Bryan Staring: «Bin nicht zum Spass hier»
Bryan Staring bei der Gresini-Teampräsentation
Fokussiert. Auf jeden Fall. Vorbereitet, gewiss. So sehr, dass Bryan Staring, der 25-jährige Australier, nach seiner Vertragsunterzeichnung beim Gresini-Team als FTR-Honda-Pilot über den Winter einige Lektionen Italienisch nahm. Bei der Teampräsentation letzte Woche in Mailand überraschte er jeden, weil er zeigte, dass er die Sprache bereits ein wenig versteht und sich in einfachen Sätzen ausdrücken kann. Wenn bei diesem Kerl etwas klar ist, dann dies, dass er jede sich bietende Möglichkeit nutzt und keinen Schwierigkeiten aus dem Weg geht.
«Du kommst nicht spasseshalber von Australien nach Europa. Du musst Opfer bringen. Wenn du diesen Umzug machst, nur deshalb, um einen Job zu erledigen», sagt Bryan mit einer ruhigen, weichen Stimme. Er wird der einzige Australier in der MotoGP-WM sein, unmittelbar nach Casey Stoner; aber auf einer Claiming-Rule-Maschine. Das ist ein grosser Unterschied, auf den wahrscheinlich nicht alle seiner Landsleute vorbereitet sind.
«Wir haben zwei Aussies in der kleinen Klasse und Anthony West in der Moto2. CRT? Den Leuten, die sich im Sport auskennen, brauchst du nichts zu erklären. Es den Leuten ohne Ahnung oder Leuten, die meine Rennen in der Supersport- und Superbike-WM verfolgt haben den Unterschied zwischen den Klassen und Kategorien zu erklären, ist schwierig. Aber wenn du jemandem sagst, du fährst im selben Rennen wie Rossi, ist jeder glücklich damit.»
Bryan, du hast zwei MotoGP-Tests in Sepang hinter dir. Hast du mit anderen Fahrern gesprochen? Welchen Eindruck hast du bekommen?
Ich habe nur ein bisschen mit Alvaro Bautista (Anm.: Teamkollege) geredet. Ich kenne niemanden in diesem Fahrerlager. Alles ist komplett neu, ich bin ein bisschen mit Alvaro rumgehängt, aber die meiste Zeit natürlich mit dem Team. Die Teammitglieder kennen die Daten aus dem letzten Jahr, sie haben alle Informationen. Will ich zu anderen Dingen etwas wissen, kann ich mich an Troy Bayliss wenden, der Erfahrung hat. Grundsätzlich kann dir jeder irgendwas erzählen, bis du erstmals selber an die Strecke kommst...
In Europa war es eine grosse Überraschung, dass du in den Gresini-Plänen aufgetaucht bist. Hat sich das Team bei dir gemeldet oder du bei ihm?
Ein bisschen etwas von beidem. Ich hatte mich nach einer guten Möglichkeit umgeschaut und ich vermute, sie haben in diesem Bereich (Anm.: Superstock-1000-Cup, Superbike-WM) Ausschau gehalten. Ich denke, so sind wir zusammengekommen. Offensichtlich ist das eine gute Möglichkeit für mich. Ich habe nicht erwartet, hier zu sein. Aber wenn du eine solche Chance bekommst, heisst es 'untergehen oder schwimmen'. Du musst dir die Frage stellen, ob du genug gut für diese Aufgabe bist. Ich glaube daran, dass ich es bin. Es ist ein grosser Schritt. Denselben Schritt hat letztes Jahr Danilo Petrucci gemacht, es ist also möglich. Die Zeit wird es zeigen.
Wahrscheinlich hätte es geholfen – in Sachen vorauseilender Ruf – die letzte Saison besser abzuschliessen. Du hast drei Siege geholt, aber es hätte vielleicht auch die Meisterschaft sein können.
Der Start in die Saison war nicht gut gewesen. Ich bin in einigen Rennen gestürzt. Mitte Saison, als wir eine gute Form erreicht und die Chance auf die Meisterschaft hatten, sind mir zwei grosse Fehler unterlaufen. Ich bin in Deutschland gestürzt, und ich bin in Frankreich gestürzt. Wir hätten wahrscheinlich alle sechs Rennen am Schluss gewinnen können, aber es wurden nur drei Siege. Aus diesem Grund muss ich sagen, dass es keine gute Saison war.
Wie ist deine Karriere in Australien verlaufen?
Ich habe drei nationale Titel gewonnen. 125 ccm, Supersport und Superbike. Ich wurde an der Westküste geboren und habe die ersten 18 Jahre in Perth verbracht. Mein Vater arbeitet als Rettungssanitäter, meine Mutter ist Buchhalterin. Ich bin an die Ostküste gezogen, als ich erstmals Werksfahrer wurde. Ich habe gefühlt, dass es besser wäre, in der Nähe des Teams in Melbourne zu sein. Es lag auf dem Weg nach Phillip Island. Dort bin ich ein paar Jahre geblieben und dann zog ich an die Gold Coast. Dort bin ich glücklich.
An der Gold Coast hast du diverse Rennfahrer als Nachbarn...
Ja, aber nicht so viele aus der MotoGP. Ich habe schon mit Chris Vermeulen gesprochen, ich kenne Troy Bayliss und ein paar andere Fahrer. In Europa werde ich in Italien wohnen, wahrscheinlich in der Nähe von Gresini Racing.
Was erwartest du von der Saison 2013?
Die Tatsache, dass Michele Pirro (Anm.: Vorgänger auf der FTR-Honda) im letzten Rennen 2012 mit Rang 5 ein grossartiges Resultat erreichte, ist gut und schlecht gleichzeitig. Positiv daran ist, dass es das Motorrad und das Team draufhaben, ich bin sehr zuversichtlich mit dieser Crew. Das Team ist wunderbar, absolut unbeschreiblich, es ist sehr positiv, dass Pirro dieses Resultat mit der CRT-Maschine holen konnte. Aber gleichzeitig ist das ein grosses Ziel, es gibt viele Schritte zu machen, um es zu erreichen. Es wird also ein langer Weg sein, um ein solches Resultat zu schaffen.
Womit beschäftigst du dich auf der technischen Seite am meisten?
Der Rahmen, der ein Update erhielt. Das Chassis ist gegenüber dem ersten anders geworden, das war für mich ein massiver Fortschritt. Bei der Geometrie müssen wir die beste Lösung für mich herausfinden. Wir arbeiten in vielen Bereichen, aber das Chassis ist das Hauptgebiet. Auch die Reifen sind ein grosses Thema. Jetzt verstehe ich sie ein bisschen besser. Der erste Test war unglaublich schwierig. Wir haben noch einen langen Weg vor uns. Die Art wie sich das Bike verhält und wie die Reifen arbeiten ist so anders als das, was ich kenne. Ich muss meine Fahrtechnik etwas umstellen, das kann noch etwas Zeit in Anspruch nehmen.
Hast du einen Plan B?
Ich habe keinen. Es gibt nur etwas, das ich in meinem Leben machen will: Rennen fahren; und jetzt habe ich es in die MotoGP geschafft. Dafür habe ich gearbeitet. Ich habe oft gedacht, es wäre besser, einfach als Schreiner zu arbeiten. Normalerweise kamen diese Gedanken jedes Jahr im November. Wie auch immer, ich habe nur ein Ziel. Man opfert viel, um sich selber die beste Möglichkeit zu verschaffen. Wir werden in zehn Jahren sehen, was herausgekommen ist.