Stefan Bradl: Warum er plötzlich Offroad trainiert
Stefan Bradl beim November-Test in Valencia
Stefan Bradl lag bis zu seinem Knöchelbruch beim viertletzten Grand Prix 2013 auf dem sechsten WM-Rang, dann verpasste er zwei Rennen (Malaysia und Australien) und fiel auf den siebten WM-Schlussrang zurück.
Für nächstes Jahr haben sich das LCR-Honda-Team von Lucio Cecchinello und Bradl viel vorgenommen. In der WM wird ein Platz zwischen 3 und 5 angepeilt, dazu werden etliche Podestplätze angestrebt.
Deshalb wird jetzt das Training verstärkt. Erstmals wird in der Phase des Testverbots (1.12. bis 31.1.) Flat-Track, Supermoto und Motocross gefahren, ab 15. Dezember unter Anleitung des dreifachen MX3-Weltmeisters Yves Demaria.
Bradl hatte schon im letzten und vorletzten Winter immer wieder überlegt, in Aragón mit Kenny Noyes, in Texas mit Colin Edwards, in Kalifornien mit Kenny Roberts oder in Australien mit Chris Vermeulen zu trainieren, aber schliesslich darauf verzichtet.
Im Laufe der vergangenen Saison wurde deutlich, dass der Bayer in der zweiten Rennhälfte mit den abgefahrenen Reifen mehr Zeit verliert als seine direkten Gegner wie Rossi, Crutchlow, Bautista, Dovizioso und Hayden. Deshalb hat er sich zum Offroad-Training entschlossen. Ein weiterer Grund: In keiner anderen Sportart kann es sich ein Athlet leisten, fast drei Monate ohne sein Sportgerät zu üben – kein Fussballer, kein Skirennläufer, kein Radrennfahrer.
Stefan, sämtliche MotoGP-Gegner absolvieren fast pausenlos Offroad-Trainings. Hat diese Tatsache bei dir zu diesem Umdenken geführt? Haben Rossi und Co. dadurch mit abgenützten Reifen Vorteile?
Das kann sein. Deshalb möchte ich es jetzt definitiv einmal ausprobieren. Mein Team verfügt ja schon seit einem Jahr über zwei Honda-450-ccm-Crossmaschinen für mich.
Es ist vorläufig schwierig einzuschätzen. Aber es kann vielleicht etwas bringen. Natürlich machen wir es jetzt auch, um die speziell beim Motorradfahren strapazierte Muskulatur in Schwung zu halten, auch das Gefühl am Motorrad und das Rutschen mit dem Bike kann man auf diese Weise verinnerlichen. Es ist sicher hilfreich, regelmässig die Bekanntschaft mit einem Motorrad zu pflegen.
In den letzten Jahren habe ich es nicht gemacht.
Ich war jetzt deshalb in den letzten Jahren bei den ersten Saisontests im Februar nicht unbedingt viel langsamer als die Gegner. Aber vielleicht bin ich dank des Trainings diesmal umso schneller.
Vielleicht verhilft es auch zu mehr Selbstsicherheit?
Ja, es ist sicher kein Nachteil. Klar, wenn ich mich blöd verletzen würde, bin ich der Depp. Aber ich hoffe, dass es mich weiterbringt. Es wird mir auf keinen Fall schaden. Es wird sich eher positiv als negativ auswirken.
Als Wayne Rainey 1990 erstmals WM-Leader in der 500-ccm-Klasse wurde, hat er mir erzählt: «Ich habe im Winter 55 Dirt-Track-Tage absolviert.»
Ja, das ist viel... In Kalifornien hat man vielleicht auch bessere Möglichkeiten als wir in Deutschland. Wenn man in Bayern lebt, ist so ein Training im Winter mit viel Aufwand verbunden.
Es wird für mich auch nicht sinnvoll sein, dass ich jetzt eine ganze Woche nach Südfrankreich zu Yves Demaria fliege und jeden Tag von früh bis spät auf diesem Bock sitze, Runden abspule und nachher noch eine Stunde oder zwei mit dem Rennradl trainiere, um eine Ausdauereinheit draufzulegen und am nächsten Trag nachher noch ein Krafttraining zu machen.
Hauptsächlich wird es darum gehen, Motorrad zu fahren und Motorrad zu fahren. Dirt-Track, Motocross... Ich bin selber gespannt, welches Programm mich erwartet. Ich weiss nur, dass wir Motocross ohne Sprünge machen, auf flachen Pisten. Und auf SPEEDWEEK.com habe ich gelesen, dass wir auch mit 80-ccm-Maschinen Flat-Track fahren. Ich werde sicher ein paar Tipps brauchen... Aber nach einer gewissen Zeit werde ich auf einen bestimmten Speed kommen. Damit es Sinn macht. Ich betrachte dieses Training als Mittel zum Zweck.
Es wurde sicher alles sehr gut organisiert. Ich freue mich auch darauf, ehrlich gesagt. Das wird ein gutes Training sein.
So ein Offroad-Training kann mit Sicherheit kein MotoGP-Training mit 300 km/h ersetzen. Aber es werden die meisten relevanten Muskeln beansprucht, die Reaktionsschnelligkeit wird geschärft, es hat zwei Radeln und einen Motor. Die anderen schwören darauf. Also muss ich es auch machen.
Ich fliege am 15. Dezember runter, ab 16. fahre ich. Wir werden dann eine intensive Woche gestalten.
Wenn Yves Demaria Zeit hat, werde ich im Januar noch ein- oder zweimal runterfliegen. Das ist der Plan.
Ich habe von Dainese und agv professionelle Motocross-Klamotten gekriegt. Ich bin bestens ausgerüstet. LCR-Teamkoordinator Oscar Haro kommt aus Spanien und wird mich unterstützen.
Ausserdem habe ich gehört, dass Motocross-Europameister Valentin Guillot, der von Demaria betreut wird, Deutsch spricht. Er wird ab dem 15. Dezember auch in Südfrankreich sein.