2014: Ein Jahr zwischen Eiszeit und Kernschmelze
Ich weiß, dass der Winter nur die Hälfte der Welt fest in seiner eisigen Hand hält. Trotzdem hat die letzte Kolumne des Jahres 2013 ein unvermeidbar frostiges Thema. Hauptsächlich, weil wir uns bereits für die Saison 2014 warmlaufen, in der erstmals die Motoren eingefroren werden. Nach dem ersten Rennen sind weitere Entwicklungen des Motors nämlich nicht mehr erlaubt.
Zu dieser Jahreszeit, ob man sie nun in warmen oder kalten Gefilden verbringt, hören wir langsam damit auf, uns stets über die Dominanz vom Marc Márquez in diesem Jahr Gedanken zu machen, und richten unseren Blick in die Zukunft. Doch welcher Entwicklung blicken wir entgegen? Uns erwartet wohl ein weiteres Jahr, das von Marc Márquez dominiert wird, und dem voraussichtlich noch viele folgen werden.
Diesmal wird es sich jedoch anders anfühlen, denn er ist nun kein Rookie mehr. Außerdem liegen noch viele andere Veränderungen in der Luft, vor allem für seine Rivalen: Eisiges, eine Kernschmelze und ein noch eisigeres Sahnehäubchen.
Die wichtigste Veränderung könnte Jorge Lorenzo betreffen. Wir müssen abwarten, ob er seine eiskalte Gelassenheit, die seinen Charakter und seine Fahrweise auszeichnet, beibehalten kann. Ich habe meine Zweifel. Jorge ist seit einigen Jahren ein starker Befürworter von sicherem Rennsport. Er tadelte Marco Simoncelli, was ihn damals zum Gespött machte, aber von den späteren Ereignissen auf schreckliche Weise gerechtfertigt wurde.
Dieselben Bedenken äußerte er im Fall vom Marc Márquez, aber seine Wut richtete sich diesmal auf die Renndirektion, die es verpasst hatte, den jungen Piloten zu disziplinieren. Wie er stets in Erinnerung rief, war er zu seinen Zeiten in der 125-ccm- und der 250-ccm-Klasse ein wilder, gefährlicher und gefürchteter Fahrer, doch er habe draus gelernt, als er 2005 für ein Rennen gesperrt wurde.
Am Ende der Saison, nach einigen obskuren und nur zur Hälfte humorvollen Anmerkungen in Malaysia, sahen wir den alten Jorge «außenherum» Lorenzo wieder. Von nun an tauschte er mit Márquez bei jeder Gelegenheit einige Zentimeter der Verkleidungsfarben aus. Es war ziemlich deutlich zu sehen, dass es eine grundsätzliche Veränderung gab. Die große Frage für 2014 ist, ob Márquez‘ größter Rivale seine Fahrweise beibehalten wird. Falls dies der Fall ist, wird es einige verbitterte Kämpfe geben, aber wie wir wissen, ist Márquez in dieser Beziehung nicht besonders zurückhaltend.
Sahnehäubchen oder Eiszeit
Während das Jahr 2013 für Márquez das Sahnehäubchen auf seinem Karriere-Kuchen war, verlief es für seinen Repsol-Honda-Teamkollegen Dani Pedrosa nicht besonders erfolgreich. Pedrosas Svengali Alberto Puig hat, wie Elvis, das Gebäude verlassen.
Danis gesamte Karriere stand unter der strengen Kontrolle des ehemaligen Rennfahrers beziehungsweise der heutigen grauen Eminenz Alberto. Bert, wie ihn niemand im Paddock nennt, ist ein starker Charakter und so unerbittlich wie eine gefrorene Felswand. Er hat viele Top-Fahrer unterstützt, wie Casey Stoner und eine große Menge hochtalentierter Rookies aus Spanien und anderen Ländern. Berts strenges und humorloses Regime spiegelt sich in Danis eigener farbloser Darstellung in der Öffentlichkeit perfekt wider. Den schelmischen Humor, den jene entdecken, die ihn gut kennen, versteckt er meist sehr gut.
Puigs bedrohlich wirkende Präsenz in der Honda-Box hat nie viel Zuspruch erhalten, vor allem nicht von Seiten der Angestellten des Werks. Doch 2013 erlangte die Stimmung ihren Tiefststand, als Márquez und sein persönlicher Svengali, der ehemalige 125-ccm-Weltmeister Emilio Alzamora, in das Repsol-Team kamen.
HRC-Boss Shuhei Nakamoto weiß natürlich, welcher Fahrer wichtiger für Hondas Zukunft ist. Problem gelöst: Puig muss gehen. Ihm wurde ein wichtiger Job bei Honda als Talentscout gegeben. In Südostasien, also so weit weg wie möglich. Nun ernsthaft, was wird Dani tun? Meine Hoffnung blüht wie eine Eisblume. Wenn er die Konservativität aus seinem Fahrstil verbannen kann, dann hat er die Chance auf ein Feuerwerk.
2014: Rossis Kernschmelze?
Kernschmelze? Diese hat bereits begonnen. Valentino Rossis Comeback bei Yamaha bewies sich als Rohrkrepierer, der sich mit dem Rauswurf von Crewchief Jeremy Burgess endgültig totlief. Rossi sagte, dass er fünf Rennen fahren wird und dann über seine Zukunft entscheidet. Natürlich hofft jeder, dass er alle fünf gewinnt. Und nun lasst uns alle zusammen die Kraft des positiven Denkens testen!
Nur ein anderer Fahrer, abgesehen von Márquez, Lorenzo, Pedrosa und Rossi, konnte sich im letzten Jahr mehr als einmal auf dem Podium platzieren: Cal Crutchlow. Doch Crutchlow hat die Chance auf mehr Podestplätze im Jahr 2014 vergeben, als er zu Ducati wechselte.
Die roten Bikes sind aber nicht für immer zum Scheitern verurteilt. Es besteht die Chance, dass der neue Rennchef Gigi Dall’Igna das Schicksal von Ducati ändern kann. Das geschieht jedoch sicherlich nicht rasch und bestenfalls in der Endphase der Saison 2014. Den Stand von Ducati wird man anhand des Humors des Briten testen können. In den letzten Jahren war er der Scherzkeks des Paddocks, aber er hatte üblicherweise auch etwas zu lachen.
Zurück zu Márquez und der richtigen Prophezeiung: Mehr davon. Auch wenn das ein bisschen entmutigend klingt, bis man sich erinnert, wie viel Spannung er 2013 lieferte. Mehr von dieser Aufregung würde die Meisterschaft auch im nächsten Jahr aufwerten.