Formel 1: Max Verstappen – alles für die Katz

Gestatten? Mein Name ist Luca Scassa!

Von Nereo Balanzin
Luca Scassa ersetzt für den Rest der Saison den verletzten Claiming-Rule-Piloten Karel Abraham im Team Cardion AB Motoracing. SPEEDWEEK.com traf den 30-jährigen Italiener.

Wenn man Luca Scassa trifft, der den verletzten Karel Abraham in Aragón ersetzte, dann ist eines klar: Er wirkt nicht wie ein neues Gesicht, auch wenn man ihn zum ersten Mal sieht. Dann erkennt man warum dem so ist: Luca erinnert sehr stark an Lupin III, einen Charakter, der durch japanische Mangas und Cartoons bekannt wurde. Jeder, der in den 80ern ein Kind war oder einen Sohn hat, der eines war, kennt den Enkel von Lupen, der von Maurice Leblanc erschaffen wurde und wie sein Großvater ein Dieb und gleichzeitig echter Gentleman ist.

Luca ist ein Gentleman aber kein Dieb. Im Gegenteil: Sein Herz wurde ihm in noch jungen Jahren gestohlen, vom Motorsport. Und er konnte es bis heute nicht wiedererlangen. Er ist der Sohn von Luigi, einem pensionierten Polizisten, der Autos und Motorräder liebt und sogar einen Laden aufmachte, in dem er neben seinem eigentlichen Beruf arbeitete. Luca erbte die Leidenschaft seines Vaters und auch das Geschäft.

Rookie of the Year wie Alex Zanardi

Als Rennfahrer war er im Jahr 2000 hinter Andrea Dovizioso Zweiter im Aprilia Cup, Italienischer Superstock-Meister 2006 und 2008 Italienischer Superbike-Champion. Zudem wurde Luca Scassa 2007 in der Amerikanischen Meisterschaft (AMA) Rookie of the Year in der Superbike-Klasse. Diese Ehre teilt er sich mit Alex Zanardi, dem als einzigem anderen Italiener diese Ehre 1996 in der Champ-Car-Meisterschaft zuteilwurde.

«Das kam sehr überraschend. Ich bin darauf sehr stolz, denn es geht bei dieser Auszeichnung nicht allein um die Punkte, die man in dieser Saison erreicht hat, denn es gibt eine Jury, die unter Berücksichtigung verschiedener Aspekte abstimmt. Ich war schon wieder in Italien, als mich ein Anruf aus den Vereinigten Staaten erreichte: ‹Würdest du bitte zurückkommen und die Auszeichnung entgegennehmen?› Das habe ich natürlich gemacht. Es war der perfekte Abschluss für eine wunderschöne Saison. Ich war erst 24 Jahre alt und habe dafür bezahlt, um in den USA antreten zu können. Stellt euch das vor…», blickt Scassa zurück.

In diesem Fall beflügelte ein Anruf seine Karriere. Im September, nur wenige Tage vor dem Aragón-GP, war es eine E-Mail. «Der Vater meiner Verlobten, ein ehemaliger Football-Spieler mit einer Schwäche für Motorsport, hat mir gesagt, dass Cardion einen Ersatz für Karel sucht. ‹Warum bringst du deinen Namen nicht ins Spiel?›, fragte er mich. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ein MotoGP-Pilot auf diese Weise ausgewählt wird, aber ich habe eine E-Mail geschickt. Man will ja keinen Streit mit seinem zukünftigen Schwiegervater. Ich habe sie nicht direkt an das AB Cardion-Team gesendet, weil ich keinen Kontaktmann hatte, aber mein tschechischer Mechaniker hatte einen. Nach wenigen Tagen erhielt ich eine Antwort: ‹Sollen wir das genauer besprechen?›»

Das taten sie. Einige Tage später entkorkte die Scassa-Familie in Arezzo in der Toskana eine Flasche guten Rotwein, um auf die  neue Aufgabe anzustoßen. «Alle waren so glücklich. Außer unsere Kunden im Laden.»

Ein Tuning-Atelier

Mit seinem Laden betreibt Luca ein Team, das in der Italienischen Meisterschaft mit MV Agusta antritt. Das Geschäft ist ein Tuning-Atelier, in dem Motorräder und Fahrräder aufgerüstet werden. Sie kümmern sich nicht nur um den Motor, sondern können die Maschine in alles Erdenkliche umbauen. Die Tatsache, dass Luca, ein gelernter Handwerker, nun in die Weltmeisterschaft abwandert, bedeutet, dass sich die Lieferzeiten verlängern. «Ich habe bereits alle Kunden benachrichtigt. Ich hoffe, sie verstehen es»», sagt Luca.

Luca Scassa ist zudem gezwungen, die Arbeit an einem speziellen Bike, das er für sich selbst aufrüstet, einzustellen. «Ich nutze eine GPZ 750 von 1984 als Basis für meinen eigenen Café-Racer. Das muss ich nun jedoch auf den Winter verschieben, nachdem ich meinen MotoGP-Verpflichtungen nachgekommen bin», strahlt der Italiener.

Die Winterzeit und vor allem der Dezember ist eine besondere Zeit für Familie Scassa. «Wir sind aus Capraia, einem kleinen Dorf zwischen Florenz und Arezzo in der Gegend von Casentino. Die Hälfte der Bevölkerung heißt wahrscheinlich Scassa oder Milaneschi, was der Geburtsname meiner Mutter ist. Es ist ein sehr kleiner Ort mit einer schmalen Landstraße, die sich aus dem Tal nach oben schlängelt und in die Hauptstraße direkt vor der Kirche mündet. Der Pfarrer kennt uns sehr gut, denn er hat jedes Familienmitglied von meiner Großmutter bis zu meiner Schwester verheiratet. Wir sind eine große Familie. Auf der Weihnachtsfeier sind wir mehr als hundert Personen. Wir müssen das örtliche Clubhaus für das Abendessen mieten. Die Frauen kochen, denn viele meiner Tanten kochen sehr gut und wir alle helfen ihnen.»

«Jedes verheiratete Paar hat mindestens zwei Kinder und in jedem Jahr haben wir neue Babys und Kleinkinder um den Tisch. Letztes Weihnachten scherzte ich darüber und forderte, dass sie die sexuellen Handlungen für eine Weile einstellen sollen, denn es war zu großer Lärm von Neugeborenen. Mein Großvater brachte mich zum Schweigen. ‹Keines trägt den Namen Scassa›, erinnerte er mich daran, dass ich der erste Mann unter den Cousins und Cousinen bin, der das richtige Alter hat, um dafür zu sorgen. Meine Verlobte Federica war nicht da, sie war bei dem Essen mit ihrer eigenen Familie. Wir beide führen eine sehr ernsthafte Beziehung, aber dieses Thema kam noch nicht auf… Vielleicht muss ich einen Weg finden.»

Wie wäre es mit einer E-Mail?

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