Bridgestone: Auswahl verbessert, bald neue Reifen
Stefan Bradl beim Barcelona-GP: An Grip mangelt es nicht
Bridgestone wird als Einheitsreifen-Lieferant in der MotoGP-WM der Fahrer künftig mehr Flexibilität an den Tag legen – und damit auf die Kritik der Fahrer reagieren. Ausserdem wird am 16. September (das ist der Montag nach dem Misano-GP) eine neue Reifengeneration für die Saison 2014 getestet, die bereits beim Sepang-GP 2013 ausgeliefert werden kann – wenn sie sich bewährt.
Pro Grand Prix erhält jeder MotoGP-Fahrer neun Vorderreifen und elf Hinterreifen. Vorne werden für jedes GP-Weekend zwei Typen angeboten, für hinten drei. Und wenn es die Wettervorhersage als sinnvoll erscheinen lässt, wird jetzt die Reifenauswahl (Allocation) künftig zwei Tage vor dem Trainingsbeginn noch geändert.
Bridgestone hat die Performance der unterschiedlichen Hinterradreifen bei den ersten Rennen genau unter die Lupe genommen. «In Mugello hat kein einziger Fahrer hinten die härtere Mischung probiert», wundert sich Scholz. «Das ist auch Kopfsache... In Katar haben alle nur den weichen genommen. In Austin fuhren nur Márquez und Bradl den harten Hinterreifen. In Jerez war wegen der hohen Temperaturen sogar der harte Vorderreifen zu weich. Dort haben wir einen Fehler gemacht. Dass in Mugello niemand den harten Hinterreifen probiert hat, war vielleicht auch durch die Situation bedingt. Am Freitag war es kalt, also fingen alle mit dem weichen Hinterreifen an. Dann wollte keiner Zeit mit dem harten verschwenden. Das ist verständlich. Keiner will Zeit verschenken. Wir wussten aber vom Ducati-Test vorher, dass die harten gut funktionierten. Man wäre damit kein Risiko eingegangen.»
Mansche Mischungen funktionieren nicht
Es gab 2013 viele Rennen, wo in den Trainings die harte Mischung gar nicht probiert wurde. Auf dem Sachsenring rückten alle MotoGP-Fahrer Freitag und Samstag nur mit der weicheren Hinterradmischung aus. Die härtere wurde nicht angetastet, Mit einer Ausnahme: Stefan Bradl fuhr am Freitag in einem Training den härteren Hinterreifen. «Das ist altmodisch und Zeitverschwendung», stellte Lorenzos Teammanager Wilco Zeelenberg fest. Bradl stimmte zu: «Der härtere Reifen war gar nichts.»
Dass die Fahrer nicht zufrieden sind, ist klar: Wer braucht drei verschiedene Mischungen für hinten, wenn nur eine funktioniert?
Sei dem Vorderreifen-Desaster von Jerez 2013 (es waren alle angebotenen Mischungen zu weich) waren sich die Bridgestone-Techniker klar, dass Handlungsbedarf besteht. Man wollte sich die Klagen der Fahrer und die Forderungen nach einer grösseren Auswahl nicht ewig anhören.
«Es ist ja nicht in unserem Sinne, wenn nur ein Reifentyp funktioniert», erklärt Thomas Scholz, Chief Coordinator bei Bridgestone Motorsport. «Wir verstehen, dass sich die Fahrer eine möglichst breite Auswahl wünschen. Sie möchten hinten ständig drei oder vier unterschiedliche Reifen zur Auswahl haben. Für uns steht die maximale Sicherheit im Vordergrund. Deshalb haben wir uns bisher immer über die harte zur weichen Mischung rangetastet. Jetzt werden wir unsere Strategie komplett ändern. Wir werden uns über die weichen Reifen zu den härteren hin arbeiten. Wir werden im Rahmen der Bandbreite, die uns zur Verfügung steht, die Allocation für die nächsten Rennen neu überdenken.»
Der Grund: Die neuen 1000-ccm-Maschinen, deren Mindestgewicht etappenweise auf 160 kg erhöht wurde, erzeugen Temperaturen, die mit den 800ern nie erreicht wurden.
Deshalb wurden für Mugello, Assen, Sachsenring, Indy und Phillip Island Reifen mit einer hitzebeständigeren Karkasse angefertigt. «Die bestehenden Produkte werden von Rennstrecke zu Rennstrecke neu analysiert», verrät Scholz. «Gleichzeitig entsteht eine neue Reifengeneration, die Mitte September in Misano erstmals getestet werden kann.»
Im Grunde ist diese «neue Reifengeneration» eine altbewährte. Sie hat ihre Anfänge zu Zeiten des Reifenkriegs gegen Michelin in den Jahren 2006 und 2007 und wurde bei den 800ern nicht mehr benötigt.
«Wenn diese neue Generation beim Misano-Test gut funktioniert, könnten wir sie im Oktober in Sepang zum Rennen bringen und nicht erst 2014»m verrät Scholz. «Diese Generation und diese Mischungen haben wir schon bei den 990ern zu Wettbewerbszeiten eingesetzt. Im Prinzip kann man sagen, unsere Reifen werden wieder weicher. Im Grunde haben sich unsere augenblicklichen Reifen in eine zu harte Richtung entwickelt, sie sind zu langlebig geworden. Aber bei uns kommt immer die Sicherheit vor der Performance. Wichtig ist, dass die Reifen in den Rennen keinerlei Defekte aufweisen. Wir haben die Hinterreifen allerdings von der Saison 2011 zu 2012 schon weicher gemacht, um ein besseres Aufwärmverhalten zu erreichen. Das hat gut funktioniert, aber wir müssen nun die Mischungen weiter anpassen. Jetzt überlegen wir uns verschiedene Konzepte, die auf den Reifen von 2006 beruhen. Wir legen nicht die Hände in den Schoss, sondern wir überlegen, wie wir die Fahrer zufriedenstellen können.»
Bridgestone kostet eine MotoGP-Saison zwischen 20 und 25 Millionen Euro; die Reifen werden kostenlos verteilt, rund 15.000 werden pro Saison produziert.
Bridgestone vermisst die seligen Zeiten vor der Finanzkrise, als keine Testverbote existierten. «Da konnten wir mit Ducati oder Honda drei Tage nach Herzenslust testen und Reifen für die jeweilige Marke massschneidern», erinnert sich Scholz. «Heute wird weniger getestet, also müssen die Werke in erster Linie neue Motoren- und Chassis-Teile ausprobieren. Vielleicht müssen wir rigoroser verlangen, dass bei den Prototypen vermehrt neue Reifen getestet werden.»