Jorge Martin im siebten MotoGP-Himmel – und am Boden
Im Wettstreit der spannenden Premieren hatte sich Spaniens MotoGP-Weltmeister Jorge Martin den ersten Platz vor Marc Marquez gesichert. Nicht erst durch den Gewinn des WM-Titels am Sonntag wurden die Objektive vor allem auf den Racer aus Madrid scharf gestellt.
Der erst durch die für Jorge Martin verschlossenen Türen im Ducati-Werksteam zustande gekommene Vertrag bei der Konkurrenz aus Noale war die Geschichte des Transfers-Karussells 2024 schlechthin. Während sich Italien noch uneinig über den Aufstieg von Marc Marquez ist, wurde der Eintritt des «Martinators» bei Aprillia Racing schon am ersten Tag aus voller Kehle besungen.
Als sich Jorge Martin um kurz nach 9 am Morgen erstmals im neuen Dress aus der Box wagte, tobten die Fans. Kurzzeitig verwandelten die wenigen Tausend Zuschauer des Tests auf der Haupttribüne die Szene in den berühmten Hexenkessel – getoppt wurde die Stimmung nur noch vom Roll-out um kurz 11.
Die folgenden sechs Stunden nutzte Jorge Martin für intensive 77 Runden auf dem Circuit – die neue #1 zählte damit neben Boxennachbar Marco Bezzecchi zu den fleißigsten Athleten. Apropos Nummer: Noch spielt der Weltmeister mit den Zahlen. Auf den offiziellen Listen und Anzeigen wurde Jorge Martin weiterhin mit der #89 geführt. In der Box war zusätzlich die #1 aufdekoriert. Mit dem Stern-Design auf dem Motorrad selbst sorgte der Champ für die dritte Variante.
Der noch schüchterne Umgang mit dem neuen Status ist auch in der vertraglichen Situation begründet. Offiziell gilt der Spanier noch bis Jahresende als Ducati-Sportler. Damit waren dem größten Star des Barcelona-Tests sämtliche offizielle Wortspenden untersagt.
Interessanter war ohnehin das, was sich auf dem Asphalt abspielte. Gemächlich ließ es der Neuankömmling nur zwei Runden angehen, dann siegte das Rennfahrer-Temperament und Martin bemühte sich flink auf gute Zeiten zu kommen.
Über den gesamten Testtag pendelte sich Martin, der abwechselnd die Aprilia RS-GP der Saison 2025 mit der noch aktuellen Ausbaustufe verglich, bei einer Sekunde Rückstand auf die Bestzeit ein. Der Zeitenmonitor wies Martin stets zwischen Platz 8 und 15 aus. Interessant: Auch Marco Bezzecchi trieb die gleichen Varianten nahezu gleich schnell um den Kurs.
Bemerkenswert außerdem: Während Bezzecchi mit weißer Weste debütierte, patzte der Weltmeister, indem er sich zur Mittagszeit auf ein Duell unter Freunden einließ. Martin hatte den besten Kumpel und Honda-Debütanten Aleix Espargaro ausgemacht. Die beiden Racer wechselten die Positionen mehrfach und waren zügig unterwegs, als dem Aprilia-Fahrer Martin in Kurve 5 die Front der RS-GP entglitt. In der Box wurde über den harmlosen Zwischenfall gegrinst. Der Weltmeister hatte damit auch den Grenzbereich der Aprilia frühzeitig ausgeflaggt.
Bis kurz vor Ende des Testtags in Catalunya war der Pilot der Sternen-Aprilia bester RS-GP-Pilot. Dass Martin in der letzten Stunde ausgerechnet von Trackhouse-Pilot Raul Fernandez aus den Top-10 verdrängtwurde, hat wenig Aussagekraft.
Deutlich mehr lässt sich in die mehrfachen Verbremser interpretieren. Die Premiere des 26-Jährigen war nicht von Geschmeidigkeit geprägt. Während etwa Pecco Bagnaia beinahe künstlerisch um die Piste fuhr – und dabei schneller war – glich der tapfere Ritt des Weltmeisters in jeder Runde einem Rodeo-Ritt. Auch Nicht-Experten haben am Testtag verstanden, dass es noch viele Runden brauchen wird, um den Martinator vollkommen mit der Aprilia zu vereinen.
Zugleich ist die Basis vorhanden und in Sachen weltmeisterliche Stimmung ist es Jorge Martin auf Anhieb gelungen, die gesamte Aprilia-Mannschaft zu infizieren.
Ergebnisse MotoGP-Test Barcelona (19. November):
1. Alex Márquez (E), Ducati, 1:38,803 min
2. Fabio Quartararo (F), Yamaha, +0,396 sec
3. Francesco Bagnaia (I), Ducati, +0,595
4. Marc Márquez (E), Ducati, +0,651
5. Raúl Fernández (E), Aprilia, +0,668
6. Brad Binder (ZA), KTM, +0,705
7. Franco Morbidelli (I), Ducati, +0,762
8. Alex Rins (E), Yamaha, +0,765
9. Pedro Acosta (E), KTM, +0,768
10. Johann Zarco (F), Honda, +0,813
11. Jorge Martín (E), Aprilia, +1,056
12. Maverick Viñales (E), KTM, +1,084
13. Marco Bezzecchi (I), Aprilia, +1,192
14. Aleix Espargaró (E), Honda, +1,204
15. Joan Mir (E), Honda, +1,267
16. Enea Bastianini (I), KTM, +1,279
17. Miguel Oliveira (P), Yamaha, +1,335
18. Luca Marini (I), Honda, +1,429
19. Michele Pirro (I), Ducati, +1,683
20. Fermin Aldeguer (E), Ducati, +1,761
21. Ai Ogura (J), Aprilia, +2,143
22. Jack Miller (AUS), Yamaha, +2,222
23. Somkiat Chantra (TH), Honda, +2,492
24. Lorenzo Savadori (I), Aprilia, +8,793