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Eskil Suter: «Marc Márquez ist ein Grenzgänger»

Von Günther Wiesinger
«Marc Márquez ist eins mit dem Motorrad. Er hat verlängerte Nerven, die gehen durch das Motorrad hindurch», sagt Motorradhersteller Eskil Suter.

Der Schweizer Ex-Rennfahrer Eskil Suter, jetzt Geschäftsführer der Firma Suter Racing Technology, hat den spanischen MotoGP-Weltmeister Marc Márquez in den Jahren 2011 und 2012 recht genau kennengelernt, als Márquez auf den Suter-Maschinen in der Moto2-WM die Ränge 2 und 1 eroberte. Er feierte mit Márquez im ersten Jahr sieben und im zweiten Jahr neun GP-Siege.

Eskil, du zählst seit einigen Jahren zu den aufrichtigsten Bewunderern von Márquez. Er hat 2013 alle Erwartungen übertroffen: 16 Podestplätze in 18 Rennen, sechs Siege, dazu neun Pole-Positions. Für dich keine Überraschung?

Nein. Und es soll keiner glauben, dass so ein Meister wie Márquez  vom Himmel fällt. Da steckt jahrelange, intensive Arbeit dahinter. Er ist schon mit sechs Jahren auf dem Motorrad gesessen. Er hat zehn Jahre Vorsprung auf die meisten Kollegen.
Dieser Typ... Er ist eins mit dem Motorrad. Das sieht man. Er hat verlängerte Nerven. Die gehen durch das Motorrad hindurch. Das hat damit zu tun, dass er von klein auf Tag und Nacht auf dem Motorrad gesessen ist.
Sein Vorteil: Er ist so unheimlich Racing-clever. Er ist ein ausgefuchster Rennfahrer. Er studiert und grübelt Tag und Nacht; er ist ein absoluter Wahnsinn.
Der befindet sich in einer Röhre drin. Wenn er auf den Rennplatz kommt, fährt er Rennen. Er schaut dann keiner Frau nach, er lässt sich in keiner Weise ablenken. Er kommt zu den Grand Prix, um dort schnell Motorrad zu fahren. Das hat er schon vor vier Jahren vorexerziert, als 16-Jähriger in der 125-ccm-Klasse.
Im Training fährt er verschiedene Linien, die er im Gehirn abspeichert. Wenn ihm nachher im Rennen auf dieser seiner Ideallinie irgendeiner im Weg steht, nimmt er die andere Ideallinie, die er auch abgespeichert hat. Das kann niemand ausser ihm. Das kann nur er.

Der ehemalige Kawasaki-Teamchef Harald Eckl sagte, Márquez müsse mehr Respekt vor den Gegnern lernen. Wenn jemand seine Ideallinie blockiert, dann bugsiert er ihn aus dem Weg. Lüthi, Kallio, Corsi, Aegerter, die können aus der Moto2 alle ein Lied davon singen. In der MotoGP ging es teilweise in dieser Tonart weiter.

Ich weiss nicht genau, wie diese Vorkommnisse passieren. Ich vermute, Márquez befindet sich bei den Rennen in einem so engen Kanal oder Tunnel, dass er wirklich abschaltet, rechts und links nichts mehr wahrnimmt. Zehn Zentimeter reichen ihm dann auf der Piste. Für die andern mag das zu wenig sein.
Anderseits, seien wir ehrlich: Wenn du früher einen Kenny Roberts oder Randy Mamola beobachtet hast, die haben sich gegenseitig noch an den Bremshebel gegriffen...
John Kocinski ist einmal in der 250er-Klasse vor mir bei 250 km/h auf die Hinterradbremse gestiegen, weil ich seinen Windschatten gesucht habe. Max Biaggi hat mich in Assen mitten auf der Geraden bei Fullspeed in die Wiese rausgedrängt. Das sind ganz andere Mätzchen. Das ist überhaupt nichts Neues...
Jetzt ist es halt so, dass Márquez klar überlegen ist. Deshalb haben alle Gegner einen dicken Hals bekommen. Das hat sich allerdings bereits wieder ein bisschen gelegt.
Das wird sich 2014 noch stärker normalisieren, übernächstes Jahr ist dieses Thema vom Tisch.

Du hast Marc Márquez 2011 sogar in Australien in Schutz genommen, als er in der Auslaufrunde des ersten freien Trainings bei hohem Tempo dem Thailänder Wilairot ins Heck gekracht ist. Das hätte böse enden können.

Marc hat Wilairot nicht gesehen, weil ihm ein anderer Fahrer die Sicht versperrt hat. Ich nehme ihn nicht kompromisslos in Schutz. Ich sage nicht, es ist alles gut, was er macht.
Márquez ist ein Grenzgänger. So einer überschreitet manchmal die Grenzen.
Anderseits: Mit lieb sein ist noch keiner Weltmeister geworden.

Aber die Attacke gegen Lorenzo in Jerez, das Überholmanöver in Laguna Seca gegen Rossi, die Berührung mit Pedrosa in Aragón. Und was wirklich schlimm war: Im Warm-up von Silverstone hätte sein Motorrad beinahe ein paar Streckenposten erschlagen, weil er die gelbe Flagge missachtet hat und gestürzt ist.

Das hat er doch nicht gesehen! Der sieht doch keinen Streckenposten. Der schaut auf die Strasse. Er ist zu 100 Prozent konzentriert. Der hat kein Auge für einen Streckenposten... Das ist das Problem, was er hat. Er konzentriert sich nur darauf, schnell Motorrad zu fahren.

Manchmal wird Márquez vorgeworfen, seit dem schweren Crash beim Malaysia-GP 2011 habe er Probleme mit der peripheren Sicht.

Das glaube ich nicht. Das hängt einfach mit dem hohen Grad seiner Konzentration zusammen.
Anderseits: Lorenzo ist beim Saisonfinale in Valencia den anderen auch in die Kiste gefahren – genau wie Márquez bei anderen Anlässen. Lorenzo ist in die Ecken eingebogen und hat einfach den Ellbogen rausgestreckt. Da müsste man Lorenzo auch sagen: Das darfst du jetzt auch nicht machen.

Lorenzo hat dafür einen Strafpunkt bekommen. Aber besteht nicht die Gefahr, dass jetzt Márquez seine stürmischen Attacken mit barer Münze zurückbekommt? Von Lorenzo, Pedrosa und Co.?

Ich persönlich bin der Meinung, Motorsport ist kein Kindergeburtstag. Da passiert es manchmal, dass man sich gegenseitig in die Kiste fährt. Ich komme vom Motocross. Dort gehört das zum Standardrepertoire. Dort schickt man den Gegner absichtlich in die Absperrung.
Früher gab es im GP-Sport auch raue Sitten. Inzwischen ist alles lieber und braver geworden. Dass jetzt Márquez einmal ein bisschen umrührt, das soll man nicht überbewerten. Das muss man nicht gross thematisieren. Die Situation hat sich ohnedies schon wieder beruhigt.

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