Großartiges MotoGP-Kino: Der Australien-GP 2023
Australien-GP 2023, letzte Runde: Jorge Martin wird von den Verfolgern gestellt
Phillip Island hatte danke seines sehr speziellen Layouts, den oft unkalkulierbaren Wetterbedingungen (wie der Name vermuten lässt, liegt die Rennstrecke direkt am Meer) und des extrem belasteten Reifenmaterials regelmäßig außergewöhnliche Rennverläufe zu bieten.
Die Ausgangslage vor 12 Monaten war nicht minder spannend als in der laufenden Saison. Im GP von Indonesien und damit direkt vor dem Abflug nach Australien hatte die WM-Führung von Jorge Martin an Pecco Bagnaia gewechselt. Der Weltmeister erreichte Phillip Island mit einem Vorsprung von 18 Zählern auf den «Martinator».
Der Spanier ging in die Vollen, holte sich auf einer seiner Lieblingsstrecken Startplatz 1. Werksfahrer Bagnaia konnte den Rivalen als Dritter bestens im Auge behalten. Dazwischen hatte sich Brad Binder gequetscht, der zu diesem Zeitpunkt noch Chancen verspürte, Marco Bezzecchi von Platz 3 in der WM zu verdrängen.
Mit dem Startschuss setzte sich Pramac-Pilot Jorge Martin in Führung. Als gäbe es kein Morgen, brauste die #89 auf weichen Michelin-Mischungen auf und davon. Martin legte einen perfekten Lauf hin und fuhr sich zur Halbzeit des Australien-GP einen soliden Vorsprung von 3,5 Sekunden heraus.
Bis zehn Runden vor Ende des Grand Prix gelang es dem Spanier, den Vorstand konstant zu verwalten. Fabio Di Giannantonio, Brad Binder und Weltmeister Bagnaia rangen um die weiteren Podestplätze. Während nicht wenige den souveränen Jorge Martin längst in Siegerpose sahen, herrschte in der Pramac-Box große Unruhe. Die Technik-Mannschaft war sich des hohen Risikos bei der Reifenwahl bewusst.
Dann erwischte es den Führenden. Nahezu digital ließ die Haftung des weichen Hinterreifens nach 75 Prozent Renndistanz nach und der Vorsprung schmolz – erst langsam, dann rapide. Als Martin noch viermal um den Kurs musste, lag er noch zwei Sekunden vor der vierköpfigen Meute mit einer KTM und drei Ducati-Piloten.
Auch eingangs der letzten Runde hatte die #89 den ersten Platz in Beschlag. Doch die 0,4 Sekunden reichten nicht für den GP-Triumph aus. In der letzten halben Runde des Australien-GP wurde Jorge Martin von der gesamten Gruppe gestellt und überrollt. Brad Binder, der am schlechtesten durch das Gemenge gekommen war, beschleunigte die Pramac-Ducati des Madrilenen erst zum Zielstrich aus.
Sensationell war nicht nur zu verfolgen, wie Poker-Martin unterging, denn auch innerhalb der Gruppe wechselten die Positionen in der letzten Runde in jeder Kurve. Der Schampus, den das Pramac-Team für Jorge Martin kalt gestellt hatte, wurde nun zu Ehren des Teamkollegen entkorkt. Johann Zarco hatte sich das Gummi am besten eingeteilt. Für den Franzosen war es der erste Sieg überhaupt in der Königsklasse.
Pecco Bagnaia verließ Phillip Island ebenfalls als großer Sieger. Während es nur 10 Minuten vor Rennende nach einer derben Niederlage und einem neuerlichen WM-Gleichstand ausgesehen hatte, ließ sich die Startnummer 1 als Zweiter mit 20 WM-Punkten reich beschenken. Jorge Martin verlor als Fünfter weitere 9 Punkte auf den Italiener; eine erste Vorentscheidung um die MotoGP-Krone war nach einem gescheiterten Reifenexperiment gefallen.
Besserwisser warfen Jorge Martin falsches Reifenmanagement vor. Hätte er die Konkurrenz in der ersten Rennhälfte nicht deklassiert, sondern nur kontrolliert, wäre ihm der Sieg in Australien sicher gewesen.
2024 ist die Ausgangslage wieder außergewöhnlich. Mit 10 Punkten Differenz liegen die besten Ducati-Piloten in umgekehrter Reihenfolge an der Spitze. Nicht geändert hat sich die erdrückende Macht der Ducati Desmosedici.
Als sicher gilt, dass es in diesem Jahr einen anderen GP-Sieger auf Phillip Island geben wird. Johann Zarco rangiert als bester Honda-Pilot auf WM-Rang 17.