiner mörderischen Kampfeslust.

Der Streit spitzte sich 2015 in Malaysia zu. Márquez wurde beschuldigt, Rossis Yamaha-Teamkollegen Lorenzo zu unterstützen (indem er ihn im vorherigen Rennen besiegte?), gefolgt von dem berüchtigten Tritt während des Rennens, der Márquez zu Fall brachte und ausschaltete. Zur Strafe musste Rossi im darauffolgenden letzten Rennen von der letzten Position starten – seine Aufholjagd auf Rang 4 blieb unbelohnt, er verlor seinen achten WM-Titel in der Königsklasse um fünf Punkte.

Das Ganze soll keine Missachtung von Valentino sein. Manche mögen Mike Hailwood für einen besseren Fahrer halten; Agostini, Kenny Roberts, Rainey, Schwantz, Doohan ... Die Vergleiche sind unterhaltsam, aber nicht relevant. Alle von ihnen hatten zu ihrer Zeit einen gewissen Grad an Größe. Aber Rossi ist in einem Punkt mit Sicherheit der Größte aller Zeiten: Popularität. Sein grenzenloser Charme und sein Charisma brachten den Motorradrennsport einem großen Publikum näher – mehr als je zuvor. Sein unvermeidlicher Rücktritt hinterließ im Sport eine Lücke, die bisher nicht zu füllen war. Der einzige vergleichbare Fahrer war Barry Sheene – ein weiterer, dessen Charme und Massenattraktivität alles in den Schatten stellte. Die anderen Fahrer litten darunter, die Fans liebten ihn. Ein weiterer lächelnder Bösewicht.

An wen können wir uns jetzt wenden, um die aktuelle Ära aus ihrer Wohlfühl-Atmosphäre zu befreien? Aus einem Umfeld, in dem die Spitzenfahrer als fröhliche Kumpels dargestellt werden, obwohl sie unter der Fassade allesamt durch und durch getriebene Persönlichkeiten sind, die nichts lieber tun, als jeden Rivalen bei jeder Gelegenheit zu besiegen? Ganz gleich, wie sehr sie nach außen hin lächeln mögen.

Nun, es gibt eine gewisse Hoffnung. In der Vergangenheit gab es die größten Streitereien zwischen Teamkollegen. Rossi bestand auf einer Mauer in der Mitte der Yamaha-Box, während Jorge Lorenzo auf der anderen Seite stand. Denken Sie auch an Mick Doohan und Wayne Gardner: Landsmänner, Rothmans-Honda-Teamkollegen und Todfeinde. Auch Gardner und ein anderer Rothmans-Honda-Fahrer, Eddie Lawson.

Nächstes Jahr wird es wieder passieren: Marc Márquez und Pecco Bagnaia zusammen im Ducati-Werksteam. Und wie Bagnaia kürzlich sagte: «Es könnte sehr gut werden, oder ein Desaster.» In der MotoGP gibt es jetzt wieder eine richtige Rivalität – das wurde auch Zeit.

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